Digitale Transformation beschleunigen dank Cloud-basierten Infrastrukturen – Was bringt das für Unternehmen konkret – Agilität, Reaktionsfähigkeit, wie lässt sich das messen? Zu derartigen Aspekten bezieht Ulrich Meine, Head of Global Managed Services Portfolio Management bei der NTT DATA Business Solutions AG, im Interview mit dem Midrange Magazin (MM) Stellung.
MM: Welche Vorteile ergeben sich durch „hybride Clouds“?
Meine: Die in großem Umfang verfügbaren und einfach konsumierbaren Services und Funktionsangebote der großen Public Cloud-Anbieter („Hyperscaler“) können eigene Projekte zur digitalen Transformation tatsächlich signifikant beschleunigen. Da die Technologien – virtuelle Maschinen, Firewalls, Speicher, aber auch IoT-Management- und Datenanalyse-Lösungen, Bilddiagnose-Funktionen und vieles mehr – wirklich nur den berühmten „Knopfdruck“ weit entfernt sind, lassen sie sich in eigene Projekte viel schneller einbinden als im eigenen Rechenzentrum.
MM: Welche Beispiele gibt es schon dazu?
Meine: Es ist zum Beispiel sehr einfach, mit Public Cloud Services einen Chatbot in eine eigene Website zu integrieren und diesem Bot als Nächstes die Fähigkeit zu natürlicher Sprache zu geben. Um eine solche Lösung im eigenen Unternehmen aufzubauen, vergehen eventuell Monate für die Investitionsentscheidung, die Hard- und Softwarebeschaffung sowie die Installation der Lösung.
Dieses Beispiel kann man übertragen auf die Nutzung von Infrastrukturen für SAP-Landschaften, auf die schnelle Bereitstellung von Datenbanken und Data Lakes oder etwa die Verwendung von Web-Entwicklungsumgebungen oder Container-basierten Anwendungen.
MM: Wie werden die Mehrwerte von hybriden IT-Architekturen für einen Mittelständler greifbar?
Meine: Zunächst einmal ist eine hybride Cloud-Architektur für einen überschaubaren Zeitraum oftmals das geeignete strategische Szenario, bevor ein komplexerer „Cloud-only“ Ansatz beurteilt werden kann. Und nach einer kurzen Evaluierungsphase lassen sich Mehrwerte schnell in Bereichen realisieren, die einem Handlungsdruck ausgesetzt sind: Eine neue Infrastruktur für die Terabyte-große Migration zu S/4HANA, die Schaffung einer Desaster-Absicherung des eigenen Rechenzentrums oder vielleicht die Umsiedlung von Applikationen, die an verteilten Standorten betrieben werden.
MM: Wie macht sich dies monetär bemerkbar?
Meine: Die identische Übertragung einer RZ-basierten Plattform in eine Cloud wird die Kosten nicht automatisch senken. Lösungs-Design und Betriebskonzept müssen an die Cloud-Fähigkeiten angepasst werden. Dann lassen sich Kosten sparen und gleichzeitig Qualität, Flexibilität und Agilität steigern. Das heißt aber auch, dass der Einsatz von Cloud-Technologien, obwohl so schnell möglich, ein relevantes Maß an Wissen erfordert, um von den Mehrwerten profitieren zu können.
MM: Bei der Verwaltung der hybriden IT-Umgebung gibt es prinzipiell zwei Optionen. Die erste lautet „Selbst verwalten“ – doch wie bleibt diese hybride Welt für ein Anwenderunternehmen beherrschbar?
Meine: Hybride Clouds fügen zwangsläufig der Firmen-eigenen IT-Landschaft eine weitere Ebene hinzu. Die großen Public Clouds bieten eine Vielfalt einfach zu implementierender Monitoring-Komponenten, die ein grundlegendes, aber auch isoliertes, Management ermöglichen. Es lohnt sich, die Cloud-Lösungen in die bestehende IT-Management Infrastruktur zu integrieren und damit die Separierung der Plattformen zu vermeiden.
MM: Welche Tools sind dazu nötig?
Meine: Es gibt heute bereits eine Vielzahl von Cloud-Management-Plattformen, die eine Integration hybrider Umgebungen und das Management multipler Clouds ermöglichen. Sie decken in der Regel die Bereiche Monitoring und Infrastruktur-Verwaltung ab. Datensicherungen in hybriden Umgebungen erfordern ebenfalls angepasste Tools, die verteilte Datenbestände handhaben können. Und insbesondere dem Netzwerk-Management ist Aufmerksamkeit zu widmen, denn nur gut gestaltete Netzwerkstrukturen stellen eine nahtlose Integration der hybriden Landschaft für User und Administratoren sicher.
MM: Sind diese Tools wirklich so einfach zu bedienen, wie es einem die Hersteller glauben machen wollen?
Meine: Allen Cloud-Management-Plattformen gemein ist, dass sie die häufigsten Aufgaben in einem Tool integrieren, das gesamte Spektrum der Cloud-Funktionen aber nicht abdecken können. So wird die tägliche Arbeit effizienter. Für die Durchführung speziellerer Aufgaben sind oftmals aber die Cloud-nativen Tools zu verwenden, sodass Detailkenntnisse aller genutzten Clouds und Services erforderlich bleiben.
MM: Die zweite Option umfasst das Outsourcing bzw. die Übergabe an einen Managed Service Provider – MSP. Warum sollte ein Mittelständler diese neue Umgebung einem entsprechenden Dienstleister übergeben?
Meine: Wie erwähnt, sind Public Cloud Services schnell zu konsumieren, erfordern aber dennoch detailliertes Wissen zu Funktionen, Anwendungskonzepten und Best Practices. Die Anbieter stellen viele Dokumentationen, Trainings und Zertifizierungskurse bereit, aber dieses Wissen muss sich ein Unternehmen erst erarbeiten und geeignete Konzepte erstellen. Insofern ist es konsequent, nicht nur z.B. die Infrastruktur für SAP-Systeme auszulagern, sondern auch den Betrieb an einen Dienstleister zu übergeben, der die Expertise und das geeignete Gesamtangebot hat.
MM: Ein Outsourcer wird üblicherweise standardisieren – Stichwort best practices – , um selbst Skalierungsvorteile umzusetzen. Wo bleibt da die „Besonderheit“ eines einzelnen „Kunden“?
Meine: Die Flexibilität der Cloud werden gute Dienstleister mit eigener Variabilität unterstützen. Wer seinen Kunden schon bei der Vertragsgestaltung mit unveränderbaren Standardvorlagen konfrontiert, schneidet in dieser Hinsicht schlecht ab. Allerdings kostet Individualität im Zweifel auch mehr Geld. Insofern muss ein Unternehmen abwägen, an welchen Stellen es wichtig ist, eigene Besonderheiten zu erhalten. Ein wesentlicher Baustein zur Erhaltung einer individuellen Kundenbetreuung sind persönliche und lokal erreichbare Service Manager, die „Besonderheiten“ aufnehmen, bewerten und umsetzen können.
MM: Wo bleiben dabei die bestehenden Anwendungen – wie können die fit gemacht werden für die hybride Infrastruktur?
Meine: Die Erstellung einer Cloud-Strategie sollte mit einer Bewertung aller eingesetzten Anwendungen in Bezug auf Ihren Anpassungsbedarf und -potenzial beginnen. Die meisten Anwendungen lassen sich auch in einem hybriden Umfeld betreiben. Dennoch sind grundsätzliche Fragen wie Rahmenbedingungen der Lizensierung, Schnittstellenkommunikation und User-Authentifizierung zu klären. Um aus der Umstellung aber tatsächlich Vorteile zu erzielen, sollte geprüft werden, ob die Infrastruktur in der Cloud optimiert oder Teilfunktionen durch Cloud-Plattform-Services ersetzt können.
MM: Was kann ein MSP für seinen Kunden alles tun, wenn er neue Services in seine bestehende IT-Infrastruktur einbinden möchte?
Meine: Wir als NTT DATA Business Solutions bieten z.B. geeignete Workshops an, in denen wir alle relevanten Anwendungen aufnehmen und die gerade erwähnten Aspekte prüfen. Am Ende steht ein geeignetes Cloud-Szenario. Der Schwerpunkt liegt hier auf SAP und die damit in Verbindung stehenden Funktionen. Anschließend geht es aber auch um den genannten Aspekt der Optimierung, zu dem wir u.a. Vorschläge zur Automatisierung machen können.
MM: Wie werden die Themen Sicherheit und Governance vom MSP abgedeckt – er muss ja viele verschiedene Branchen-Anforderungen dabei abdecken können?
Meine: Sicherheits- und Governance-Konzepte müssen sich mit dem Einsatz von Cloud-Services nicht zwingend erheblich ändern. Die Hyperscaler leisten ihren Teil mit der Bereitstellung vieler Sicherheitsfunktionen und vorhandener Zertifizierungen. Der Managed-Service Provider muss seine Prozesse allerdings einerseits auf die Branchenanforderungen und andererseits an den Einsatz von Clouds angepasst haben. Wir haben dies z.B. für die Pharma- und Medizin-Branche umgesetzt. Dazu gehört natürlich auch eine Prüfung und Optimierung der Sicherheitskonzepte.
Rainer Huttenloher