Im ersten Teil dieser Reihe besprachen wir den EU Data Act und die Anforderungen, die damit für Unternehmen in Bezug auf das Datenteilen einhergehen. Ohne Datenräume wird die Umsetzung nicht möglich sein. Deshalb blicken wir nun konkret auf die Initiative Gaia-X und darauf, wie diese Datenökosystemen in Europa den Weg bereitet.
Initiativen wie die International Data Spaces Association (IDSA), das Data Spaces Support Center (DSCC) und Gaia-X entwickeln sektorübergreifende Regeln, Standards, Verfahren und quelloffene Technologie für ein ganzes Ökosystem von Datenräumen. Der entscheidende Vorteil: Datenräume aus unterschiedlichen Branchen oder Wertschöpfungsketten sind interoperabel.
Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass Unternehmen, die an solchen Ökosystemen teilnehmen, ihre Kundenzufriedenheit steigern, ihre Produktivität erhöhen und ihre Kosten senken. Diese finanziellen Vorteile können bis zu neun Prozent des jährlichen Umsatzes ausmachen.
Auch andere Wirtschaftsregionen und Länder wie Japan und Südkorea orientieren sich inzwischen an der Idee eines gemeinsamen Datenökosystems und suchen den engen Austausch mit den Europäern. Der liegt auch im Interesse der EU-Mitglieder, denn EU Data Act und Datenökosysteme dürfen keine innereuropäischen Initiativen bleiben. Schließlich sind die Unternehmen des Kontinents weltweit präsent und benötigen ebenso globale Infrastrukturen für den souveränen Datenaustausch.
Beim Aufbau eines europäischen Datenökosystems fällt Gaia-X eine Schlüsselrolle zu: 2019 als gemeinsame Initiative von Frankreich und Deutschland gestartet, entwickelte sich Gaia-X in den Folgejahren zu einem gesamteuropäischen Projekt. Nach Gründung der Gaia-X European Association for Data and Cloud AISBL als Dachverband der Initiative entstanden 14 Gaia-X Hubs als nationale Anlaufstellen in den EU-Mitgliedsstaaten und sogar drei Hubs außerhalb der EU.
Während die IDSA vor allem die technischen Standards und Modelle für den sicheren Datenaustausch bereitstellt, schafft Gaia-X die übergeordnete europäische Dateninfrastruktur und die Rahmenbedingungen für datenbasierte Kooperation. Vereinfacht ausgedrückt: Die IDSA kümmert sich um den Datenzugriff im engeren Sinn, Gaia-X organisiert die Mitglieder in einem Datenraum und in Datenökosystemen.
So stellt Gaia-X neben technischen Spezifikationen auch ein sogenanntes Trust Framework für Datenföderationen bereit, mit dem sich die Kommunikation zwischen Dateninhabern, Nutzern und Dritten transparent und rechtssicher regeln lässt. Dazu gehören Mechanismen zur Authentifizierung von Datenanfragen, Lösungen für die Rechnungsstellung von Drittparteien sowie Bausteine und Konzepte für Datenkataloge, Marktplätze und Portale zur Monetarisierung von Daten – Funktionen, die Unternehmen für die Umsetzung des Data Acts benötigen.
Quelloffene Architektur für Europas Datenökosystem
Ein Großteil der Technologie hinter Gaia-X wird dabei als quelloffener Code veröffentlicht. Die Open-Source-Strategie soll verhindern, dass die Wertschöpfung aus Europas Industrie- und Wirtschaftsdaten in den Händen weniger großer Internetplattformen landet.
Zu den technischen Meilensteinen gehört die Entwicklung des Frameworks für die Gaia-X Federation Services (GXFS) unter Leitung des eco-Verbands. Seit 2023 betreut die Community die Code-Basis bei der Eclipse Foundation, Europas größter Open-Source-Stiftung. Aus markenrechtlichen Gründen werden die GXFS dort unter dem Titel Cross Federation Service Components (XFSC) geführt.
Kürzlich starteten außerdem die Gaia-X Digital Clearing Houses (GXDCH) als wichtige Service-Komponente im Gaia-X-Ökosystem. Die GXDCH fungieren als Clearingstellen für alle Gaia-X-Datenräume. Sie prüfen, wer Teil von Gaia-X sein darf, und beglaubigen die Konformität von Teilnehmern und Diensten mit den Vorgaben des Gaia-X Frameworks.
Derzeit betreiben fünf ITK-Provider Clearing-House-Dienste: Aruba in Italien, T-Systems und DeltaDAO in Deutschland sowie Aire Networks und Arsys in Spanien. Zudem die Gaia-X Association ein eigenes Clearing House als Testumgebung an. Weitere sieben Dienstleister haben den Aufbau von Clearing Houses angekündigt.
Zahl der Datenraumprojekte bereits dreistellig
Die Zahl der ersten Datenraumprojekte wächst stetig. Zu den Vorreitern zählen hierzulande die Projekte aus dem Förderwettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das elf Vorhaben mit einer Fördersumme von 117,4 Millionen Euro unterstützt. Nach knapp drei Jahren werden die Projektergebnisse bis Anfang 2025 vorliegen. Der Gaia-X-Dachverband begleitet mit seinem Programm der Gaia-X-Leuchtturmprojekte insgesamt 16 Einzelprojekte und Projektfamilien.
Auch jenseits der Förder- und Pilotprojekte gewinnt die Idee eines europäischen Datenökosystems an Schwung. Das Data Space Radar der IDSA führt mittlerweile 181 Projekteinträge aus 30 Branchen und Themenbereichen auf, mit einem Schwerpunkt auf Industrieprojekten wie Manufacturing-X oder Factory-X.
Ziel: Internationalisierung und marktreife Lösungen
Nach den Aufbauarbeiten der ersten Jahren will Gaia-X CEO Ulrich Ahle die Initiative stärker international vernetzen und die Marktreife der verfügbaren Technologie kontinuierlich steigern. Mittelfristig soll ein Data Space as a Service gerade auch für mittelständische Unternehmen verfügbar werden.
Fazit: Daten sind kein Nebenprodukt mehr
Der EU Data Act und Initiativen wie IDSA und Gaia-X können die europäische Wirtschaft grundlegend verändern. Unternehmen werden Daten zunehmend als zentrales Produkt sehen, nicht mehr nur als Nebenprodukt ihrer Geschäftstätigkeit.
So lassen sich auch die bislang ungenutzten 80 Prozent der europäischen Industriedaten in digitale Wertschöpfung verwandeln. Der EU Data Act und Datenräume ermöglichen endlich den Zugriff auf viele dieser hochwertigen Daten und stimulieren die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle und Produkte, so die Hoffnung.
Firmen können ihre Produkte, Kostenstrukturen und Vermarktungstaktiken gezielter ausrichten, neuartige KI-gestützte Services entwickeln, die Effizienz steigern und die Entscheidungsfindung verbessern. Die gesteigerte Datenvielfalt macht Datenprodukte für vernetzte Gemeinwesen, intelligente Gesundheitsdienste und effizientere Verwaltungsabläufe möglich.
Gaia-X schafft wichtige Grundlagen für die Standardisierung und Interoperabilität solcher Datensysteme, die für die Umsetzung des EU Data Acts entscheidend sind.
Viele zweifeln angesichts der Dominanz der Internetkonzerne aus den USA und China daran, dass Europa weltweite Digitalstandards setzen kann. Doch schon einmal ließen regulatorischer Druck und technische Kooperation einen neuen Markt entstehen, wie das Beispiel des GSM-Mobilfunkstandards zeigt. Mit dem Global System for Mobile Communications führte Europa 1990 den ersten volldigitalen Standard für Mobilfunknetze ein. Diese Idee entstand ebenfalls in Europa. GSM wurde zum weltweit dominierenden Mobilfunkstandard und legte den Grundstein für die heutige mobile Kommunikation. Der Standard schuf einen einheitlichen europäischen Markt für Mobilfunkgeräte und -dienste, was erhebliches wirtschaftliches Wachstum zur Folge hatte. Entscheidend war: Die Europäer warteten nicht, bis anderswo ein Standard etabliert wurde. So schufen sie die Voraussetzung für spätere Innovationen, freien Wettbewerb und Wirtschaftswachstum.
Dies war der zweite Teil unserer Reihe zum EU Data Act und Gaia-X.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Gaia-X Hub Germany.