Für das europäische Datenökosystem Gaia-X interessierten sich bislang nur einige Pioniere aus Wirtschaft, Forschung und Verwaltung. Mit dem EU Data Act könnte sich das ab Herbst 2025 schlagartig ändern: Unweigerlich macht die Pflicht zum Datenteilen Datenräume auf Basis von Gaia-X zur Schlüsseltechnologie der europäischen Datenwirtschaft. Ein Beitrag von Thomas Sprenger, Specialist Communications beim Gaia-X Hub Germany.
Die Idee, Daten als Produktionsmittel einzusetzen, ist keineswegs neu. In der Wertschöpfung der weltweit wertvollsten Unternehmen spielen Daten eine Schlüsselrolle. Tech-Giganten wie Apple, Microsoft, Alphabet (Google) und Nvidia nutzen sie systematisch, um ihre Produktivität und Rentabilität zu steigern, datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln und ihre Marktdominanz auszubauen, etwa im aktuellen KI-Boom. In Europa hingegen bleiben achtzig Prozent der Industriedaten ungenutzt. Nach den Plänen der EU-Kommission soll damit spätestens in einem Jahr Schluss sein.
Wachstumsimpuls für die europäische Datenwirtschaft
Die EU verpflichtet mit der Datenverordnung oder dem Data Act Unternehmen, bisher exklusive Daten zu teilen. Die Verordnung trat zwar schon am 11. Januar 2024 in Kraft. Aber erst am 12. September 2025 endet die Übergangsfrist, nach der das Teilen von Daten endgültig zur Pflicht wird.
Sie gilt für Unternehmen aller Wirtschaftssektoren und Branchen: Landwirte, Hochseefischer und Bergbaubetriebe, Stahlverhütter und Autobauer, das IT-Beratungshaus und den Immobilienkonzern. Der Data Act umfasst sowohl personenbezogene als auch nicht-personenbezogene Daten. Er betrifft selbst Unternehmen außerhalb der EU, sofern sie in der Union wirtschaftlich tätig sind.
Der Grund für den Eingriff in die Datenhoheit ist die Hoffnung auf Wirtschaftswachstum. Die Verordnung soll in der EU einen eigenen Markt für Daten entstehen lassen, die bisher in IT-Silos und in Rechenzentren von Firmen verschlossen waren. Die Kommission verspricht sich davon einen Zuwachs der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung um mehr als 270 Milliarden Euro und das noch in diesem Jahrzehnt. Der Data Act könne Europa aus dem „Daten-Winterschlaf“ holen für einen “Digital-Sovereignty-Spring”, so das Urteil von Marktanalysten.
Die neuen Pflichten zum Datenteilen
Der Data Act unterscheidet drei Parteien beim Umgang mit Daten: Dateninhaber, Nutzer und Dritte. Dateninhaber ist zum Beispiel der Hersteller einer Produktionsmaschine, die beim Kunden laufend Betriebsdaten erzeugt. Nutzer im Sinne des Data Acts wäre in diesem Beispiel der Kunde des Maschinenherstellers, also das Unternehmen, in dessen Produktionshalle die Maschine steht.
Ab September 2025 muss der Hersteller oder Dateninhaber bisher exklusive Maschinendaten seinen Kunden zugänglich machen. Dabei darf er sich nicht hinter technischen Schwierigkeiten und umständlichen Verfahren verstecken. Künftig müssen Dateninhaber ihre Produkte und Dienste so konstruieren, dass die erzeugten Daten für die Nutzer direkt zugänglich sind. Fachleute sprechen von „Data Accessibility by Design“. Lässt sich kein Direktzugriff einrichten, haben Nutzer dennoch ein Recht auf die Daten. Der Dateninhaber muss sie auf Anfrage sofort, kostenfrei und in einem üblichen Format herausgeben, idealerweise in Echtzeit.
Die Auflagen gehen noch weiter: Das IT-System des Dateneigners soll interoperabel, also anschlussfähig an andere Systeme sein. Auch der Wechsel zwischen verschiedenen Cloud-Plattformen muss unterstützt werden.
Für die Entstehung eines Datenmarktes entscheidend ist, dass Nutzer die ihnen bereitgestellten Daten auch Dritten zugänglich machen dürfen. So könnte der Industriekunde die Daten seiner Produktionsmaschinen einem KI-Anbieter zur Verfügung stellen. Zwar darf der ursprüngliche Dateninhaber eine angemessene Entschädigung verlangen. Aber der Data Act begrenzt seine Marge, damit neue datengetriebene Geschäftsmodelle nicht durch Schutzpreise verhindert werden.
Ohne Datenräume wird’s schwierig
Die Pflicht zum Datenteilen technisch umzusetzen, stellt Unternehmen und ganze Branchen vor Herausforderungen. Verbände und CEOs fürchten die Folgekosten der neuen Transparenz. Standards, gemeinsame Regeln und offene Technologien sind nötig, um Geschäftsdaten rechtssicher und effizient zu teilen.
Bisher regeln Unternehmen datenbasierte Zusammenarbeit durch Einzelverträge mit Geschäftspartnern und Kunden. Jede Organisation muss mit allen, mit denen sie Daten austauschen will, im Detail Systemanforderungen, Datenformate, Nutzungsarten und Zugangsrechte festlegen.
Hinzu kommt der technische Aufwand für Programmierung und Programmpflege proprietärer Schnittstellen an jedem Endpunkt eines Datenaustauschs. Das macht den Wechsel oder die Neuaufnahme von Partnern umständlich und zeitaufwändig. Eine agile Datenökonomie mit Wahlfreiheit und freiem Wettbewerb bliebe so unerreichbar.
Experten sehen die Lösung in sogenannten Datenräumen: Das Datenraumkonzept macht technische Alleingänge und Einzellösungen überflüssig. Im Unterschied zu herkömmlichen Plattformen für den Datenaustausch müssen Daten in Datenräumen nicht kopiert werden, sondern verbleiben an ihrem Ursprungsort. Die Technik des Datenraums ermöglicht stattdessen einen dezentralen Zugriff, sodass Dateninhaber jederzeit die Kontrolle über ihre Daten behalten.
Die Teilnehmer von Datenräumen organisieren sich in selbst verwalteten Föderationen, die beispielsweise branchenspezifische Regeln für die datenbasierte Kooperation festlegen. So ermöglichen Datenräume einen souveränen und kontrollierten Datenaustausch und schaffen die Rahmenbedingungen für datengetriebene Geschäftsmodelle.
Dies war der erste Teil unserer Reihe zum EU Data Act und Gaia-X.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Gaia-X Hub Germany.