Bei der Digitalisierung kann Worms zum Vorbild für andere Städte werden. Die Einführung einer App für alles liefert wichtige Erkenntnisse, wie Kommunen ihre Dienstleistungen sicher, nutzerfreundlich und ohne großen Aufwand in die digitale Welt verlagern können.
Die kommunale Verwaltung in Deutschland ist langsam, unflexibel und antiquiert – so lautet das gängige Klischee. Und in der Tat: Die Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland stockt seit Jahren. Die Dringlichkeit dieses Themas ist eigentlich längst bekannt. Fehlende Ressourcen, politische Streitigkeiten und Datenschutzbedenken sorgen aber dafür, dass es nur sehr langsame Fortschritte gibt. Erst im zweiten Anlauf billigte der Bundesrat nun das Onlinezugangsgesetz (OZG 2.0), das das Recht auf digitale Verwaltungsleistungen gesetzlich verankert. Doch die Umsetzung hinkt schon jetzt hinterher. Wenn Deutschland in diesem Tempo weitermacht, braucht es noch viele Jahre, bis die Rede von echter Digitalisierung sein kann.
Dabei geht es auch anders. Statt sich vom Modernisierungszwang treiben zu lassen, können Kommunen das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen. Mithilfe von bereits verfügbarer existierender Technologie könnten sie innerhalb kürzester Zeit ihre Verwaltung effektiver und dienstleistungsorientierter machen – und so zum Vorreiter in Sachen Digitalisierung und für zeitgemäße Online-Services werden.
Wie das funktionieren kann, zeigt die Stadt Worms. Dort läuft aktuell die Implementierung einer App für alles, die nicht nur alle kommunalen Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert, sondern das gesellschaftliche Leben der ganzen Stadt. Die Idee hinter der SuperApp ist simpel und gleichzeitig bahnbrechend: Bürger können zukünftig über eine einzige Plattform sämtliche digitale Services nutzen, für die sie sonst auf unterschiedlichste Anbieter zurückgreifen müssten. Vom Führerscheinantrag über Bildungsangebote bis hin zu Arztterminen, Einkaufs- und Transportmöglichkeiten oder dem Kauf von Konzerttickets wird dann perspektivisch alles möglich sein.
Erfolgsfaktoren für die digitale Verwaltung
Damit die Digitalisierung der Verwaltung gelingt, müssen Kommunen eine Reihe von Faktoren beachten. An erster Stelle stehen Sicherheit und Verbindlichkeit. Nur wenn der Zugang zum Online-Angebot zudem für alle Nutzerinnen und Nutzer – Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung, Unternehmen – jederzeit bequem, intuitiv und unkompliziert ist, bringt es echten Mehrwert. Die Services sollten selbsterklärend, schnell auffindbar und mit wenigen Klicks zu bedienen sein. Dafür eignet sich am besten eine Microservices-Architektur. So lassen sich Anwendungen flexibel und ohne aufwendige Änderungen an der Plattform aktualisieren.
Einen solchen Ansatz verfolgt auch die in Worms eingesetzte Lösung. Die bereitgestellte Plattform-Technologie bündelt die verschiedenen, bislang dezentralen Dienste. Als 1-Click-Mini-Apps werden die kommunalen Services sowie weitere Dienstleistungen, beispielsweise von ortsansässigen Unternehmen oder anderen Partnerinstitutionen, in die SuperApp integriert.
Auf technischer Ebene umfasst die zugrundeliegende Plattform flexible Module. Ein Modul sorgt für eine sichere Identitätsauthentifizierung. Nach der Single-Sign-on-Authentifizierung können Anwenderinnen und Anwender bequem nahtlos verschiedenste verifizierte Dienste nutzen. Zukünftig ist auch ein ID Vault geplant, das eine sichere Speicherung und Verwaltung digitaler Dokumente ermöglicht. So lassen sich zum Beispiel digitale Verträge abschließen, die gesetzlichen Vorgaben vollständig entsprechen.
Ein Payment-Modul ist die Grundlage dafür, dass Nutzerinnen und Nutzer Zahlungsfunktionen innerhalb der angebotenen Dienste und auf sicheren digitalen Marktplätzen nutzen können. Die App müssen sie dazu nicht verlassen. Das weitere Modul erlaubt die authentifizierte Kommunikation über Chat-Kanäle, beispielsweise zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Ämtern. So entsteht eine nahtlose Benutzererfahrung.
Flexible Authentifizierung, sichere digitale ID
Stichwort Authentifizierung: Eine sichere Identifikation des jeweiligen Nutzers und der Nutzerin ist die Grundvoraussetzung für das Gelingen digitaler Verwaltung. Erfolgsgeheimnis ist die Flexibilität. Städte müssen die richtige Balance finden zwischen Datensicherheit auf der einen Seite und Nutzerfreundlichkeit auf der anderen. Schließlich sollen (Gelegenheits-) Nutzerinnen und Nutzer nicht durch eine komplizierte Anmeldung verschreckt werden.
Je nach Bedarf können daher abgestufte Arten der Authentifizierung bei der Registrierung der Bürgerinnen und Bürger zur Anwendung kommen. In unproblematischen Fällen, zum Beispiel für Müllabfuhrtermine, reicht eine niedrigschwellige Identifikation, etwa per Mailadresse. Bei sicherheitskritischen Anwendungsfällen, zum Beispiel bei allem, was mit Bezahlung zu tun hat, muss hingegen eine absolut zweifelsfreie PKI-basierte 2-Faktor-Authentifizierung greifen. Dabei wird die Identität eines Benutzers oder einer Benutzerin durch zwei Faktoren überprüft: ein Passwort sowie die Public Key Infrastructure (PKI). Nur so kann eine (rechts-)sichere digitale Identität geschaffen werden, die Nutzerinnen und Nutzer eindeutig identifiziert. Mit dieser ID können sich die Personen sorgenfrei auf der Plattform bewegen, mit anderen kommunizieren und Zahlungen tätigen. In Zukunft werden sich Anwenderinnen und Anwender mit dem elektronischen Personalausweis registrieren und so auch sensibelste Anwendungen im 1-Click Verfahren nutzen können.
Keine Digitalisierung ohne höchste Sicherheitsstandards
Für Online-Services aller Art ist ein Höchstmaß an Sicherheit und Datenschutz essenziell. Das gilt erst recht für kommunale Dienste, die mit sensiblen persönlichen Daten zu tun haben und strengsten Sicherheitsrichtlinien unterliegen. Diese Sicherheit zu gewährleisten ist die zentrale Aufgabe, ohne die digitale Lösungen nicht funktionieren können.
Das lässt sich mit einer Reihe von Security-Features erreichen. Dazu gehören unter anderem die Gerätebindung, die Kombination aus Biometrie- (z.B. Fingerabdruck) und Wissensprüfung (z.B. Passwortabfrage) sowie eine Online-Integritätsprüfung der App. Ebenfalls notwendig ist die Runtime Application Self Protection (RASP), eine Technologie, die Anwendungen während ihrer Laufzeit überwacht und schützt, indem sie Angriffe in Echtzeit erkennt und abwehrt. Weitere Features sind die Prüfung von Gerätesicherheitseigenschaften sowie die Härtung von Kommunikationskanälen. Diese gewährleistet, dass Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden, um die Kommunikationswege zwischen Geräten oder Netzwerken vor unerlaubtem Zugriff und Angriffen zu bewahren.
Eine weitere zentrale Sicherheitsanforderung speziell für Kommunen: Die gesammelten und verarbeiteten Daten müssen sicher in der Cloud gespeichert werden, und zwar mit einem Serverstandort in Deutschland. Dann ist die Lösung nicht nur DSGVO-konform, sondern garantiert auch hohe Verfügbarkeiten und schnellen Kundensupport.
Im Falle der in Worms eingesetzten Lösung kommt die Sicherheitstechnologie „14 Layers of Security“ zum Einsatz, die bereits im Feld erprobt ist – aus ähnlich sicherheitskritischen Anwendungsfällen wie der Einführung der elektronischen Patientenakte, bei digitalen Diensten von Krankenkassen oder im Online-Banking nach PSD2-Compliance. Sie sorgt für sichere Devices sowie sichere Server und lässt sich kontinuierlich an neue Bedrohungen anpassen. Die Technologie sichert Datenverbindungen über einen verschlüsselten Kanal und verschlüsselt zusätzlich alle Datenpakete einzeln. Für zusätzliche Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit kommt bei der Authentifizierung eine virtuelle Smartcard Technologie zum Einsatz. Diese gewährleistet die sichere Speicherung und Nutzung digitaler Zertifikate.
Wie Kommunen profitieren
Welche konkreten Vorteile aber haben Kommunen von einer derartigen Plattformlösung? Einige liegen auf der Hand. Bestehende dezentrale Services werden auf einer zentralen Plattform integriert und zusammengeführt. So verwandeln Städte ihre behördlichen Dienstleistungen in effiziente, smarte Services, vermeiden Papierwüsten und ersparen ihren Bürgern lange Warteschlangen vor dem Amt. Die kommunale Verwaltung erhält einen Modernisierungsschub und erfüllt die OZG 2.0-Richtlinien sowie alle gesetzlichen und Compliance-Regularien. Indem man sie um zusätzliche Serviceaspekte wie Payment- und Chat-Optionen innerhalb der Plattform erweitert, vernetzten Städte ihre Einwohner digital und lassen sie enger zusammenrücken. Die Technologie schafft die Voraussetzungen, um die Stadt lebenswerter zu machen.
Das alles bekommen Kommunen mit einem überschaubaren Implementierungs- und Kostenaufwand. Mit fertigen Plattformlösungen müssen sie weniger IT-Investitionen tätigen und keine eigenen Fachkräfte einstellen. APIs vereinfachen die Anbindung der App an bestehende Backend-Systeme erheblich. Ist die Benutzeroberfläche einfach, so hält sich der Schulungsaufwand für die eigenen Mitarbeitenden in Grenzen. Nicht zuletzt lassen sich über eine solche Plattform auch die eigenen internen Prozesse der Kommunalverwaltung optimieren, beispielsweise im Bereich der Projektkommunikation.
Wertvolle Erkenntnisse aus Worms
Bei der Digitalisierung in Worms lässt sich viel Enthusiasmus bei allen Beteiligten beobachten. Ideen, um die Verwaltung zu modernisieren, gab es auch zuvor schon. Allein es fehlte an der Machbarkeit und den technischen Voraussetzungen zur Umsetzung. Doch erst jetzt, mit den neuen Möglichkeiten vor Augen, die sich durch die Plattform ergeben, wird deutlich, welches Potenzial die Technologie mit sich bringt. Die städtische Digitalisierungsstrategie entwickelt sich daher bottom-up und verändert sich auf dem Weg. Das hat seine Vorteile und ermöglicht zusätzlichen Entwicklungsspielraum, solange die Plattformlösung ausreichende Flexibilität bietet.
Die Einführung neuer Technologien ist immer auch eine Gelegenheit, um Silo-Denken aufzubrechen. Damit am Ende alle Beteiligten profitieren und die Verwaltung zukunftsfähig wird, braucht es ein Umdenken bei der Digitalisierung. Es gibt keinen Grund dafür, dass (digitale) Behördengänge träge und umständlich sind. Sie müssen bequem und von jedem Ort aus zu erledigen sein – so komfortabel und alltäglich wie Online-Shopping. Durch diese Entwicklung hin zu einer dienstleistungsorientierten Verwaltung werden auch Stadtentscheiderinnen und -entscheider immer mehr zu Dienstleistern für ihre Bürgerinnen und Bürger.
Weiteres Potenzial – für vernetzte Städte und die Digitalisierung Deutschlands
Die Digitalisierung kommunaler Dienstleistungen ist dabei nur ein erster Schritt. Perspektivisch wird die Plattform zur zentralen Anlaufstelle für das digitale Leben in der Stadt, zum ständigen Begleiter für alle Einwohnerinnen und Einwohner, Akteure und Institutionen. Durch die Erweiterung auf gewerbliche Angebote können sich Unternehmen dort präsentieren und neue Umsatzpotenziale erschließen. Start-ups erhalten Zugriff auf sichere Payment-, Identitäts- und Datenschutztechnologien, ohne diese selbst programmieren zu müssen. Das stärkt die lokale Wirtschaft und Innovationskraft der Region. Die Bürgerinnen und Bürger wiederum können durch die zusätzlichen Kommunikationsmöglichkeiten stärker eingebunden werden – beispielsweise in Umfragen zu wichtigen städtischen Themen – und bekommen so die Chance zu echter Partizipation.
So entsteht ein innovatives, regionales Ökosystem, das Städte, Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Start-ups miteinander verbindet.
Damit so ein ambitioniertes Vorhaben gelingt, brauchen Stadtverwaltungen visionäre Köpfe, die bereit sind, neue Wege zu gehen. Aber wie das Beispiel Worms zeigt, lohnt sich dieser Mut. Die Stadt kann zum Vorbild und zur Inspiration für weitere Kommunen werden und damit der Digitalisierung in Deutschland einen entscheidenden Schub verleihen.
Der Autor dieses Artikels Ismet Koyun ist CEO der KOBIL GmbH.