Digitalisierte Prozesse machen den Arbeitsablauf schlanker, schneller und transparenter. Das gilt für alle Arbeitsbereiche, besonders aber für die Produktion. Intelligente Fertigung ist längst nicht mehr nur ein Schlagwort für große Konzerne. Gerade der Mittelstand profitiert von den Kosten- und Flexibilitätsvorteilen, die durch die Anwendung von Künstlicher Intelligenz, Industrial Internet of Things (IIoT) und Nutzung von Big Data entstehen.
Maschinen, die selbstständig melden, wenn sie Materialnachschub benötigen; der Vorschub einer Werkzeugmaschine, der sich automatisch an das zu verarbeitende Werkstück anpasst: Moderne Maschinen reagieren heute teilweise selbstständig auf Gegebenheiten, ohne menschliches Eingreifen. Diese Art der intelligenten Fertigung wird möglich durch eine komplett vernetzte Fabrik – Smart Factory – in der Sensoren Daten erfassen und in Echtzeit bereitstellen.
Vernetzte Maschinen überwachen Fertigungsqualität
„So vernetzte Maschinen machen möglich, dass die Qualität während des gesamten Fertigungsprozesses überwacht wird. Natürlich ist die zentrale Voraussetzung für eine intelligente Fertigung, dass das Material zur benötigten Zeit in der ausreichenden Menge, am richtigen Ort zur Verfügung steht. Diese Planung macht die Produktion nachhaltig, optimiert und bedarfsgesteuert”, so Franz Stieber, Senior Sales Engineer, Systems & IIoT beim Siegener Softwarehersteller GIB. Gemeinsam mit der Konzernmutter ifm electronic in Essen, arbeitet die GIB an durchgängigen Softwarelösungen, die die Physik der Produktionsebene in die digitalisierte Geschäftsprozess-Ebene integriert.
Denn genau diese Verbindung zwischen IT und OT (Operations Technology) ist es, die vielen Unternehmen fehlt, um eine Smart Factory wirklich umzusetzen. Ist heute die vertikale Digitalisierung, also die Anbindung der Produktionsebene in die ERP-Systeme, ausdrücklich erwünscht, so sah das in der dritten industriellen Revolution in den 70er Jahren noch ganz anders aus.
„Aus Angst vor Viren und Trojanern, die sich einschleichen und die Produktion lahmlegen könnten, gab es eine strikte Trennung zwischen den Betriebsleitsystemen der Operations Technology und der Informationstechnologie”, erklärt Stieber. Diese gilt es nun aufzuheben, natürlich sollen dabei aber die berechtigten Bedenken um die Datensicherheit nicht vernachlässigt werden. Dafür sorgen neue Sicherheitsstandards.
Die Vision von der Intelligenten Fertigung wurde in den vergangenen Jahren besonders durch die Industrie 4.0-Schlüsseltechnologie Industrial Internet of Things (IIoT) angetrieben. Die Sensoren an Maschinen, Instrumenten und Produktionsanlagen schaffen die nötige Datenbasis für Automation und selbstlernende Maschinen. Die durchgängige Datenverarbeitung vom Sensor bis ins ERP-System lässt die physikalische und die digitale Welt miteinander verschmelzen. Stieber: „Ein wesentlicher Vorteil der Sensoren und der von ihnen ermittelten Daten ist, dass Informationen bereichsübergreifend und ohne Verzögerung zur Verfügung stehen und die Sensoren unter anderem KI-basierte Systeme mit den notwendigen Daten füttern. Für die Verarbeitung dieser Informationen spielen Big-Data-Technologien und -Anwendungen eine wesentliche Rolle.”
Aufrüsten vorhandener Maschinen minimiert Investitionskosten
Mit der Idee einer intelligenten Fertigung sind zahlreiche Vorteile verbunden, etwa die Verbesserung der betrieblichen Effizienz, schnellere Prozessumsetzung, Kostensenkungen in der Produktion und die Realisierung neuer Geschäftsmodelle. Gerade mittelständische Unternehmen können davon profitieren, schrecken aber oft noch vor den Anschaffungskosten für eine vollständige Ausrüstung mit Sensorik und moderner Software zurück.
Dabei ist es nicht selten schon ausreichend und deutlich günstiger, ältere vorhandene Anlagen aufzurüsten. Auch in der Produktion bestehende Sensoren können meist in ein ganzheitliches Lösungskonzept eingebunden werden. Am einfachsten ist das bei IO-Link Sensoren. Die IO-Link Community hat mehr als 215 Hersteller weltweit, die sich auf ein einheitliches Format geeinigt haben. Viele Informationen stehen direkt digital zur Verfügung und können in IT-Systemen so verarbeitet werden.
„Generell ist die Amortisationszeit der Projekte überschaubar. Natürlich muss investiert werden, um eine intelligente Fertigung zu erreichen. Aber danach werden Kosten eingespart und viele andere Vorteile wie Flexibilität und Zuverlässigkeit werden gewonnen”, weiß Stieber. Für ihn steht der Nutzen, gerade für den Mittelstand, deutlich im Vordergrund. Durch die Digitalisierung entfällt zum Beispiel der enorme Abstimmungsaufwand aller Beteiligten für eine bedarfsgerechte Fertigungssteuerung. Auch technische und prozessuale Innovationen, bis hin zu völlig neuen Geschäftsideen, sind um ein Vielfaches einfacher umsetzbar.
Wenn Unternehmen bereits eine vollautomatisierte Fertigung etabliert haben, sehen sie den Schritt zur intelligenten Fertigung häufig als unnötig an. Dabei ist der wesentliche Unterschied, wie die Smart Factory mit Störungen umgeht. In der vollautomatisierten Fertigung sind bei einem unvorhergesehenen Ereignis eine manuelle Steuerung und Plananpassung notwendig. Die Smart Factory hingegen reorganisiert sich ohne menschliches Zutun und passt sich automatisch an unvorhergesehene Ereignisse an.
Möglich wird das durch eine Shop Floor Integration, mit der Sensormeldungen über den Zustand von Anlagen, Materialverbräuche oder nötige Wartungsarbeiten kontextbezogen weiterverarbeitet werden, sodass im ERP, zum Beispiel SAP, Folgeprozesse angestoßen werden. Dazu gehören zum Beispiel das Beschaffen von Ersatzteilen, eine neue Produktionsplanung oder das automatische Anlegen von Instandhaltungsmeldungen. Stieber: „Durch diese abnutzungsorientierte Instandhaltung können wir den Lebenszyklus von Maschinen signifikant verlängern.”
Eine intelligente Fertigung im Rahmen des IIoT hat positiven Einfluss auf das Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Durch die schnell entstehenden Kostenvorteile ist die Investition in die dafür notwendigen Technologien mittlerweile auch für mittelständische Unternehmen rentabel. Auch das Aufrüsten vorhandener Anlagen oder das Einbinden bestehender Sensoren macht die Anschaffungskosten überschaubarer.
Claudia Ballhause, IT-Journalistin für Wordfinder