Resilienz ist ein Begriff, der immer häufiger im Kontext mit Industrie 4.0 genannt wird. Schließlich ist dieses Handlungsfeld neben der Nachhaltigkeit und der Interoperabilität ein wichtiges Thema für produzierende Unternehmen. Aber was steckt hinter diesem Schlagwort und was bedeutet es für die Fertigungs-IT?

Der Begriff Resilienz ist zunächst aus dem Umfeld des Stressmanagements geläufig: Ein resilienter Mensch kann gut mit Stress und Krisen umgehen, er findet schnell wieder zu seinem Gleichgewicht zurück und kann so weiterhin agieren und reagieren. Einfach gesagt, kann ein resilienter Mensch gut mit Störungen umgehen.

„Resilienz macht ein System vorausschauend widerstandsfähig gegen Widrigkeiten seiner Umwelt. Sie ist die Fähigkeit eines Systems, kontinuierlich Veränderungen seines Kontextes zu antizipieren und darauf proaktiv zu antworten, anstatt punktuelles Krisenmanagement zu betreiben. Resilienz führt ein System dazu, sich zu transformieren, bevor die Notwendigkeit zur Veränderung in eine aussichtslose Lage führt.“ So definiert Prof. Dr. Helmut Willke, Lehrstuhl für Global Governance an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, im Studienbrief „(Un)Möglichkeiten der Intervention“ den Begriff Resilienz.

Resilienz und Industrie 4.0

Auch im Umfeld der Industrie 4.0 gehört Resilienz mittlerweile zu den Top-Themen. In einem Whitepaper der Plattform Industrie 4.0 wird Resilienz wie folgt definiert: „Unternehmerische Resilienz ist die Eigenschaft eines Unternehmens, externen Schocks oder Verwerfungen der sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Rahmenbedingungen standzuhalten und sich an neue Bedingungen anzupassen.“ Dazu sortiert das Whitepaper verschiedene Maßnahmen einerseits in die strategischen Handlungsfelder des „Leitbild 2030 der Plattform Industrie 4.0“ ein. Andererseits werden sie den drei Wirkphasen Vorbereitung, Milderung und Anpassung zugeordnet.

Quelle: MPDV, Adobe Stock, pickup

Erklärgrafik zu Flexibilität und Wandlungsfähigkeit

Resilienz bedeutet in der Industrie also, dass Fertigungsunternehmen Vorbereitungen treffen, um widerstandsfähiger zu sein. Im Falle einer Störung sollten die Auswirkungen möglichst milde sein. Außerdem gilt es, sich mögliche Anpassungen zu überlegen, um mit geänderten Umständen besser umzugehen.

Damit schließt sich der Kreis, denn die letztgenannten Anpassungen bilden die Ausgangslage, um sich auf neue Störungen vorzubereiten. Auf die Unterscheidung nach den strategischen Handlungsfeldern (laut Leitbild 2030 der Plattform Industrie 4.0: Nachhaltigkeit, Interoperabilität und Souveränität) wird später noch einmal eingegangen.

Flexibilität und Wandlungsfähigkeit

Um Resilienz im Umfeld von Industrie 4.0 besser zu verstehen, ist es sinnvoll, zwischen Flexibilität und Wandlungsfähigkeit zu unterscheiden:

  • Flexibilität bedeutet, dass ein Unternehmen oder eine Produktion kurzfristig und vorübergehend auf Störungen oder Anforderungen reagieren kann. Nach einer gewissen Zeit normalisiert sich die Situation wieder.
  • Wandlungsfähigkeit hingegen meint, dass sich die Produktion dahingehend verändern kann, um langfristig und dauerhaft mit den neuen Bedingungen umgehen zu können.

Resilienz benötigt beide Fähigkeiten, Flexibilität und Wandlungsfähigkeit. Die Methoden unterscheiden sich je nach Fähigkeit. Daher ist es wichtig, frühzeitig zu erkennen, wie man reagiert: flexibel oder wandlungsfähig – also kurzfristig und vorübergehend oder langfristig und dauerhaft.

Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Auf den Ausfall einer erwarteten Lieferung sollte ein Unternehmen flexibel reagieren – auf die Insolvenz eines wichtigen Lieferanten oder den Ausfall einer Lieferroute eher wandlungsfähig.

Abseits der Resilienz ist die Matrixproduktion ein weiterer Trend der Industrie 4.0, der signifikante Auswirkungen auf die Fertigungs-IT hat. Laut der Expertise des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0 Umsetzung von cyber-physischen Matrixproduktionssystemen zeichnen sich solche Systeme durch einen modularen Aufbau, eine flexible Steuerung und Verkettung der Produktionsressourcen sowie eine hohe informationstechnische Vernetzung aus.

Hierbei spielen sowohl Flexibilität als auch Wandlungsfähigkeit eine essenzielle Rolle, da es einerseits kurzfristige Anforderungen als auch langfristige Planänderungen gibt. Das genannte Dokument führt darüber hinaus den Begriff der Rekonfigurierbarkeit ein. Dieser beschreibt die Fähigkeit, dass sich ein Produktionssystem beliebig innerhalb des Wandlungskorridors (vgl. Wandlungsfähigkeit) bedarfsgerecht umgestalten lässt. In einer Matrixproduktion werden die Fähigkeiten, die die Resilienz unterstützen, proaktiv genutzt, um die verfügbaren Ressourcen effizienter einzusetzen. Somit profitiert eine Matrixproduktion von der Resilienz.

Ein Beispiel: Im Gegensatz zu einer Produktionslinie lassen sich in einer Matrixproduktion bewusst Änderungen herbeiführen, um kurzfristig andere Produkte oder Produkte in anderen Losgrößen herzustellen – entweder vorübergehend oder dauerhaft.

Nachhaltigkeit, Interoperabilität und Souveränität

Resilienz baut auf die drei strategischen Handlungsfelder Nachhaltigkeit, Interoperabilität und Souveränität auf. Nachhaltigkeit geht dabei weit über den sparsamen Umgang mit Ressourcen hinaus. Vielmehr beinhaltet es alles, was dafür nötig ist, dass überhaupt produziert werden kann.

Insbesondere die Rolle des Menschen sowie die Bildung und Arbeitsorganisation sind hierbei von Bedeutung. Interoperabilität meint sowohl das Zusammenwirken von verschieden (IT-)Systemen als auch Standardisierung entlang von Lieferketten. Und Souveränität umfasst neben der Versorgungssicherheit auch Themen der IT-Security sowie die Entwicklung neuer Technologien. Auch wenn das alles große Worte sind, gibt es doch viele Ansatzpunkte für die Fertigungs-IT. Konkrete Beispiele verdeutlichen dies.

Gerüstet für die Zukunft

Letztendlich basiert Resilienz auf der Summe vieler Maßnahmen und Methoden zur Vorbereitung, Milderung und Anpassung. Gleichzeitig hat ein breites Spektrum an Handlungsfeldern Einfluss auf die Resilienz der Produktion. Von Weitem betrachtet sieht es erst einmal nicht danach aus, als würde die Fertigungs-IT dafür eine wichtige Rolle spielen.

Doch das Gegenteil ist der Fall: Fertigungs-IT wirkt im Kleinen, hat in Summe aber eine große Wirkung auf das Ganze. Je nach Unternehmen sind es unterschiedliche Use Cases, die mehr oder weniger relevant sind. Um dies herauszufinden, helfen Experten der MPDV-Gruppe weiter.

Markus Diesner ist Senior Marketing Specialist Products bei MPDV.

MPDV Gruppe