Ob eher eine S/4HANA-On-Premise-Lösung oder die S/4HANA Cloud das geeignete Bereitungsmodell ist, können und sollten Unternehmen von drei Faktoren abhängig machen: den Branchenanforderungen, den vorhandenen IT-Ressourcen sowie der Komplexität der Prozesse.
Die Anfang 2020 angekündigte Verlängerung von Wartung und Support für die SAP Business Suite 7 bis 2027 bzw. 2030 ist bei vielen Unternehmen mit Erleichterung aufgenommen worden. Wer seine Wettbewerbsvorteile weiter ausbauen möchte, sollte dennoch zügig die Entscheidung für SAP S/4HANA treffen.
Eine der wichtigsten Frage beim Umstieg ist, ob das Unternehmen in die Cloud gehen soll oder ob eine On-Premise-Lösung sinnvoller ist. Für die Variante S/4HANA Cloud Essential Edition (früher S/4HANA Cloud Multi Tenant, 2019 bzw. Public Cloud, vor 2018) spricht zwar ihre kostensparende Implementierung. Dennoch gibt es auch gute Argumente für On-Premise-Lösungen. Für die richtige Entscheidung sind drei Faktoren zu beachten.
Die ERP-Suite ist die betriebswirtschaftliche Kernsoftware eines Unternehmens. Dank der bei S/4HANA eingesetzten In-Memory-Technologie können Planungen, Abschlüsse und Analysen in Echtzeit erstellt werden. Zudem erfolgt die Integration aller Geschäftsbereiche auf einer einheitlichen, konsistenten Datenbasis, sodass sich alle Geschäftsbereiche durchgängig im Unternehmen digitalisieren lassen.
S/4HANA eröffnet damit schnellere und automatisierte Prozesse sowie ganz neue Geschäftsmodelle, etwa über die Realisierung von Predictive Analytics, Machine Learning oder IoT-Szenarien. Um weiter in der digitalen Liga oben mitzuspielen, stellt sich daher nicht mehr die Frage, ob auf S/4HANA umgestellt werden sollte, sondern nur wann und wie.
Nur 30 Prozent besitzen eine S/4HANA-Roadmap
Die 2019 durchgeführte Studie „Mit S/4HANA in die digitale Zukunft“ des Marktforschungsunternehmens Lünendonk ergab, dass bislang lediglich ein Drittel der befragten Unternehmen in der DACH-Region über eine umsetzungsreife Roadmap für die Migration auf S/4HANA verfügen. Rund die Hälfte begnügt sich derzeit mit Vorstudien und Business Cases.
Die Gründe für das zögerliches Vorgehen sind laut Lünendonk-Studie zu geringes Know-how, Kapazitätsengpässe sowie fehlende Referenzprojekte. Viele der befragten Anwenderunternehmen rechnen daher mit einem Projektstau ab 2022. Durch die Verlängerung des Supports dürfte sich dieser zwar etwas in die Zukunft schieben. An der grundsätzlichen Notwendigkeit, das Migrationsprojekt anzugehen, ändert sich jedoch nichts.
Insbesondere für On-Premise-Lösungen gilt zudem, dass für die Migration genügend Zeit eingeplant werden sollte, da hier der Aufwand durch individuelle Anpassungen auf die kundeneigene Infrastruktur wesentlich höher ist.
Was über Wahl des geeigneten Bereitstellungsmodells entscheidet
Für welches Bereitstellungsmodell bzw. Deployment sich Unternehmen entscheiden sollten, kann anhand dreier Faktoren ermittelt werden:
- Branchenanforderungen: Jede Branche stellt spezifische Anforderungen an die Unternehmen. Daher ist zunächst immer zu fragen, ob sich diese auch mit S/4HANA abbilden lassen. Die gleiche Frage richtet sich auch auf die branchenspezifischen Prozessanforderungen.
- Struktur der Geschäftsprozesse: Sind diese im Unternehmen eher komplex organisiert oder handelt es sich um standardisierte Prozesse?
- IT-Ressourcen: Wie ist die IT des Unternehmens aufgestellt? Verfügt es für ein Migrationsprojekt über ausreichende IT-Ressourcen? Und reichen die Kapazitäten auch nach der Umstellung für Wartung und Anpassungen?
S/4HANA Cloud Essential Edition
Die S/4HANA Cloud Essential Edition zeichnet sich durch eine schnellere und daher auch kostensparende Einführung aus. Sie ist daher für Unternehmen mit standardisierten Prozessen etwa im Controlling, Vertrieb oder der Finanzbuchhaltung die beste Wahl. Das System liefert erprobte Szenarien mit, auf die ein Unternehmen rasch aufsetzen kann. Die Anpassung orientiert sich an vorkonfigurierten Prozessen sowie branchenspezifischen Kernfunktionen, die quartalsweise automatisierte Upgrades erfahren.
Da die eigene IT entlastet und keine gesonderten Kosten für Server, Storage oder sonstige Hardware anfallen, profitieren insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen von dieser Cloud-Lösung. Für die Auslagerung der IT-Betriebsprozesse in die Public-Cloud-Infrastruktur der SAP wird je User eine monatliche Gebühr bezahlt, sodass die Kosten nicht einmalig anfallen, sondern über den laufenden Betrieb verteilt werden.
Hinzukommt, dass bei der S/4HANA Cloud Essential Edition im Vergleich zu anderen ERP-Implementierungen Hindernisse von Anfang an umgangen werden: Weder müssen umfangreiche Vorab-Analysen, noch Lasten oder Pflichtenhefte erstellt werden. Die Migration lässt sich daher nicht nur schnell und kostensparend aufsetzen, es auch werden auch keine zusätzlichen IT-Ressourcen für die Einführung benötigt. Vorteilhaft ist auch, dass zusätzliche Niederlassungen dank Cloud-Lösung problemlos in das zentrale IT-System integriert werden können.
Wie umfangreich die Einführung im konkreten Einzelfall ist, hängt natürlich immer von der Anzahl der zu implementierenden Geschäftsbereiche aus dem ERP-System ab. Zeit- und kostensparend umsetzen lässt sich die S/4HANA Cloud Essential Edition beispielsweise mit der SAP Activate Methode. Sie beruht auf Best Practice Cases, die in insgesamt sechs Phasen auf die Geschäftsprozesse des Kunden angepasst werden. Mit der Methode kann S/4HANA Cloud bereits vier bis sechs Monate nach dem Kick-off zum Einsatz kommen.
S/4HANA On-Premise
In manchen Branchen wie etwa der Pharmaindustrie sind hoch individualisierte Geschäftsprozesse an der Tagesordnung. Für die ERP-Software werden dafür flexible, adaptive Lösungen benötigt. In solchen Fällen bietet sich der Einsatz von SAP S/4HANA On-Premise an. Über ein klassisches Lizenzmodell ermöglicht es die Nutzung zahlreicher Funktionen wie HANA-Datenbank, Applikationen, OS, Rechenzentrum Middleware, Server, Virtualisierung und Vernetzung, die alle auf den kundeneigenen Infrastrukturen implementiert werden.
Wer die On-Premise-Lösung nutzt, sollte sich jedoch im Klaren darüber sein, dass damit ein wesentlich höherer Aufwand sowie höhere Kosten verbunden sind. Während in S/4HANA Cloud viele automatische Services enthalten sind, muss sich bei der On-Premise-Variante das interne IT-Team eigenständig um Wartung, Updates und Anpassungen kümmern, da nur so die gewünschte Flexibilität und das Customizing erhalten bleiben. Hinzu kommen mögliche weitere Kosten für notwendige Hardware und Storage. Auch die Migration selbst ist wesentlich aufwändiger und setzt ausreichend IT-Ressourcen voraus.
Das gilt umso mehr, je mehr technische Silos und Eigenentwicklungen auf S/4HANA übertragen werden sollen. Entsprechend aufwändig ist in solchen Fällen auch die Analyse der Anforderungen und Geschäftsprozesse. Um den zeitlichen und finanziellen Aufwand für eine Migration auf S/4HANA On-Premise abschätzen zu können, bedarf es zudem Klarheit über den Umfang der zu migrierenden Geschäftsbereiche, der Strategie (Greenfield, Brownfield, Selective Data Transition) sowie der Methode des Implementierungspartners. Um bestehende Prozesse zu übernehmen, hat itelligence eine eigene Projektmethodik entwickelt, durch die auch neue Funktionen vollständig integriert werden können. Dabei nutzt itelligence auch Tools wie den Extended Custom Code Check sowie den SAP Readiness Check, durch die sich Ziele und Wege des Migrationsprojekts ermitteln lassen.
Ulrich Kreitz ist Head of SAP ERP Cloud Business bei itelligence.