In den letzten Monaten zeigten sich so manche Hürden und Best Practices für das Digital Onboarding. Vor allem eine faire Bewertung von Video-Bewerbern und die reibungslose Einbindung neuer Kollegen in das Team stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Doch mit Hilfe einiger Tipps gelingt dies.

Von der Notmaßnahme zum Dauerzustand: Bewerbungsgespräche und die anschließende Eingliederung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in das Unternehmen laufen heute digital ab. Dafür mussten Unternehmen zu Beginn der Pandemie auf die Schnelle ihre Prozesse von Präsenz- auf Remote-Gespräche umstellen.

Während der Übergang aus technischer Sicht meist weitgehend reibungslos funktionierte, zeigten sich im organisatorischen und zwischenmenschlichen Bereich doch einige Stolpersteine.

Herausforderungen für Unternehmen und Bewerber

Die erste Herausforderung liegt in der Bewertung der KandidatInnen im Bewerbungsgespräch. Dies gilt vor allem, wenn ein Teil physisch vor Ort und ein anderer Teil remote interviewt wird. Denn bei digital geführten Gesprächen ist es für die BewerberInnen deutlich schwieriger, über Gesten und Körperhaltung die eigenen Stärken hervorzuheben und Schwächen herunterzuspielen.

Dies liegt einerseits an der eingeschränkten Ansicht durch den Bildausschnitt der Webcam und dem fehlenden direkten Blickkontakt, andererseits an Qualitätsproblemen bei der Audio- und Video-Übertragung. So ergibt eine aktuelle Studie der Universität Ulm, dass die KandidatInnen in Online-Gesprächen negativer bewertet werden, selbst wenn sie die gleichen Antworten geben.

Solche erschwerten Interaktionen beeinträchtigen auch das Onboarding der neuen KollegInnen in das Unternehmen. Die größten Hürden stellen dabei das gegenseitige Kennenlernen, die Einbindung in das Team und die Gewährleistung der Team-Dynamik dar. Insbesondere der fehlende persönliche Kontakt fehlt hier den meisten „Neuen“, ob sie nun im Homeoffice sitzen oder im fast verwaisten Großraumbüro.

Fünf Tipps für die Praxis

Um von Anfang an einer drohenden Vereinsamung und Einzelkämpfer-Haltung entgegenzuwirken, müssen Unternehmen entsprechende Maßnahmen einführen, anpassen oder verstärken. Dazu gehören vor allem folgende Best Practices:

  • Häufigere Nachfragen. Während HR-MitarbeiterInnen und Führungskräfte im Büro schnell ein Gespür für die neuen KollegInnen bekommen, sind bei Ortstrennung häufigere und gezieltere Nachfragen erforderlich. Dabei lassen sich durchaus gewohnte Fragen zum Einstieg nutzen: Wie geht es Dir? Konntest Du Dich schon etwas einleben? Welche Unterstützung brauchst Du? Insgesamt müssen Verantwortliche jetzt deutlich häufiger mit den EinsteigerInnen sprechen, um mögliche Probleme bei der Einbindung in das Team oder der Nutzung von Anwendungen und Prozessen zu erfahren. Gleichzeitig darf sich der neue Mitarbeitende nicht scheuen, Fragen zu stellen. Hierfür kann das Management neben E-Mail und Chat einen Open Office Call ohne Agenda anbieten – als Ersatz für die offene Büro-Tür.
  • Erfahrene Mentoren. Neben dem regelmäßigen Kontakt mit Führungskraft und HR sind auch Mentoren sehr wichtig. Über langjährige KollegInnen erfahren die EinsteigerInnen, worauf sie sich beim neuen Unternehmen einstellen müssen. So bekommen sie schneller ein Gespür dafür, welche Verhaltensweisen erwünscht oder verpönt sind. Zudem sollten für neue MitarbeiterInnen Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch mit anderen EinsteigerInnen bereitstehen. Gerade das Gespräch mit Menschen, die sich aktuell in der gleichen Situation befinden, kann in vielen Fällen hilfreicher sein als mit Vorgesetzen oder „alten Hasen“.
  • Digitale Einarbeitungspläne. Viele Unternehmen haben schon vor der Pandemie digitale Unterlagen für die Einarbeitung erstellt. Diese sind jedoch in bestimmten Bereichen anzupassen oder zu erweitern, zum Beispiel bei „Übergabe der Hardware“, „Unterschreiben der Geheimhaltungsklausel“, „Initiales Produkttraining“ oder „Organisieren eines gemeinsamen Team-Abends“. Zusätzlich sind die Geräte so einzurichten, dass sie der Mitarbeitende ohne fremde Hilfe nutzen kann. Trotzdem muss die IT jederzeit für Remote-Support erreichbar und ansprechbar sein. Als sehr wichtig haben sich hier praktische Anleitungen erwiesen, etwa wie sich das Hintergrundbild bei Videokonferenzen ändern lässt oder welche Arbeitsschritte wie zu dokumentieren sind.
  • Virtuelle Teaming-Angebote. Die wohl größte Herausforderung beim Digital Onboarding ist die Identifikation der neuen KollegInnen mit dem Unternehmen und dem Team. Das Gespür für die Firmenkultur lässt sich schlechter über Videokonferenzen vermitteln. Ersatzweise können virtuelle Aktionen durchgeführt werden. Dazu gehören digitale Teamabende, bei denen neue MitarbeiterInnen erleben, wie die KollegInnen sind. Weitere Angebote von Yoga-Kursen über Thai-Kochstunden bis zu gemeinsamen Spielen lassen sich ebenfalls virtuell durchführen. Diese helfen oft enorm dabei, dass sich EinsteigerInnen im neuen Unternehmen angekommen und in das Team aufgenommen fühlen.
  • Individuelle Lösungen. Die meisten MitarbeiterInnen stehen im Homeoffice vor einer völlig neuen Situation. Ob Homeschooling und Kinderbetreuung oder Vereinsamung und fehlender Kundenbesuch: Die möglichen Auswirkungen sind so unterschiedlich wie die MitarbeiterInnen selbst. Daher müssen Unternehmen jetzt noch spezifischer auf die verschiedenen Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen. Dies gilt vor allem für EinsteigerInnen, deren persönlicher Hintergrund noch weitgehend unbekannt ist. Daher sollten MitarbeiterInnen dazu ermutigt werden, mit jedem Problem frühzeitig an das Unternehmen heranzutreten, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Nur eine offene Kommunikation bringt alle Themen auf den Tisch, bevor es zu spät ist. Zur Problemlösung können dann neben freier Zeiteinteilung auch Programme wie Trainings-Sessions für Homeschooling, Pädagogen für Kinder, eine Meditations-App und soziale Aktivitäten helfen.

Digitales Recruiting und Onboarding sind nicht nur möglich, sondern mit den richtigen Maßnahmen auch effizient und für alle Seiten angenehm. Doch dafür sind die Prozesse anzupassen und noch stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden auszurichten.

Chris Dercks ist Regional Vice President DACH bei F5.

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