Digitalisierung ist in den deutschen Personalabteilungen kein Fremdwort mehr. Der Personalbereich ist für diese Technologie sensibilisiert, allerdings gibt es auch viele Versprechungen, die sich nicht komplett erfüllen lassen. Mit Patrick Attanasio, CSO und Geschäftsführung Infoniqa Deutschland, Lothar Steyns, Geschäftsführer der SUMMIT IT CONSULT GmbH und Dr. Ralf Gräßler, Geschäftsführender Gesellschafter VEDA GmbH, kommentieren drei HR-Experten unter anderem die Digitalisierung im Personalwesen. Dabei kommen auch die aktuellen Anforderungen zur Sprache, die sich aus der Corona-Krise ergeben.

„Welche Rolle fällt dem HR-Bereich im Kontext der digitalen Transformation zu“ – auf diese Frage gibt es vielschichtige Antworten: „Der HR-Bereich befindet sich in einem raschen und tiefgreifenden Wandel: Früher als reine ‚Lohnabrechnungsabteilung‘ für die Mitarbeiter angesehen, ist der Personalbereich nun gefordert, die digitale Transformation ganzer Organisationen voranzutreiben“, ist Lothar Steyns überzeugt. „Hierzu ist ein Umdenken in der Arbeitswelt mit dem Fokus auf Prozessen, Flexibilität und Schnelligkeit unerlässlich. Im ersten Schritt muss es die Hauptaufgabe der Personaler sein, sich von zeitaufwendigen Routineaufgaben zu befreien, um die von Ihnen dringend benötigte Zeit für die strategische Personalarbeit zu gewinnen.“

Quelle: SUMMIT IT CONSULT GmbH

Lothar Steyns, Geschäftsführer der SUMMIT IT CONSULT GmbH

Dabei reiche es nach seiner Einschätzung aber bei weitem nicht aus, einfach eine neue Software zu kaufen. „Der wichtigste Faktor zur Umsetzung der neuen Aufgaben und zur Erreichung der Ziele ist ein Denken und Agieren in gesamtheitlichen Prozessen. In der Großindustrie hat dieser Umsetzungsprozess bereits vor einigen Jahren begonnen und innovative Softwarehäuser haben diese Schritte begleitet. Sie haben in ihren eigenen Firmen den Wandel vom Softwarelieferant zum HR-Strategiepartner erfolgreich praktiziert und bieten die passende gesamtheitliche Lösung von der Entgeltabrechnung über das Personalmanagement bis hin zum Recruiting inkl. des erforderlichen Know-how Transfers an.“

Als größte Herausforderung bei der digitalen Transformation erweist sich nach Aussagen von Dr. Ralf Gräßler weniger die technische Digitalisierung, sondern den notwendigen Kulturwandel im Sinne eines unternehmensweiten Change zu begleiten: „Eine konsequente Digitalisierung im Unternehmen tangiert häufig das Geschäftsmodell, sowie die gesamte Ablauf- und Aufbauorganisation. Starre hierarchische Strukturen werden beispielsweise zu agilen Netzwerken. Die Zusammenarbeit in diesen Netzwerken erfordert deutlich mehr Transparenz, Eigenverantwortung und Vertrauen im Unternehmen.“

Diesen Wandel zu begleiten ist laut Dr. Gräßler eine zentrale Aufgabe von HR und fängt in der Regel bei der Transformation der Führungskultur an: „Häufig erfordert die Digitalisierung auch einen neuen Typus von Mitarbeiter, der gegebenenfalls extern zu rekrutieren ist. Auch hier ist HR mit im Boot, wenn es zum Beispiel darum geht, die Personas für das ‚New Talent‘ zu designen.“

Natürlich hat – so Dr. Gräßler – HR auch die Aufgabe sich selbst zu transformieren und sämtliche HR-Prozesse zu digitalisieren und zu dezentralisieren – also Mitarbeiter und Führungskräfte in die HR-Abläufe und Informationen über digitale, kollaborative HR-Plattformen zu integrieren.

„HR macht den Nutzen der digitalen Transformation direkt und unmittelbar greifbar: Kaum jemand ist mit so vielen gesellschaftlichen Anforderungen konfrontiert, während kaum ein anderer Unternehmensbereich so sehr von einer digitalen Entlastung profitiert“, so skizziert Patrick Attanasio die aktuelle Situation. HR zeige damit unmissverständlich die Grundsatzfrage auf: Wieviel Stillstand ist es mir wert, nichts ändern zu müssen?

Quelle: VEDA GmbH

Dr. Ralf Gräßler, Geschäftsführender Gesellschafter VEDA GmbH

„Letztlich ist erfolgreiche HR eine Frage der Ressourcen. Und die werden mit steigenden Herausforderungen wie demografischem Wandel, War for Talents etc. immer knapper“, ergänzt Attanasio. „Im Kontext der digitalen Transformation heißt das: Entweder, ich mache die ganzen manuellen Fleißaufgaben selbst, für die ich völlig überqualifiziert bin, und akzeptiere, dass ich mich auf dem Arbeitgebermarkt nicht an der Spitze positionieren kann. Oder ich lasse den Umbruch zu, digitale Tools erledigen die Datenverarbeitung und ich kümmere mich um Strategien und kreative Lösungen.“

Personalarbeit in Zeiten von Corona

Im Zuge der Corona-Krise – mit ihren Auswirkungen wie etwa dem Arbeiten aus dem Home Office oder der Reduzierung von Arbeitszeiten (Kurzarbeit) – sind bei der Personalsoftware zusätrzliche Aspekte abzudecken.
„Die wichtigste Frage von allen ist: Habe ich HR-Systeme, mit denen ich dezentral arbeiten kann? Wichtig ist einerseits natürlich die Sicherstellung der Arbeit der Angestellten. Doch auch bei Onboarding und im Bereich Bildung/Weiterbildung ist es ratsam, HR-Prozesse digital unterstützen zu lassen, um nicht immer überall physisch vor Ort sein zu müssen“, betont Attanasio.

Quelle: Infoniqa Holding GmbH

Patrick Attanasio, CSO und Geschäftsführung Infoniqa Deutschland

Im Zuge der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass Firmen, die schon frühzeitig auf die modernen Technologien gesetzt haben, genau jetzt klar im Vorteil sind. „Einen Sonderfall bilden auch die Bereiche ‚Zutrittskontrolle‘ und ‚Arbeitszeiterfassung‘“, gesteht Attanasio ein. „Es gibt perfekte Systeme, um bei der Besucherverwaltung keine zusätzlichen Excel-Listen führen zu müssen. Auch die Arbeitszeiten kann man auf Knopfdruck mobil erfassen, ohne dafür physische Geräte berühren zu müssen. Solche Hygiene- und Komfort-Optionen gewinnen nun verstärkt an Bedeutung und werden vom Nice-to-have zum State-of-the-art.“

„Wir stellen fest, dass eine integrierte HR-Plattform als Web-Lösung derzeit das Mittel der Wahl ist, um alle HR-Prozesse reibungslos abzubilden“, bringt es Dr. Gräßler auf den Punkt. Schließlich sei es aktuell fast der Normalfall, dass Mitarbeiter und auch die HR-Abteiliung aus dem Home Office oder mobil arbeiten. „Zudem besteht aktuell die Notwendigkeit die Belegschaft zeitnah in Bezug auf Corona, wie etwa Arbeitsschutzmaßnahmen, zu informieren“, fügt Dr. Gräßler hinzu. „Moderne HR-Plattformen beinhalten hier ebenfalls die notwendigen Collaboration-Tools für die Kommunikation. Natürlich werden alle Anbieter von Payroll-Systemen derzeit massiv mit der Abwicklung von Kurzarbeitergeld und leider auch mit der Abrechnung von Insolvenzgeld konfrontiert.“

Für Lothar Steyns ist derzeit neben dem Thema Schutzmaßnahmen (Home Office, versetzte Arbeitszeiten usw.) die Berechnung des Kurzarbeitergelds (KUG) die größte Herausforderung: „Für unsere Rechenzentrumskunden war der Zugriff für Home Office Mitarbeiter schnell geregelt. Aufgrund er 24-Stunden-Verfügbarkeit gab es auch bei versetzten Arbeitszeiten kein Problem. Nur die Berechnung des KUG stellte die Personalabteilung und auch die Lösungsanbieter vor fast unlösbaren Aufgaben.“

Natürlich gab es auch in der Vergangenheit schon einige wenige Firmen, die schon einmal KUG abgerechnet haben, so Steyns weiter. „Diese kannten sich mit der Abwicklung aus und hatten einen erheblichen Vorteil. Grundsätzlich stellte sich bei den Firmen erstmal die Frage, ob Ihre Software die KUG-Abrechnung vom Lösungsumfang überhaupt beinhaltete. Wenn nein, war das die erste Hürde, die es zu nehmen galt.“

Als nächsten Schritt kam laut Steyns die Parametrierung und Einrichtung der KUG-Lohnarten und Abläufe, je nach Art und Umfang, wie das Unternehmen KUG abrechnen muss. „Wir haben für jeden unserer Kunden einen ‚KUG-Fahrplan‘ erstellt, der die einzelnen Schritte, von der Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit bis hin zur echten Abrechnungsunterstützung enthielt“, stellt Steyns heraus. „Gerade in solchen Krisen zeigt sich wie gut eine Partnerschaft wirklich ist, und wie wichtig es ist, nicht nur über Call Center und Ticketsystem miteinander zu kommunizieren, sondern auch die Möglichkeit des persönlichen Gespräches mit der Hotline führen zu können.“ (rhh)

Infoniqa Holding GmbH

SUMMIT IT CONSULT GmbH

VEDA GmbH