Die Dynamik des SAP-Portfolios fordert Anwenderunternehmen und Partner derzeit stark. Umso wichtiger ist es, dass Kunden im Rahmen ihrer IT-Investitionen auf ein verlässliches SAP-Portfolio vertrauen können – denn: Migrationsprojekte sind nicht über Nacht zu stemmen, weiß die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG). Daher sollte SAP aus Sicht der Interessenvertretung der Komplexität solcher Projekte mehr Rechnung tragen.

Je nach Komplexität können Migrationsprojekte mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Experten schätzen, dass mittelständische Unternehmen mit kurzen Entscheidungswegen bei Neueinführungen zwischen sechs und 15 Monaten und bei Systemkonvertierungen zwischen vier und zwölf Monaten einplanen müssen. Bei Großunternehmen hingegen sind es teilweise mehrere Jahre.

„Die Gründe dafür sind vielfältig, weiß DSAG-Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen: „Eine echte Transformation erfordert nicht nur, dass neue Technologien evaluiert und eingeführt , sondern auch, dass Prozesse neu gedacht werden. Ein kluges Unternehmen nutzt die Gunst der Stunde von neuen Systemeinführungen, um gleichzeitig Prozess-Reengineering zu betreiben.“

Darüber hinaus müssen oftmals alter Code bzw. bestehende Prozesse ersetzt und Stammdaten bereinigt werden. Insofern dann noch neue Technologien wie die SAP Business Technology Platform (BTP) oder andere Cloud-Lösungen eingeführt werden, zu denen vielleicht das Know-how bzw. die Erfahrungswerte in den Unternehmen erst noch aufzubauen sind, geht weitere Zeit verloren.

Quelle: DSAG

DSAG-Vorstandsvorsitzender Jens Hungershausen

Bezogen auf die BTP als zentralem Element der SAP-Strategie ist aus DSAG-Sicht positiv zu bewerten, dass nun erste Migrationsservices entwickelt werden, die z. B. dabei unterstützen, bestehende Integrationsarchitekturen auf die Integration Suite der BTP umzustellen. „DSAG-Mitgliedsunternehmen sind hier intensiv an Pilotprojekten beteiligt. Aus Anwendersicht ist es wünschenswert, dass eine tiefgehende Anbindung aller Lines-of-Business erfolgt. Gleichzeitig sollte SAP die Kosten- und Lizenzierungssituation angehen“, erläutert Jens Hungershausen.

Die Kosten für Entwicklung, Qualitätssicherung und Nutzung der Services ohne produktiven Bezug seien zu hoch – genauso wie die Kosten für den generellen Betrieb. Hierzu steht die DSAG bereits in intensivem Austausch mit dem Software-Hersteller.

Verbindliche Aussagen notwendig

Aus Sicht der DSAG könnte SAP die Unternehmen bei ihren Migrationsprojekten noch mehr unterstützen, indem Umstellungsprojekte und Update-Zyklen schneller, schlanker und einfacher werden. „Es braucht verbindliche Aussagen zu Roadmaps und der Verfügbarkeit von Funktionalitäten“, fasst Jens Hungershausen zusammen und ergänzt: „Grundsätzlich haben wir Verständnis dafür, dass vereinzelt Features oder Funktionen im Umfang verändert oder aus der Roadmap entfernt werden – allerdings nur, solange das die übergeordneten Ziele nicht gefährdet.“

Hier erwartet die DSAG, dass SAP ihre Roadmaps mit eindeutigen Meilensteinen als Entwicklungsrichtung vorgibt. Gleichermaßen sieht der Industrieverband den Software-Hersteller in der Pflicht, die SAP-Partner stärker zu befähigen, bei Migrationsprojekten adäquat zu unterstützen. Bis 2027 bzw. spätestens 2030 müssen Unternehmen von ihrem alten SAP-Enterprise-Resource-Planning-System (SAP ERP) zu S/4HANA wechseln.

Dann fallen ältere Systeme aus der Wartung. „2027 klingt vielleicht noch fern, der Aufwand, der mit einer solchen Migration verbunden ist, darf dennoch nicht unterschätzt werden. Hier brauchen Unternehmen starke Partner mit ausreichenden Ressourcen an ihrer Seite“, urteilt Jens Hungershausen. Mehrere DSAG-Umfragen weisen darauf hin, dass für viele der Bestandskunden die Umstellung auf S/4HANA noch bevorsteht. Die notwendige Verfügbarkeit von Partnern für die relativ kurze Zeitspanne bis 2027, wird zu einer zusätzlichen externen Herausforderung für den Projekterfolg. Die Unternehmen sind daher zum Handeln aufgefordert.

Verlässliche SAP-Strategie

Damit sich Unternehmen strategisch gut für die Zukunft aufstellen können, muss auch die Produkt- und Technologiestrategie von SAP verlässlich sein. „Das ist die Grundlage für Investitionssicherheit und Planbarkeit. Wenn Roadmaps und Migrationspfade dann noch belastbar und übergreifende Standards gegeben sind, bringen Anwenderunternehmen mit SAP wie gewohnt die Schlagworte Zuverlässigkeit, Sicherheit und Zukunftsfähigkeit in Verbindung“, so Jens Hungershausen.

Insbesondere vor dem Hintergrund, dass SAP kürzlich angekündigt hat, das ERP-Geschäft zu stärken und damit wieder einen Schritt in Richtung Best-of-Breed gegangen ist, sollte nicht aus den Augen verloren werden, wie wichtig es ist, den Rückhalt in den Anwenderunternehmen zu haben. „Die Schnittstellen zu öffnen, macht die Anbindung von externen Systemen für die Unternehmen einfacher. Das ist positiv zu bewerten. Allerdings erzeugt die Integration von SAP- und Non-SAP-Lösungen auch immer Aufwand“, weißt Jens Hungershausen.

Dieser rührt unter anderem nicht nur von der rein technischen Migration her, sondern liegt auch an einer teilweise unterschiedlichen Stammdaten-Semantik über Systeme hinweg und an fehlenden produktübergreifenden Standards. „Wenn das bisherige Zusammenspiel der SAP-Lösungen durch die Umstellung auf Schnittstellen (API) austauschbar wird, können Unternehmen natürlich einerseits Non-SAP-Lösungen einfacher anbinden und haben dadurch mehr Möglichkeiten“, weiß Jens Hungershausen. Agilität und Flexibilität sind hier wesentliche Stichworte.

SAP stellt sich dem Wettbewerb

Aus der Erfahrung heraus ist beim Best-of-Breed-Ansatz die Implementierungsdauer kürzer für einzelne Lösungen. „Die Abhängigkeit der Unternehmen gegenüber SAP wird zudem geringer. SAP stellt sich dadurch stärker dem Wettbewerb“, ordnet der DSAG-Vorstandsvorsitzende ein. Ein Nachteil kann aus Unternehmenssicht sein, dass die Lizenzierungskosten steigen. Das kann insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen herausfordernd sein.

„Dieser Schritt in Richtung ‚Best-of-Breed‘, der damit einhergeht, dass SAP verstärkt auf Schnittstellen setzt, macht SAP auch ein Stückweit austauschbar“, so Jens Hungershausen. War das bisherige Zusammenspiel der SAP-Lösungen ein Alleinstellungsmerkmal und oftmals auch ein Kaufkriterium, so öffnet der Software-Hersteller nun anderen Anbietern die Unternehmenstüren.
Das ist vor allem dort gut, wo es keine eigenständigen Lösungen von SAP gibt. Die DSAG wird im Sinne ihrer mehr als 3.800 Mitgliedsunternehmen genau beobachten, wie sich SAP künftig am Markt positioniert und dem Software-Hersteller auch weiterhin als Sparrings-Partner in einem partnerschaftlichen Dialog zur Verfügung stehen. (rhh)

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