Die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern so zu bedienen, dass ein entsprechender Nutzenwert offensichtlich wird – mit dieser Vorgabe werden SmartCity-Projekte aufgesetzt. Welche Auswirkungen das auf die IT-Umgebung hat, diskutiert Timo Dell, beim IT-Experten rku.it Mitglied des Management Boards und für den Bereich Vertrieb und neue Geschäftsfelder verantwortlich, mit dem Midrange Magazin (MM).
MM: Wo sehen Sie die größten Innovationspotenziale im Bereich SmartCity und wie muss die passende IT-Umgebung dafür aufgestellt sein?
Dell: Dabei gilt es mehrere Aspekte zu beachten – in einer ersten Stufe sehe ich die konsequente Umsetzung der Sektorenkopplung. Damit ergibt sich die Möglichkeit in einem kommunalen System verschiedene Bereiche, wie etwa die Energieversorgung mit wohnungswirtschaftlichen Aspekten zu verbinden. Auf Basis einer derartigen Sektorenkopplung lässt sich dann beispielsweise auch ein kommunaler Marktplatz zur Verfügung stellen. Mit diesem wird in erster Linie der B2B-Markt angesprochen und in einer zweiten Stufe auch der B2C-Bereich. Im Smart City-Kontext geht es ja auch darum, die Interessen von Bürgerinnen und Bürgern zu bedienen, so dass ein entsprechender Nutzenaspekt offensichtlich wird.
MM: Wie passt das mit der föderalen Struktur hierzulande zusammen – es fällt ja in vielen Bereichen ein Zusammenspiel von kommunalen Behörden mit Bundes- oder Landesbehörden an?
Dell: Basis ist ein vollständiges Konzept für den Bereich SmartCity mit seinen lokalen Besonderheiten. Sicher gibt es hier regionale Unterschiede, etwa in Bezug auf die vorhandene Infrastruktur. Daher muss dieses Konzept entsprechend flexibel sein und auch verschiedene Umsetzungspartner integrieren. Schlussendlich gilt es, die unterschiedlichen Player so zu vereinen, dass daraus ein erkennbarer Nutzen für die Bürger/-innen entsteht.
MM: Wen sehen Sie dabei in der Rolle des Vermittlers, der dieses Zusammenspiel umsetzen soll?
Dell: Genau hier können Stadtwerke ihre zentrale Rolle innerhalb einer Kommune zielführend und sinnstiftend einbringen. Sie orchestrieren und koordinieren hierbei die unterschiedlichen Stellen. Letztendlich kann dort, sofern vorhanden, auch die entsprechende IT-Kompetenz gebündelt und die IT-Umgebung bereitgestellt werden. Das Ziel dabei: die entsprechenden Prozesse weitgehend zu automatisieren.
MM: Was sind die wichtigsten Technologie-Plattformen, um die Innovationspotenziale zu heben?
Dell: Generell muss sich eine enorme Komplexität abbilden lassen. Das stellt an die IT-Infrastruktur große Herausforderungen in Bezug auf die Flexibilität – gilt es doch, ganz verschiedene Abläufe und neue Geschäftsmodelle darzustellen. Dabei muss der Betreiber der Plattform die Rolle des Integrators einnehmen, um die unterschiedlichen Player zusammenzubringen.
MM: Wie lassen sich die wichtigsten Technologie-Plattformen interoperabel gestalten, sprich optimal verbinden?
Dell: Das ist eine schwierige Aufgabe, denn digitale Plattformen müssen drei Mehrwerte liefern: Es geht als Erstes um eine Senkung der Transaktionskosten, zweitens sollten sie die bereits angesprochenen Mehrwerte schaffen und drittens müssen sie einen spezifischen Nutzen für den Kunden generieren. Daraus ergibt sich bei der Frage nach den Technologie-Plattformen, dass beispielsweise dem Open-Source-Modell ein wesentlicher Umfang beizumessen ist. Offenheit in Bezug auf Standards ist notwendig, damit sich zusätzliche Anbieter einfach mit ihren Lösungen „andocken“ können. Es geht aber sicher auch darum, die Geschäftsprozesse selbst weitgehend zu standardisieren. Weitere Anforderungen an die Plattform sind u. a. eine hohe Skalierbarkeit und Flexibilität.
MM: Woher werden die nötigen Anwendungen kommen?
Dell: Die großen Cloud-Anbieter stellen eine Vielzahl von Services auf ihren Plattformen zur Verfügung. Diese lassen sich zu größeren Anwendungen kombinieren. Zudem gibt es viele Nischenanbieter, die Spezialanwendungen für den hier fokussierten kommunalen Bereich erstellt haben. Diese Anwendungen basieren teilweise auf den Services der Plattformanbieter. Klassiker sind Technologien aus dem KI-Bereich oder der Robotic Process Automation – Lösungen, die im Standardportfolio der Plattformanbieter vorhanden sind.
MM: Welche Rolle spielen die Themen Datensicherheit und -vertraulichkeit im Kontext SmartCity?
Dell: Beides ist sehr wichtig – und genau das adressiert ein kommunaler Multi-Cloud-Provider, wie rku.it sehr gut. Die Daten liegen in Rechenzentren, die nach deutschen Datenschutzbestimmungen zertifiziert sind, u.a. auch nach EU-DSGVO. Die Daten sind optimalerweise redundant gespiegelt und mit Disaster-Recovery-Mechanismen abgesichert. Nur so kann man sich einer möglichen Unsicherheit entgegenstemmen, nur so lässt sich auch die Datensouveränität für die Kommunen im SmartCity-Kontext umsetzen. Letztendlich müssen die einzelnen Bürgerinnen und Bürger selbst auch wissen, welche Daten sie freigeben möchten und welche Gegenleistung sie dafür bekommen. Ist diese Abwägung attraktiv, wird sie möglicherweise die nötige Akzeptanz finden.
MM: Wo kann im Bereich von SmartCity ein Service-Provider von IT-Lösungen, wie ihn rku.it darstellt, seine Kernkompetenzen einbringen?
Dell: Wir sehen uns hier als Integrator, der zum einen die Plattform sicher und performant vorhält, und zum anderen die Interoperabilität mit anderen Partnern sicherstellt. Daraus muss sich der Nutzen für den Anwender ableiten lassen. Ein weiterer Aspekt in diesem Szenario ist erneut der kommunale Background: Hier ist umfangreiches Wissen um die Prozesse in diesem Bereich nötig. Und diese Prozesse haben viele Facetten – geht es doch um das Zusammenspiel von Themen, wie energiewirtschaftliche Blickwinkel, digitale Schule, Elektromobilität oder wohnungswirtschaftliche Aspekte, zum Beispiel die X-Rechnung.
MM: Wie ist das Vorantreiben von Innovationen – auf der Basis neuer IT-Technologie – machbar?
Dell: Dazu muss ein Plattformbetreiber einen kontinuierlichen Fortschrittsdialog verfolgen. Neuartige Technologie gilt es zu eruieren und zu bewerten und dazu bedarf es einer guten Vernetzung in Technologie-Gremien. Wir haben bei rku.it ein eigenes Innovationslabor, unser InnoLab, aufgebaut, in dem sich interessante Entwicklungen ausprobieren und testen lassen, um damit z. B. relevante Trends abzuchecken.
MM: Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
Dell: Auf Basis einer in der Microsoft Azure-Umgebung betriebenen Lösung für netzdienliche und prädiktive Analysen haben wir im Innovationsbereich bereits vor Jahren einen zukunftsgewandten Plattformansatz erprobt. Die „Venios Energy Plattform“ wird seitdem komplett von rku.it gemanagt. Der Energieversorger hat einen festen Ansprechpartner und bekommt einen echten SaaS-Dienst „all-in-one“. Heute setzen diese Lösung bereits sieben Kunden produktiv ein und wir konnten sogar Erweiterungen wie die Umsetzung des Redispatch 2.0 damit erfolgreich lösen.
Rainer Huttenloher