Künstliche Intelligenz, kurz KI, wird die Berufswelt verändern und das betrifft auch die Tätigkeitsfelder der IT-Spezialisten selbst. Routinetätigkeiten, teilweise sogar die Programmierung, können von Algorithmen übernommen werden. Übergreifendes Wissen, Beratungskompetenz dagegen werden künftig ebenso gefragt sein wie spezifisches Branchenwissen. Eine zukunftsorientiere Aus- und Weiterbildung von Young Professionals sollte diese Entwicklungstendenzen im Blick haben.
Künstliche Intelligenz, kurz KI, rückt derzeit während der Corona-Pandemie stärker ins öffentliche Bewusstsein. Nicht nur hat ein System der künstlichen Intelligenz, die kanadische Gesundheitsplattform BlueDot, bereits vor der offiziellen Information der WHO vor Viren unbekannter Herkunft im Raum Wuhan gewarnt; Auswertungen von Lungenaufnahmen, Trackingverfahren zur Ausbreitung oder die Überwachung von Abständen im Logistikbereich sind nur einige der Einsatzmöglichkeiten, die Ideen und Anwendungsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig. Allein auf dem Gebiet der Medikamentensuche laufen aktuell mehrere Forschungsprojekte.
Die Corona-Krise kann sich somit als Motor für die Weiterentwicklung artifizieller Intelligenz erweisen. Neu ist das Thema freilich nicht. Längst haben lernende Algorithmen Einzug in den Alltag gehalten – in Gestalt von Navigationssystemen, Sprachassistenten oder Saugrobotern. Komfortabel im täglichen Leben, sind sie vieldiskutiert, mit höchsten Erwartungen verknüpft, aber auch als Jobkiller gefürchtet, in jedem Fall ist die Zeit reif für Anwendungen der künstlichen Intelligenz. Denn anders als früher stehen jetzt auch die dafür benötigten Speicher- und Rechenleistungen zur Verfügung. Skalierbare Speicherkapazitäten durch Cloudplattformen ermöglichen und hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten machen den Einsatz von KI für Unternehmen auch wirtschaftlich.
KI schafft Mehrwert
„Viele potentielle Anwender denken zunächst einmal an Prozessoptimierung, hier sind die Grenzen oft fließend zwischen Digitalisierung und dem Einsatz künstlicher Intelligenz“, sagt Stefan Rühle, Vorstandsvorsitzender von The Digital Workforce Group. Allein durch Automatisierung können bereits viele Routineprozesse, sich wiederholende und für Menschen ermüdende Tätigkeiten, maschinell ersetzt werden.
KI kann jedoch viel mehr: Durch Machine Learning, die Generierung von Wissen aus Erfahrung, sind die Algorithmen in der Lage, auch mit unbekannten Daten umzugehen, Muster zu finden und selbstständig Handlungen abzuleiten. Chatbots etwa, die zunehmend im Kundenservice Verwendung finden, werden durch unterstütztes Lernen im Laufe der Zeit immer besser.
Deep Learning auf Basis neuronaler Netze ermöglicht Prognosen auf Basis sehr komplexer Zusammenhänge. Bekannte Anwendungen finden sich im Bereich Predictive Maintenance oder in der Vorhersage von Kundenverhalten. Hier kommt ein entscheidender Aspekt von KI ins Spiel: Das Aufdecken bislang unbekannter Zusammenhänge führt zu neuen Erkenntnissen und verspricht somit echten Mehrwert.
Wie aber können Unternehmen Systeme der künstlichen Intelligenz wertschöpfend einsetzen? Um die eigenen Potenziale zu erkennen und zu nutzen, brauchen Anwender von Seiten der IT nicht nur Entwicklungs- und Implementierungsleistung, sondern auch umfassende Beratung. Denn der Einsatz von KI-Elementen ist nicht vergleichbar etwa mit der Einführung einer neuen Software.
Unter dem Begriff der künstlichen oder artifiziellen Intelligenz, auch AI, werden vielmehr ganz unterschiedliche Technologien und Ansätze zusammengefasst. Zu den bekanntesten gehören Sprach- und Bilderkennung oder Datenanalyse. Ein Bitkom-Projekt zum Periodensystem der KI bietet hierzu ausführliche Informationen und einen Gesamtüberblick; verdeutlicht aber auch, wie komplex dieses Thema ist.
Wissen über KI-Systeme und Branchenkenntnis werden wichtiger
Daraus ergibt sich nicht nur ein sehr breites Spektrum an Spezialisierungen und Fachkenntnissen für die Entwickler und Programmierer von KI-Modellen. „Auch IT-Berater und Business Analysten werden einen entsprechenden Wissenshintergrund brauchen, um potentielle Anwender zunächst einmal mit den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz vertraut zu machen.
Im nächsten Schritt geht es dann darum, gemeinsam konkrete Anwendungsfälle im Unternehmen zu finden und dafür ein geeignetes Modell zu konzipieren. Unternehmen benötigen Unterstützung bei der Analyse der Optionen und der Aufwandsabschätzung: Welche Datenmengen werden benötigt und liegen diese in ausreichender Qualität vor? Falls nicht, wie hoch wäre der Aufwand für die Datenaufbereitung? Wieviel Zeit ist für „Training“ des Chatbots einzuplanen?
Das KI-Modell muss auch zur Anwendung passen. Sub-symbolische Verfahren wie neuronale Netze sind zwar äußerst leistungsstark, sie eignen sich zum Beispiel für Bilderkennung, sind aber in ihren Entscheidungen für Menschen nicht nachvollziehbar. Wenn es auf Nachvollziehbarkeit und Dokumentierbarkeit ankommt, wären sie also nicht geeignet.
IT-Know-How allein genügt also noch nicht, wie Stefan Rühle, selbst lange Jahre im Bankenumfeld tätig, erklärt: „Um hier kompetent zu beraten und auf Augenhöhe mit den Anwendern sprechen zu können, brauchen IT-Spezialisten zudem auch Kenntnisse über die spezifischen Abläufe, das Geschäftsumfeld und die gesetzlichen Vorgaben in der jeweiligen Branche“.
Parallel werden künftig auch im IT-Bereich regelbasierte Routinetätigkeiten durch KI-Algorithmen übernommen. Das könnte, so Stefan Rühle, zum Beispiel das User Interface Design betreffen, aber auch die Kerndisziplin, das Programmieren: “In Zukunft wird sich KI sogar selbst schreiben und verbessern“, prognostiziert Rühle. Einen entsprechenden Erfolg vermeldete Google Brain bereits 2017 mit der Entwicklung einer Spracherkennungssoftware durch ein KI-System. IT-Experten werden Unternehmen in punkto KI am besten unterstützen können, wenn sie sich Hintergrundwissen über die Möglichkeiten und Technologien der KI aneignen, über Beratungs- und Problemlösungskompetenz sowie spezifische Branchenkenntnisse verfügen.
IT-Nachwuchsförderung: Zukunftsorientiert aus- und weiterbilden
Spezialisten mit diesem Profil dürften allerdings rar sein. Unternehmen sind daher meist auf externe Unterstützung angewiesen. Die Nachwuchsförderung wäre auf längere Sicht oft die bessere Alternative, aber vielen Unternehmen fehlen die Ressourcen für die betreuungsintensive Einarbeitung der IT-Berufseinsteiger oder für interne Traineeprogramme.
The Digital Workforce Group hat hierfür ein ganzheitliches Modell entwickelt, um Young Professionals und Unternehmen zusammenzubringen. Maßgeschneiderte Förderkonzepte und Mentoring, Projekteinsätze und Internalisierung bilden die Eckpfeiler. Ergänzt wird die personalisierte Ausbildung durch Angebote von Expertenvorträgen und regelmäßig stattfindende TechTalks. Workshops gemeinsam mit Unternehmen bieten Plattformen für Diskussion und Erfahrungsaustausch.
Anisa Karajbic