Das im November 2023 in Kraft getretene Energieeffizienzgesetz (EnEfG) konfrontiert Rechenzentrumsbetreiber in Deutschland mit neuen Herausforderungen. Angesichts dieser Neuerungen sehen sich viele Verantwortliche mit Unsicherheiten konfrontiert und haben eine Vielzahl von Fragen.
Das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) bringt neue Herausforderungen für Rechenzentrumsbetreiber, insbesondere in Bezug auf Energieeffizienz und organisatorische Aspekte mit sich. Je nach Ausgangssituation sind umfassende Anpassungen erforderlich, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Das Gesetz bildet einen zentralen Bestandteil der ambitionierten Bemühungen, den Energieverbrauch in dieser energieintensiven Branche zu senken und nachhaltige Praktiken und Best-Practices voranzutreiben.
Die daraus resultierenden Fragen der Rechenzentrumsbetreiber reichen von technischen Aspekten bis hin zu regulatorischen Anforderungen. Nachfolgend werden wichtige Fragen beantwortet:
Für welche Rechenzentren gilt das EnEfG?
Der Geltungsbereich des EnEfG erstreckt sich auf Rechenzentren, welche eine nicht-redundante elektrische Nennanschlussleistung ab 300 kW besitzen. Leider hat der Gesetzgeber damit ein Kriterium gewählt, welches bisher nicht genauer z.B. in der europäischen Rechenzentrumsnorm EN 50600 normativ definiert wurde.
Unter „nicht-redundante Nennanschlussleistung eines RZ“ versteht Prior1 das Ergebnis einer Leistungsbilanz, welche initial im Rahmen einer RZ-Planung erstellt wird bzw. wurde. Es handelt sich um die konzeptionelle max. Leistungsaufnahme des gesamten RZ (IT-Komponenten und alle weiteren Systeme der versorgenden RZ-Infrastruktur) bei Vollausbau. Da laut Gesetz nur die „nicht-redundante Nennanschlussleistung“ maßgeblich ist, werden etwaige Redundanzen hierbei nicht berücksichtigt und nur ein Versorgungspfad des RZ betrachtet.
Der Gesetzgeber hat in der Zwischenzeit eine Hilfestellung zur Ermittlung der Nennanschlussleistung veröffentlicht. Er weist darauf hin, dass die Ermittlung der nicht redundanten elektrischen Nennanschlussleistung je nach Einzelfall variiert. Grundsätzlich kann sie jedoch über die im Vertrag zwischen dem Rechenzentrumsbetreiber und dem Stromnetzbetreiber festgelegte maximale Leistung, oft als “Bestellleistung” bezeichnet, bestimmt werden. Fehlt eine solche vertragliche Regelung, lässt sie sich aus der Summe der Leistungen der nicht-redundanten Leistungsschalter in der Niederspannungshauptverteilung (NSHV) ermitteln. Besondere Fälle wie Fernkältebezug oder Anlagen mit Mehrfachnutzen, die nicht an derselben NSHV wie das Rechenzentrum angeschlossen sind, werden bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt.
Gelten die Regelungen für alle Standorte eines Unternehmens oder pro Standort?
Die Regelungen des Energieeffizienzgesetzes werden auf der Ebene jedes einzelnen Rechenzentrums angewendet. Dies bedeutet, dass jedes Rechenzentrum individuell bewertet wird, basierend auf seiner dedizierten Energieversorgung und Kälteerzeugung. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, ob mehrere Rechenzentren an einem Standort als ein einzelnes Rechenzentrum gelten. Dies wird durch die spezifische Konfiguration und Nutzung der Energieinfrastruktur bestimmt. Handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Rechenzentren, sind sie einzeln zu betrachten und die Nennanschlussleistungen bei der Bestimmung, ob das EnEfG Anwendung findet, sind nicht zu addieren.
Verteilte IT-Systeme, die beispielsweise in Verteilerräumen der Netzwerkinfrastruktur von Verwaltungsgebäuden betrieben werden, die sich außerhalb des Hauptbereichs des Rechenzentrums befinden, zählen zudem nicht zum Rechenzentrum im Sinne des Energieeffizienzgesetzes. Die Abgrenzung des Rechenzentrums ist somit entscheidend, um sicherzustellen, dass nur die Energieverbräuche und -effizienzen der zentralen RZ-Infrastruktur in die Bewertung einfließen und externe Systeme nicht berücksichtigt werden.
Was sind die Hauptanforderungen an Rechenzentren, die sich aus dem Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) ergeben?
Das EnEfG beinhaltet für neu errichtete und Bestands-Rechenzentren hohe Anforderungen an die Energieeffizienz der RZ-Infrastruktur. Gemessen wird diese durch die seit vielen Jahren etablierte Kennzahl PUE (Power Usage Effectiveness).
Darüber hinaus müssen alle unter das Gesetz fallenden Rechenzentren seit 01. Januar 2024 ihren elektrischen Energiebedarf zu mindestens 50% durch Strom aus erneuerbaren Energien decken. Diese Anforderung verschärft sich dann ab 01. Januar 2027 auf eine vollständige Versorgung mit sogenanntem Ökostrom.
Ab Mitte des Jahres 2026 neu errichtete Rechenzentren müssen zudem die eingesetzte Energie zu bestimmten Mindestanteilen einer Wiederverwendung in Form von Abwärmenutzung zuführen.
Zudem wird für alle Rechenzentren die Implementierung eines Energie- oder Umweltmanagementsystems gefordert, welches ab einer bestimmten RZ-Größe auch validiert bzw. zertifiziert werden muss.
Ferner bestehen Informationspflichten gegenüber öffentlichen Stellen. Die Bundesregierung richtet hierzu aktuell ein Energieeffizienzregister für Rechenzentren ein, an welches die Rechenzentrumsbetreiber jährlich Informationen übermitteln müssen.
Welche Herausforderungen resultieren hieraus für RZ-Betreiber?
Für bestehende Rechenzentren müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Energieeffizienz zu steigern und somit die hohen Effektivitätskriterien bis zu den im Gesetz festgelegten Stichtagen zu erfüllen. Dies kann nach der Ermittlung und Analyse der aktuellen Effizienzkennwerte eine Änderung der angestrebten Umgebungsbedingungen im RZ und auch Umbauten oder sogar einen vollständigen Austausch der Klimatechnik erfordern.
Darüber hinaus kann je nach Ausgangslage zunächst die initiale Einrichtung oder Erweiterung eines bestehenden Energiemonitoring-Systems notwendig sein, um die geforderten Effizienzkennzahlen (z.B. PUE-Wert) überhaupt ermitteln zu können.
Die Erfüllung der Anforderung in Bezug auf die Versorgung des Rechenzentrums mit Energie aus erneuerbaren Quellen, die Implementierung und ggf. Zertifizierung eines Energiemanagementsystems sowie die jährliche Berichtspflicht erfordern zudem unter Umständen vertragliche, prozessuale und weitere organisatorische Maßnahmen.
Weiter mit den Fragenkomplexen geht es im zweiten Teil des Beitrags.
Martin Weber ist Berater für das Thema Rechenzentren bei Prior1.