Künstliche Intelligenz wird für viele Unternehmen zum zentralen Werkzeug, um ökologische und soziale Herausforderungen aktiv anzugehen. Eine internationale Studie zeigt, mit welchen Strategien Microsoft, Google & Co Verantwortung übernehmen – und warum das auch für den Mittelstand relevant ist.
KI und Nachhaltigkeit werden heute nicht mehr isoliert betrachtet – sie wachsen zunehmend zu einer strategischen Einheit zusammen, die das Zukunftsprofil vieler Unternehmen prägt.
„Viele Unternehmen haben das Thema Nachhaltigkeit schon lange in den Fokus ihrer Strategie gerückt“, erklärt Prof. Dr. Marion Büttgen, Leiterin des Fachgebiets Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensführung an der Universität Hohenheim. „Wie aber KI-Anwendungen genutzt werden, um Nachhaltigkeit zu fördern, wie die KI selbst nachhaltiger gestaltet werden kann, wie verschiedene Strategien einzuordnen sind und bei Kundinnen und Kunden der Unternehmen ankommen, ist zu großen Teilen unerforscht.“
Diesen Fragen ist ein internationales Forschungsteam nachgegangen – mit einer umfassenden Analyse der Strategien großer Technologiekonzerne wie Microsoft, Google, Amazon, IBM, Meta und SAP. Die gemeinsame Studie der Universität Hohenheim, der Hochschule der Medien Stuttgart und der IÉSEG School of Management in Lille beleuchtet, wie KI gezielt eingesetzt wird, um globale Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit oder den Schutz der Biodiversität anzugehen – und welche Unternehmensstrategien dahinterstehen.
Zwei zentrale Dimensionen: „KI für Nachhaltigkeit“ und „nachhaltige KI“
Im Rahmen der Analyse wurden 69 Nachhaltigkeitsberichte sowie ergänzende Unternehmensdokumente ausgewertet. Aus diesen nahmen die Forschenden etwa 250 relevante Initiativen und entwickelten ein Framework, welches die strategischen Ausrichtungen der Unternehmen in drei Dimensionen kategorisierte. Von diesen sind zwei Dimensionen besonders entscheidend:
- KI für Nachhaltigkeit vs. nachhaltige KI:
- Unternehmen setzen KI ein, um Nachhaltigkeit zu fördern („KI für Nachhaltigkeit“) oder arbeiten daran, dass die eigenen Technologien nachhaltiger gestaltet sind („nachhaltige KI“).
- Ökologische vs. soziale Nachhaltigkeit:
- Entweder legen die Initiativen ihren Schwerpunkt auf ökologische Aspekte („Ökologische Nachhaltigkeit“) oder auf soziale Aspekte („Soziale Nachhaltigkeit“) wie z. B. Fairness, Wohlergehen.
Unterschiedliche Schwerpunkte – aber klare Wirkung
Wie die Untersuchung ergab, verfolgen große Tech-Unternehmen zwar unterschiedliche Ansätze, wenn es um KI und Nachhaltigkeit geht, doch gemeinsam ist ihnen der Wille, Verantwortung zu übernehmen. Google etwa legt den Fokus auf soziale Nachhaltigkeit in Verbindung mit nachhaltiger KI. Ein Beispiel dafür ist das Tool „Know Your Data“, welches Entwicklern hilft, soziale Verzerrungen in Datensätzen zu erkennen. Ziel ist es, Diskriminierung in KI-Systemen zu reduzieren und gerechtere Anwendungen zu schaffen.
Hingegen richtet Microsoft seine KI-Initiativen stärker auf ökologische Nachhaltigkeitsziele aus. Mit dem Programm „AI for Earth“ unterstützt das Unternehmen weltweit Projekte, die sich dem Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität widmen – ein typisches Beispiel für den Ansatz „KI für Nachhaltigkeit“.
Beide Strategien zeigen Wirkung – auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Wie die Studie belegt, werden alle untersuchten Strategien im Kontext von KI und Nachhaltigkeit von Kunden grundsätzlich positiv bewertet. Besonders gut kommen dabei Initiativen an, die auf soziale Nachhaltigkeit und eine ethisch verantwortungsvolle Entwicklung von KI abzielen.
„Nachhaltigkeit und KI strategisch zu vereinen, wird von Kundinnen und Kunden der Technologieunternehmen wertgeschätzt“, fasst Dr. Ellen Weber vom Fachgebiet Unternehmensführung zusammen.
Die Studie macht deutlich: Ein glaubwürdiger und langfristig ausgerichteter Wandel findet statt – und er kommt an.
Orientierung für Kooperationen – und strategische Weichenstellungen im Wandel
Das von den Forschenden entwickelte Framework bietet nicht nur großen Tech-Unternehmen wertvolle Einsichten zur Bewertung und Weiterentwicklung ihrer Nachhaltigkeits- und KI-Initiativen. Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können davon profitieren – etwa bei der gezielten Auswahl strategischer Partner.
„Zu wissen, wie die eigene und die Strategie anderer Unternehmen eingeordnet werden kann, hilft dabei, Kooperationen mit gemeinsamen Werten und Zielsetzungen einzugehen“, erklärt Prof. Dr. Marion Büttgen.
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass Unternehmensstrategien kein statisches Gebilde sind, sondern sich an externe Rahmenbedingungen anpassen. Besonders politische Entwicklungen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Die Forschenden raten daher, künftige Nachhaltigkeitsberichte der in der Studie untersuchten Unternehmen genau zu analysieren. Ein Blick in die USA zeigt, wie relevant dies werden kann: Während die US-Regierung mit der Stargate-KI-Initiative milliardenschwere Investitionen in KI plant, steht auf der anderen Seite der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen – zwei politische Signale mit entgegengesetzter Stoßrichtung.
„Nur durch genaue Beobachtung können wir erkennen, ob und wie sich solche Entscheidungen auf die Nachhaltigkeitsstrategien großer Tech-Unternehmen auswirken“, betont Dr. Marah Blaurock von der Hochschule der Medien Stuttgart.
KI bringt die Studie in den Podcast – ganz im Sinne der Forschung
Passend zum Thema setzten die Forschenden auf ein KI-basiertes Tool, um ihre Ergebnisse in einem Podcast-Format aufzubereiten. „Das Ergebnis ist schon ziemlich gut geworden“, sagt Felix Zechiel vom Hohenheimer Forschungsteam. Die Folge ist auf Spotify und auf YouTube abrufbar – ein gelungenes Beispiel für den sinnvollen und kreativen Einsatz von KI in der Wissenschaftskommunikation.
Hier finden Sie weitere Informationen zur Universität Hohenheim in Stuttgart,