Ähnlich wie „IoT“, „Smart Factory“ oder „Industrie 4.0“ erfährt auch der Begriff „KI“ im Laufe seiner Verwendung unterschiedlichste Interpretationen – von denen viele allerdings falsch sind. Richtig ist, die künstliche Intelligenz simuliert die menschliche. Wobei in der Theorie zwischen schmaler AI (Narrow AI) und allgemeiner AI (artificial general intelligence) unterschieden wird.

Bei der allgemeinen KI geht es darum, eine Intelligenz im Sinne eines autonom agierenden künstlichen Wesens zu erschaffen – der Traum aller Science-Fiction-Autoren also. „Die universelle KI zeichnet dadurch aus, dass sie sich an den Task dynamisch an-passen kann und dabei einen bereits erlernten Task nicht „verlernt“. Schmale KI hingegen lernt genau einen Task und verlernt diesen beim Erlernen eines anderen Tasks wieder, soweit sie dazu überhaut in der Lage ist“, sagt Martin Rückert, Chief AI Officer von Diamant Software. „Man spricht hier von „catastrophic forgetting“, also einem totalen Wissensverlust.“ Für die Optimierung betriebswirtschaftlicher Prozesse mittels Software ist die „schmale KI“ relevant.

Bei der schmalen KI steht die Lösung konkreter Anwendungsprobleme mittels KI-Technologie im Vordergrund. Zum Einsatz kommen verschiedene Arbeitsweisen der Informatik, die in ihrem Ablauf bestimmte Ansätze menschlicher Intelligenz nachahmen, um ein zuvor festgesetztes Ziel möglichst eigenständig (automatisiert) zu erreichen. Schmale KI ist schon heute in vielen Bereichen des täglichen Lebens verankert – von virtuellen Assistenten wie Alexa oder Siri über die Gesichtserkennung an Bahnhöfen und Flughäfen bis hin zur teilautomatischen Kontierung im Rechnungswesen.

Maschinelles Lernen: Wissen aus Erfahrung generieren

Aktuell findet man häufig auch den Ausdruck „machine learning“, der oftmals synonym zu KI verwendet wird. Ein klassischer Anwendungsfall im Rechnungswesen ist das automatische Erkennen und Auslesen von Rechnungs- und Belegdaten von Papier oder PDF-Dokumenten. Das KI-System erkennt in einer Sammlung an Trainingsdaten Muster und Gesetzmäßigkeiten.

Nach Abschluss des Trainings lassen sich unbekannte Daten durch Verallgemeinerung beurteilen. Auf Grundlage des Erlernten erzeugt die Software einen Buchungsvorschlag für die korrekte Kontierung der Rechnung. Wie beim Menschen können sich innerhalb des Lernprozesses auch Fehler einschleichen. Die finale Prüfung obliegt deshalb nach wie vor einem Buchhalter.

„Grundsätzlich sind alle Prozesse geeignet für eine Automatisierung durch KI, sobald eine gewisse Menge an Vorgangsdaten erzeugt wird“, erklärt Chief AI Officer Martin Rückert von Diamant Software. Dabei besteht die Aufgabe des maschinellen Lernens meistens darin, komplexe, nicht-lineare Muster zu erlernen. Mit einem solchen, erlernten Modell im Hintergrund ließen sich zeitraubende Routineaufgaben schon bald zu einem großen Prozentsatz au-tomatisieren.

KI als Produktivitäts-Booster

Zum Stand der aktuellen Entwicklung im eigenen Hause sagt der KI-Experte: „Mithilfe dieser wegweisenden KI-Technologie und anhand unserer langjährigen Erfahrung im Bereich Rechnungswesen und Controlling werden wir die intelligenteste Software am Markt bauen.“ Um den Worten Taten folgen zu lassen, hat Diamant Software bereits im letzten Jahr ein „Kompetenzzentrum Künstliche Intelligenz“ in Darmstadt eröffnet. Die Mitarbeitenden betreiben dort Grundlagenforschung auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz und entwickeln intelligente Lösungen für die Anwender des Diamant Rechnungswesen+Controlling.

„KI wird schon bald Vorhersagen treffen können, etwa mit welchen Wahrscheinlichkeiten Forderungen nicht nachgekommen wird oder Cashflow-Vorhersagen in Abhängigkeit von offenen Forderungen und Verbindlichkeiten“, prognostiziert Martin Rückert, der auch das interdisziplinäre KI-Kompetenzzentrum in Darmstadt leitet. Auch die Bereitstellung von sprachgesteuerten Assistenzsystemen gehöre in das Feld der Rechnungswesen-KI. Diese würden auf Zuruf sich wiederholende und langwierige Routineaufgaben in Millisekunden erledigen und sind per einfacher, natürlicher Sprache von Jedem abrufbar.

„Es ist zu erwarten, dass komplexe Tätigkeiten in naher Zukunft komplett über KI-Algorithmen abbildbar sein werden“, so der KI-Experte. „Maschinen werden besser im Erlernen von Aufgaben. Besseres Erlernen bedeutet: weniger Zeit, weniger Beispiele und Maschinen verwenden bereits Erlerntes effektiver für andere Aufgaben. Dadurch werden Maschinen robuster in ungewöhnlichen Situationen oder bei unvollständiger Datenlage. Konkret hilft uns das z.B. bei der Vorhersage von Kennzahlen.“

Neue Technologien schaffen neue Rollenbilder

Viele Mitarbeitende im Rechnungswesen und Controlling sehen aber genau aus diesen Gründen den Einsatz von KI auch kritisch. Sie?sehen ihren Job durch den Megatrend bedroht. Martin Rückert gibt diesbezüglich Entwarnung: „Das Wissen steckt nach wie vor in den Köpfen der Mitarbeiter. KI wird momentan stark durch maschinelles Lernen getrieben, also basierend auf vorhandenen Daten. Was nicht direkt aus Daten zu erlernen ist, ist mit den meisten momentan in der KI benutzten Verfahren nur sehr schwer abzubilden. Beispiele hierfür sind etwa externes Wissen über Gesetze, grundsätzliche Arbeitsweisen oder Allgemeinwissen.“

Der kaufmännische Bereich erfahre durch KI vielmehr eine Aufwertung, indem er sich weg von den rein verwalterischen Tätigkeiten hin zu einem strategischen Businesspartner für das ganze Unternehmen entwickle.

Davon ist auch Controlling-Experte Prof. Dr. Christian Faupel von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe überzeugt: „Das erwartete Kompetenzprofil und die Aufgaben von Control-lern und Buchhaltern haben sich durch die fortschreitende Digitalisierung stark erweitert. Neben den klassischen Erwartungen, wie beispielsweise dem analytischen Denken, werden heute vom Controller unter anderem Technologiekompetenzen in Bereichen wie Business Intelligence oder KI, statistische Kenntnis-se für Big Data-Analysen sowie vielfältige kommunikative Kompetenzen im Rahmen seiner Business-Partner-Rolle abverlangt. Vor diesem Hintergrund haben Controller in Zukunft vielfältigere und zugleich anspruchsvollere Aufgaben. Dazu passt eine 2019 publizierte Studie, die zeigt, dass Controller im Vergleich zum allgemeinen Arbeitsplatzzuwachs in den vergangenen Jahren überproportional eingestellt wurden.“ So wird es trotz künstlicher Intelligenz und damit einhergehender Automatisierung auch künftig, sogar eher verstärkt, auf den Menschen ankommen.

Bewusstsein muss sich ändern

Dass KI die Arbeitswelt nachhaltig verändert, lässt sich bereits bei den großen Konzernen beobachten. Mit smarten Tools, Algorithmen und Bots werden dort bessere Entscheidungen getroffen und schnellere Arbeitswege gefunden. Ganze Abteilungen wer-den hierfür gerade aufgebaut. Im Mittelstand sei hier vor allem Vertrauen in die Technologie sowie Weitsicht hinsichtlich des Wertschöpfungspotentials von KI-Prozessen aufzubauen.

Prof. Dr. Christian Faupel dazu: „Jede Art der Veränderung hat zunächst Akzeptanzprobleme, wie wir aus zahlreichen Change-Management-Projekten wissen. Neben der Basis für den Einsatz von KI, einer strukturierten Datengrundlage, ist die Verfügbarkeit von Mitarbeitenden mit Know-how und Verständnis von künstlicher Intelligenz und Datenanalyse eine notwendige Voraussetzung. Dabei ist es auf dem kompetitiven Arbeitsmarkt für Mittelständler deutlich schwieriger, das für die Digitalisierung notwendige Wissen und die Kapazitäten zu schaffen. Darüber hinaus muss eine kulturelle Akzeptanz für dieses Thema, angefangen bei der obersten Führungsebene, in den Unternehmen vorhanden sein, damit die digitalen Herausforderungen gemeistert werden können.

Mittelstand benötigt Vertrauen

Dass sich aber der deutsche Mittelstand auf einem guten Weg befindet, bestätigt Martin Rückert: „Unsere aktuelle Diamant-Studie unterstreicht, dass mittelständische Anwender verstärkt die Vorteile von KI wahrnehmen. KI bedroht im Rechnungswesen und Controlling keine Jobs, sondern macht sie in Zeiten von Personaleinsparungen, die nicht durch den Einsatz von KI hervorgerufen werden, überhaupt erst machbar. Ein weiterer Punkt ist nicht zu vergessen: die Nutzung von KI macht ein Unternehmen wettbewerbsfähiger und sichert die Existenz – und damit natürlich auch die Arbeitsplätze.“ (rhh)

Diamant Software