Das europäische Datenökosystem Gaia-X entwickelt nicht nur Regeln für datenbasierte Wertschöpfung in der EU, sondern liefert auch die Werkzeuge, um diese Regeln zu schützen. Die neuen Gaia-X Digital Clearing Houses (GXDCH) spielen dabei eine zentrale Rolle. Ein Überblick.
In Europa bleiben 80 Prozent der Industriedaten ungenutzt, während Unternehmen in anderen Regionen Milliarden aus Daten erwirtschaften. Die EU-Kommission will dies mit dem EU Data Act, der ab September 2025 gilt, ändern. Die Verordnung soll das Teilen von Daten in der Wirtschaft erleichtern und teilweise erzwingen, um einen neuen Markt für datengetriebene Dienste und Geschäftsmodelle in Europa zu schaffen. Doch was hindert Unternehmen und Organisationen am Datenaustausch und wie behalten sie die Kontrolle über ihre Daten?
Gründe für den bisherigen Verzicht auf Datenaustausch
Unternehmen und Forschungseinrichtungen regeln den Datenaustausch bisher durch Einzelverträge mit Geschäftspartnern. Dies führt zu einem Flickenteppich aus Vereinbarungen über Systemanforderungen, Datenformate und Zugangsrechte. Der Aufwand für proprietäre Schnittstellen an jedem Endpunkt eines Datenaustauschs erschwert die Integration neuer Kooperationspartner zusätzlich.
Notwendige Infrastruktur für die Datenwirtschaft
Darum arbeiten Initiativen wie Gaia-X, die International Data Spaces Association (IDSA), das Data Spaces Support Center (DSCC) und die Data Spaces Business Alliance an einer Infrastruktur für das rechtssichere Teilen von Daten. Sie setzen teuren Einzellösungen ein Ökosystem interoperabler Datenräume entgegen, das auf sektorübergreifenden Regeln, Standards und quelloffener Technologie basiert. Dies soll das Vertrauen in die digitale Kooperation innerhalb von Lieferketten und Branchen stärken.
Funktion der Gaia-X Digital Clearing Houses
In diesem Jahr erreichten diese Bemühungen einen wichtigen Meilenstein mit dem Start der ersten Gaia-X Digital Clearing Houses (GXDCH). Diese zentralen Instanzen in Gaia-X-basierten Datenräumen sorgen dafür, dass sich alle Teilnehmer an die gemeinsamen Regeln halten. Sie prüfen die Gaia-X-Konformität von Teilnehmern und Diensten.
Betrieben werden die Clearing Houses dabei nicht von der Gaia-X European Association for Data and Cloud AISBL. Der Zentralverband in Brüssel legt lediglich die Rahmenbedingungen fest und überlässt den operativen Betrieb der Clearing Houses externen Dienstleistern. Diese Aufgabenteilung ermöglicht eine Skalierung der Prüfprozesse entsprechend dem Wachstum der Datenräume.
Kostenfreie und optionale Clearing-Dienste
Alle Betreiber von Clearing Houses müssen einen Grundstock kostenfreier Prüfdienste anbieten, um besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen den Einstieg zu erleichtern. Zu den wichtigsten Komponenten gehören der Gaia-X Compliance Service, der die Einhaltung der Gaia-X-Standards prüft, sowie die Gaia-X Registry, die eine Liste vertrauenswürdiger Aussteller elektronischer Beglaubigungen verwaltet.
Zusätzlich können GXDCH-Betreiber optionale und kostenpflichtige Dienste anbieten, wie Benutzeroberflächen, Kataloge für Gaia-X-Dienste, digitale Brieftaschen, Key Management Systeme, Policy Decision Points und Data Exchange Services. Diese zusätzlichen Dienstleistungen ermöglichen es, auf spezifische Bedürfnisse verschiedener Nutzergruppen und Branchen einzugehen.
Austauschbarkeit und Flexibilität der Dienste
Die Basisdienste der GXDCH sind kostenfrei und untereinander austauschbar. Teilnehmer können ihren Anbieter leicht wechseln oder Dienste von verschiedenen Clearing Houses gleichzeitig nutzen. Ein vom Gaia-X-Verband bereitgestellter Loadbalancer ermöglicht es, Prüfaufträge automatisiert an verschiedene GXDCH-Knoten zu verteilen. Diese Strategie erhöht die Redundanz und Verfügbarkeit der Dienste und steigert die Flexibilität und Effizienz des Systems.
Labels und Stufen der Gaia-X-Konformität
Die Clearing Houses vergeben vier verschiedene Labels, je nach Grad der Übereinstimmung mit den Gaia-X-Standards. Diese Abstufung ermöglicht es Teilnehmern, den Sicherheits- und Vertrauensgrad an ihre spezifischen Anforderungen anzupassen.
Abb.: Gaia-X Conformity Label, Quelle: Gaia-X European Association for Data and Cloud AISBL
Das Label „Gaia-X Conformity“ stellt den Einstiegspunkt dar und garantiert die Einhaltung grundlegender Gaia-X-Anforderungen. Mit jedem weiteren Grad steigen die Anforderungen an Datenschutz und Sicherheit. Label 1 erweitert die Basis-Konformität um zusätzliche Sicherheits- und Transparenzanforderungen, während Label 2 eine manuelle Überprüfung und höhere Cybersicherheitsstandards erfordert. Label 3 stellt die höchsten Anforderungen an Datenschutz und Sicherheit und schreibt die Verarbeitung der Daten ausschließlich innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums vor.
Welche Clearing Houses gibt es schon?
Derzeit betreiben sechs ITK-Dienstleister aus Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien eigene Clearing Houses für das Gaia-X-Ökosystem. In Deutschland sind die Telekom-Tochter T-Systems und der spezialisierte Dienstleister DeltaDAO aktiv. Sieben weitere Provider haben den Aufbau von Clearing Houses angekündigt.
Fazit
Die EU-Kommission erhöht den regulatorischen Druck auf Unternehmen, sich am Datenaustausch zu beteiligen. Der Aufbau einer gemeinsamen Infrastruktur in Form interoperabler Datenräume ist daher entscheidend. Die Gaia-X Digital Clearing Houses sind ein zentraler Baustein dieser Infrastruktur. Sie bieten Unternehmen aller Größen die Möglichkeit, sich auf datenbasierte Kooperation einzulassen und dabei die Kontrolle über ihre Daten zu behalten.
Die Autoren: