Der IT-Fachkräftemangel gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Bei dieser Aussage handelt es sich nicht um Panikmache – sie stammt vom Branchenverband Bitkom und betrifft sämtliche Branchen. Im Interview mit dem Midrange Magazin (MM) zeigt der Personalberater Marco Drost auf, wie sich dagegen steuern lässt.

MM: Wie schlimm ist es aus Ihrer Sicht um den IT-Fachkräftemangel in der BRD bestellt?
Drost: Die Nachrichten sind eindeutig. Das Statistische Bundesamt meldete im November 2019 mit 45,4 Millionen Erwerbstätigen einen neuen Höchststand seit der Wiedervereinigung. Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Der Bitkom sprach bereits Ende 2018 von 82.000 freien IT-Jobs und berichtete, dass die Besetzung von IT-Stellen durchschnittlich 5 Monate dauere. In den kommenden Tagen wird der Bitkom die Zahlen für 2019 veröffentlichen. Ich gehe nicht davon aus, dass sich die Situation verbessert hat. Denn wurde ich früher meistens erst dann beauftragt, wenn andere Maßnahmen nicht erfolgreich waren, nehmen mich die Unternehmen derzeit immer häufiger von Anfang an mit ins Boot, um möglichst wenig Zeit zu verlieren.

MM: Als besonders „gebeutelt“ vom IT-Fachkräftemangel gelten Umgebungen, die auf der IBM i basieren – wie sehen Sie die Situation?
Drost: Die IBM i-Welt ist Teil vom Ganzen und bleibt von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Dichte der IBM i-Installationen zuletzt abgenommen hat und die Experten in diesem Bereich häufig regional gebunden sind. Das bedeutet, dass es zwar Spezialisten gibt, sie aber nicht überall bewerbungswillig sind. Trotzdem sehe ich die Situation für Unternehmen, die auf IBM i setzen, nicht kritischer als im allgemeinen IT-Umfeld. Das scheint häufig nur so. Wer meint, dass Java-Programmierer einfacher als RPG-Softwareentwickler zu rekrutieren sind, wird bei der Suche eines Besseren belehrt. Denn der Vorteil, dass es mehr Java- als RPG-Entwickler gibt, löst sich schnell auf, da mehr Unternehmen ihre Software mit Java als mit RPG entwickeln. Und zusätzlich tritt man in diesem Zusammenhang nicht nur gegen mittelständische Wettbewerber, die IBM i einsetzen, sondern auch gegen große Unternehmen an, die in der Regel durch ihren Bekanntheitsgrad attraktiver für mögliche Bewerber sind. Die Situation wird voraussichtlich nicht einfacher, da in der kommenden Zeit viele Best Ager aus AS/400-Zeiten in Rente gehen. Aber die meisten Unternehmen sind darauf vorbereitet und fangen mit der Nachfolgeplanung rechtzeitig an.

MM: Trotzdem verlassen einige Unternehmen deshalb die Plattform, um sich anderen Technologien zuzuwenden. Liegen die falsch?
Drost: Das vermag ich nicht zu beurteilen. Ich denke jedoch, dass der Grund, man finde für die Plattform kein Personal mehr, häufig nur vorgeschoben ist. Oft höre ich, dass Unternehmen bei der Umstellung ihrer ERP-Software kein passendes Nachfolgesystem auf IBM i gefunden haben. Das ist ärgerlich, da der Markt tatsächlich wenig Software hergibt, die native auf IBM i läuft. Sollte fehlendes Personal tatsächlich der ausschlaggebende Grund sein, dass Unternehmen das System verlassen haben, müssen sie sich die Frage gefallen lassen, warum sie nicht rechtzeitig eigene Fachkräfte ausgebildet haben. Ich glaube auf jeden Fall nicht, dass es durch einen Wechsel der Hardware automatisch einfacher wird, gute und passende IT-Spezialisten fürs eigene Haus zu gewinnen.

MM: Was empfehlen Sie Unternehmen, die für ihre IBM i-Umgebung dringend nach Mitarbeitern im Bereich Systemadministration oder Software-Entwicklung suchen?
Drost: Unternehmen sollten die Suche mit mehr Vorlauf als normal angehen und zusätzlich eigenen Nachwuchs ausbilden. Sollte es zum plötzlichen Ausfall eines Spezialisten kommen, kann man die Suchphase mit Freiberuflern oder IT-Dienstleistern überbrücken. Gemäß dem Motto „Viel hilft viel!“ sollte die Suche nach Experten auf mehreren Wegen angegangen werden: Anzeigen in der Lokalzeitung, den gängigen Jobportalen und sozialen Netzwerken sind eine solide Basis. Doch häufig braucht es mehr, wenn man schnell erfolgreich sein will. Mitarbeiterempfehlungsprogramme, gute kununu-Bewertungen und Benefits, wie beispielsweise Home-Office, können den Rekrutierungsprozess beschleunigen. Aber auch Personalberater und -vermittler stehen Suchenden unterstützend zur Seite. Und ganz wichtig: Gute Bewerber sollte man niemals lange warten lassen!

MM: Warum sollten Unternehmen auf externe Unterstützung zurückgreifen, wenn sie auf der Suche nach geeigneten IT-Personal sind?
Drost: Gute Personalberater zeichnen sich durch ein weitgespanntes Netzwerk und umfangreiche Marktkenntnisse aus. Sie verfügen über einen Kandidatenpool wechselwilliger Spezialisten und können schon Mal kurzfristig helfen. Als externe Berater haben sie einen anderen Blick aufs Unternehmen, kennen den Wettbewerb und sehen Dinge so, wie sie sind.

MM: Welche Voraussetzungen sollte ein externer „IT Recruiter“ aufweisen, um eine bestmögliche Lösung für den Personalbedarf eines Unternehmens bieten zu können?
Drost: Am Ende zählt eigentlich nur, ob eine Stelle besetzt werden konnte, oder nicht. Was dazwischen passiert, interessiert in der Regel nicht. Nichtsdestotrotz halte ich neben der fachlichen Eignung gute Menschenkenntnis, seriöses Handeln und Diskretion für wichtige Voraussetzungen.

MM: Welche Kompetenzen können Sie bei der Rekrutierung von IBM i-Spezialisten in die Waagschale werfen?
Drost: Bis 2008 arbeitete ich als Softwareentwickler, Berater und IT-Verantwortlicher im IBM i-Umfeld. Anschließend gründete ich meine Personalberatung. Ich spreche die Sprache von Personalern und IT-Experten und besetze Stellen, die ich vor ein paar Jahren noch hätte selbst ausfüllen können. Eine Agentur nannte mich einmal einen „Spezialist für Spezialisten“. Das trifft es ganz gut. (rhh)

Marco Drost Personalberatung