Auf der Qualitätssicherung lastet in der Produktion großer Druck. Sie erfolgt häufig manuell, was für die Mitarbeiter anstrengend und für die Unternehmen teuer ist. Wirtschaftlicher, schneller und exakter geht es heute dank visueller Qualitätsprüfung mithilfe künstlicher Intelligenz (KI). Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie eine solche Lösung aussehen kann. Als Hardware für den Prototyp wählten die Experten IBM Power System AC922.

Produzierende Unternehmen müssen wirtschaftlich arbeiten, Erzeugnisse zu guten Preisen anbieten und gleichzeitig höchste Qualität liefern. Wer sich Patzer erlaubt, ist schnell weg vom Fenster. Denn Verbraucher sind anspruchsvoll und inzwischen gerne bereit, negative Kommentare auf Social-Media-Plattformen zu schreiben. Entwickelt sich daraus ein Shitstorm, kann das die Reputation erheblich schädigen. Im B2B-Bereich gelten zudem oft strenge Vorgaben, in manchen Branchen wie Healthcare sogar eine Null-Fehler-Toleranz. Wer die Vorgaben nicht erfüllt, riskiert Aufträge zu verlieren. Die Qualitätskontrolle spielt daher eine zentrale Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit.

In vielen Unternehmen sind Qualitätsprüfungen jedoch ein Sorgenkind. Denn häufig finden sie noch in mühevoller manueller Arbeit statt – zeitversetzt und nicht in den Produktionsprozess integriert. Das bringt zahlreiche Probleme mit sich. Zum einen können Stunden vergehen, bis Fehler gefunden und Einstellungen in der Fertigungsstraße korrigiert werden. Währenddessen läuft munter weiter Ausschuss vom Band. Zum anderen erfordert die visuelle Qualitätskontrolle oft aufwendige Routinearbeit. Manchmal müssen Mitarbeiter sich in unbequemer Position verrenken und Bauteile Millimeter für Millimeter mit Taschenlampe, Vergrößerungsglas und Messschieber überprüfen. Das ist nicht nur anstrengend, sondern kostet auch viel Arbeitszeit und ist fehleranfällig.

So hilft künstliche Intelligenz

Der Einsatz von intelligenten Algorithmen kann die visuelle Qualitätskontrolle schneller, effizienter, exakter und kostengünstiger machen. Denn die Soll-/Ist-Prüfung lässt sich damit automatisieren und in Echtzeit durchführen. Dadurch kann sie unmittelbar in den Produktionsprozess integriert werden. Zudem ist ein KI-gestütztes Prüfsystem in der Lage, bereits kleinste Abweichungen von der Norm festzustellen.

Im Idealfall kommuniziert es direkt mit den Fertigungsmaschinen, sodass diese sich gegebenenfalls selbstständig anpassen und die Produktion korrigieren. Damit lässt sich der Ausschuss auf ein Minimum reduzieren. Menschliche Mitarbeiter werden indessen durch die KI von unangenehmen Tätigkeiten befreit und gewinnen Zeit für wertschöpfende Aufgaben.

Technische Voraussetzungen

Wie lässt sich ein solches KI-Projekt für die visuelle Qualitätskontrolle umsetzen? Auf technischer Seite braucht man dafür leistungsfähige Hardware, die in der Lage ist, große Mengen von Grafikdaten in hoher Geschwindigkeit zu verarbeiten. Sie muss mindestens so schnell sein, wie produziert wird. Weitere Voraussetzungen sind eine KI-Software, ein Deep Learning Framework und Bildverfahren zur Vermessung von Objekten und zur Fehlererkennung.

Im Zentrum jeder KI-Lösung aber stehen Daten. Um aussagekräftige Ergebnisse zu ermöglichen, müssen sie in ausreichender Menge und hoher Qualität vorliegen. Für die optische Bildprüfung gewinnt man diese Daten zum Beispiel über Kamerasysteme, die in den Produktionsanlagen exakt positioniert und eingestellt werden müssen.

Bildprüfung mit KI bei einem deutschen Technologiekonzern

Ein mittelständischer deutscher Technologiekonzern hat entschieden, die visuelle Qualitätskontrolle per künstlicher Intelligenz in seinen Unternehmen einzusetzen. Der Prototyp dafür entstand im Rahmen eines Co-Creation-Workshops in der Digitalschmiede von Vinci Energies. Diese bringt je nach Projektinhalt, Anforderungen und Zielen geeignete Experten zusammen. Zudem stellt sie den kreativen Rahmen sowie Methoden und Technologien zur Verfügung.

So konnte der Technologiekonzern gemeinsam mit internationalen Spezialisten für IT, OT, Data Science, KI und optische Prüfsysteme innerhalb weniger Wochen Ideen und Lösungen entwickeln. Ein Großteil der Zeit wurde in Bestandsaufnahmen und Ergebnisbeschreibungen investiert – der CoCreation-Workshop, in dem die konkreten Lösungen erarbeitet wurden, fand an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt.

Als Hardware für den Prototyp wählten die Experten IBM Power System AC922. IBM hat die Plattform speziell für die Bildverarbeitung mit KI konzipiert. Sie bietet bis zu 5,6-mal mehr E/A-Bandbreite als x86-Server, verfügt über den aktuellen POWER9-Prozessor, PCIe Gen4 und innovative GPUs.

Stefanie Horrmann, Head of Alliances und Business Development bei Axians IT Solutions; Quelle: Axians

Das Projekt-Team wollte testweise einmal versuchen, das System an seine Grenzen zu bringen, was jedoch auch nach intensiven Versuchen nicht annähernd gelang. Als Deep Learning Framework und KI-Software kamen das Open Source Framework TensorFlow und die IBM Suite Power AI Vision zum Einsatz. Letztere ermöglicht es, Vision-Modelle zu kennzeichnen, zu trainieren und zu erstellen, ohne dass dafür Fachwissen in Codierung oder Deep Learning nötig ist. Als Bildverfahren verwendete man etablierte Standardbibliotheken.

Um die Daten für den Prototypen zu gewinnen, installierten die Experten speziell ausgewählte Kamerasysteme an der Fertigungsstraße, stellten sie exakt ein und optimierten die Ausleuchtung. Anschließend wurde das Deep-Learning-Modell mit den Daten gespeist und trainiert. Data Scientists brachten dem Algorithmus anhand von Gut- und Schlechtbildern bei, Fehler zu erkennen. Dafür klassifizierten sie die falschen Strukturen. Mit der Zeit wurde das Deep Learning Modell immer treffsicherer und konnte die Bild-Klassifizierung selbstständig übernehmen. So entstand innerhalb von wenigen Tagen ein funktionsfähiger Prototyp.

Fazit

Dieses Beispielprojekt zeigt, wie sich ein KI-Projekt für die visuelle Qualitätskontrolle mit überschaubarem Aufwand umsetzen lässt. Auf technischer Seite konnte dabei die Kombination aus IBM Power System AC922 und IBM Suite Power AI Vision voll überzeugen. Organisatorisch ist es empfehlenswert, in interdisziplinären Teams zusammenzuarbeiten. Denn KI-Projekte erfordern Expertenwissen auf vielen verschiedenen Fachgebieten. Kaum ein Unternehmen wird diese Kompetenzen bereits vollständig im eigenen Haus haben oder in kurzer Zeit aufbauen können. Ein Co-Creation-Workshop bietet den idealen Rahmen, um geeignete Partner zu finden und Digitalisierungsprojekte schneller voranzutreiben.

Stefanie Horrmann ist Head of Alliances und Business Development bei Axians IT Solutions.

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