Keine Zeit, kein Personal, keine Priorität – wer die Modernisierung seiner Anwendungen in den vergangenen Jahren ein ums andere Mal verschoben hat, findet sich heute unter Umständen in einem Dilemma wieder: Effiziente und flexible moderne Anwendungen täten gerade jetzt Not, um den Herausforderungen der derzeitigen wirtschaftlichen Lage die Stirn zu bieten. Gleichzeitig liegen Budgets auf Eis, Ausgaben wollen besonders sorgfältig abgewogen werden. Einen Ausweg kann unter anderem der Plattformansatz bieten, der Synergieeffekte für die Anwendungsentwicklung schafft und mit einer einzigen Investition gleich eine Vielzahl von Modernisierungsszenarien unterstützen kann.
Wer neue Funktionalitäten in seiner IT-Umgebung benötigt oder mehr Effizienz und Automatisierung in seinen Prozessen wünscht, geht oft den naheliegenden Weg: Bestehende Systeme sollen durch neue Funktionen erweitert oder durch andere Lösungen ersetzt werden, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Doch Investitionen wie diese sind punktuell: Wer eine Funktion zur Rechnungseingangsverarbeitung implementiert, erhält eine Funktion zur Rechnungseingangsverarbeitung – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Im Kontrast dazu steht der Einsatz einer Entwicklungsplattform. Auch diese muss ein Unternehmen zwar zunächst anschaffen und implementieren. Zudem gilt es, entweder intern Expertise aufzubauen oder diese extern zuzukaufen, sodass die Kosten für das Investment unter Umständen sogar über dem Kauf einer dedizierten Lösung oder Funktionalität liegen können.
Seinen großen Vorteil spielt der Plattformansatz jedoch im Anschluss aus: Denn dann lässt sich nicht nur die Funktion zur Rechnungseingangsverarbeitung entwickeln, sondern gleich auch die lang gewünschte mobile Serviceeinsatzlösung oder ein passgenaues Tool zur Reisekostenabrechnung.
Ermöglicht die Entwicklungsplattform darüber hinaus die Erstellung solcher Anwendungen mithilfe eines modernen, auf Effizienz ausgelegten Entwicklungsansatzes wie beispielsweise Low-Code, sinken dabei gleichzeitig auch die Entwicklungs- und Bereitstellungszeiten deutlich: Denn entsprechende Technologien bieten Entwicklern zahlreiche vorgefertigte Bausteine, aus denen sie erforderliche Funktionen quasi nach dem Drag-and-Drop-Prinzip zusammenstellen können. Zahlreiche manuelle Prozessschritte werden dadurch obsolet, sodass die Anwendungsmodernisierung so ressourcenschonend wie möglich erfolgen kann.
Modernisierung für mehr Passgenauigkeit
Besonders von Vorteil ist diese Kombination bei der Neuentwicklung passgenauer Individuallösungen, die in der heutigen Zeit einen entscheidenden Vorteil im zunehmenden Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt bieten können. Denn wie soll ein Unternehmen mit Software von der Stange effektiv das abbilden, was es besonders macht und wodurch es sich am Markt herausheben will?
Der steigende Druck in der digitalen Wirtschaft erfordert geradezu die Rückkehr zu maßgeschneiderter Software, die für viele Unternehmen jedoch aus Kosten- und Effizienzgründen – scheinbar – nicht in Frage kommt.
Schnelle und individuelle Entwicklung versus Aufwand und Kosten – in diesem Kontext können gerade Entwicklungsplattformen mit Low-Code einen Ausweg aus dem Dilemma bieten. Denn durch sie lässt sich die Effizienz der Anwendungsentwicklung deutlich erhöhen, sodass die Erstellung von Individualsoftware wieder rentabel wird. Vergleichbar ist dies mit der Fertigung eines Maßanzugs.
Anstatt alle benötigten Stoffelemente von Hand auf die benötigten Längen und Formen zuzuschneiden, greift ein Schneider beim sogenannten „Made to Measure“-Prinzip auf verschiedenste vorgefertigte Stoffelemente in unterschiedlichsten Größen und Schnitten zurück, und muss diese lediglich – wo noch erforderlich – modifizieren.
Auch hier steht im Ergebnis ein passgenauer Maßanzug – nur schneller und effizienter gefertigt. Entsprechend lassen sich auch passgenaue Softwareanwendungen durch eine Entwicklung „Made to Measure“ rasch und wirtschaftlich erstellen, sodass Unternehmen im dynamischen Wettbewerb der heutigen Zeit genau mit dem bestehen können, was sie einzigartig macht.
Modernisierung gegen Know-how-Verlust
Auch im Kontext der Ablösung alter Legacy-Systeme kann der Plattformansatz helfen. Mainframes etwa stehen nach wie vor im Zentrum der IT-Systeme zahlreicher Unternehmen. Allein in den USA hatten 2021 laut Forrester noch zwei Drittel der Unternehmen entsprechende Großrechner im Einsatz.
Dies jedoch kann zur Herausforderung werden, denn ein steigender Anteil der Experten, die über Know-how für Wartung und Weiterentwicklung verfügen, nähert sich dem Rentenalter. Gleichzeitig mangelt es an neuem Nachwuchs: Nur noch wenige Universitäten lehren die für Mainframes zentrale Programmiersprache COBOL, der Technologie haftet ein „altbackenes“ Image an.
Für Unternehmen gilt es, selbst eine praktikable Lösung für die schrittweise Ablösung alter Mainframe-Systeme zu finden. Auch hier kann ein Plattformansatz in Kombination mit Low-Code-Technologie unterstützen.
So lassen sich damit beispielsweise auf schnelle und einfache Weise moderne Back-ends oder Front-ends entwickeln, die sich nach Bedarf mit bestehenden Mainframe-Prozessen integrieren, auf diesen aufsetzen oder deren Daten in neuen Systemen nutzbar machen. Auf diese Weise können die Legacy-Systeme im Hintergrund weiterbetrieben werden, während gleichzeitig im Arbeitsalltag neue, benutzerfreundliche Lösungen zum Einsatz kommen, die sich ohne erforderliches Mainframe-Expertenwissen warten lassen. Auf dieser Basis wiederum können Unternehmen ihre Mainframe-Systeme dann ohne unmittelbaren Druck schrittweise ablösen.
Modernisierung für die Technologie der Zukunft
Schließlich bietet der Plattformansatz auch die Möglichkeit, das eigene Anwendungsportfolio auf die Anforderungen und Technologien der Zukunft hin auszurichten. Bereits heute sorgt der steigende Wettbewerbsdruck für einen Paradigmenwechsel in der IT und verhilft dem sogenannten Cloud-native Computing zu einem starken Aufschwung.
Dieses weitet die Vorgehensweisen und Vorteile der Cloud auf die gesamte IT-Landschaft aus und soll damit für eine deutlich gestiegene Skalierbarkeit, dynamische Anpassbarkeit sowie globale Hochverfügbarkeit von Services und Applikationen sorgen. Damit sich dies jedoch tatsächlich erreichen lässt, müssen genutzte Anwendungen von Grund auf für die Cloud-native Technologie entwickelt werden.
Bereits heute sind in diesem Kontext einige Low-Code-Plattformen in der Lage, die erforderliche Cloud-native Infrastruktur automatisiert bereitzustellen – ein Prozess, der in der Praxis nicht selten Monate in Anspruch nehmen kann, ohne dass überhaupt mit der eigentlichen Applikationsentwicklung begonnen werden kann.
Anschließend sorgen die Plattformen für einen effizienten Betrieb dieser Infrastruktur, etwa indem sie DevOps-Prozesse automatisieren oder das System im Minutentakt auf dem aktuellen Stand halten. Auf diese Weise entlasten sie Entwickler von Aufwand und verschaffen ihnen freie Kapazitäten, sich auf die Entwicklung moderner, Cloud-nativer Anwendungen zu fokussieren, welche die Vorteile der Cloud maximal ausschöpfen.
Synergien nutzen
Es sind verschiedenste Einsatzmöglichkeiten wie diese, die den Plattformansatz angesichts knapper Budgets und gleichzeitigem Innovationsdruck für Unternehmen in der aktuellen Situation attraktiv machen. Mithilfe einer Entwicklungsplattform lässt sich die Grundlage schaffen für vielfältige Anwendungsszenarien, die sich – nach dem anfänglichen Investment – umso schneller und kostengünstiger in der Praxis umsetzen lassen. So kann sich für manche Unternehmen doch noch eine Möglichkeit eröffnen, die überfällige Modernisierung veralteter Anwendungen zu realisieren – auch und gerade in der aktuellen Zeit.
Tino Fliege ist Solution Architect bei OutSystems.