Die Schaeffler Gruppe erzielt mit der Einführung der Low-Code-Plattform der Siemens-Tochter Mendix drastisch verkürzte Software-Entwicklungszeiten, eine umfangreichere Softwarebereitstellung sowie gesteigerte Innovationskraft.
In weniger als zwei Jahren hat Schaeffler eine Low-Code-Community mit über 500 Beteiligten aufgebaut, die zur Anwendungsentwicklung im gesamten Unternehmen beitragen. So wurden bis dato mehr als 30 Applikationen entwickelt, die nicht nur manuelle Arbeiten, sondern auch Prozesse in der Fertigung digitalisieren. Schaeffler und Siemens arbeiten bereits zusammen, zum Beispiel bei dem kürzlich vorgestellten generativen KI-gestützten Assistenten Industrial Copilot.
Die bei Schaeffler bis dato angewandte traditionelle Softwareentwicklung kann den gegenwärtigen Anforderungen des sich rasch wachsenden, digital ausgerichteten Unternehmens nur sehr eingeschränkt gerecht werden. Auf der Suche nach einer ergänzenden Lösung für die neuen Herausforderungen stieß man bei Schaeffler schließlich auf die Low-Code-Anwendungsentwicklung. Die kurz darauf angestoßene Benchmark-Analyse von insgesamt sechs Plattformen konnte Mendix für sich entscheiden.
Die Siemens-Tochter bot die vielfältigsten Anwendungsmöglichkeiten, um die Anforderungen von Schaeffler in der Fertigung zu erfüllen. Darüber hinaus überzeugte Mendix durch eine IDE (integrierte Entwicklungsumgebung) für professionelle Entwickler, die zugleich für Anfänger zugänglich ist, und durch einfachste Integration von anderen Technologien und Kernsystemen, wie SAP. Ein weiterer Aspekt: Auch die Bereitstellung von Anwendungen, die mit externen Anbieter- und Kundensystemen interagieren müssen, wird unterstützt.
Einen zusätzlichen Vorteil stellt für Schaeffler die Cloud-Architektur von Mendix dar, die sowohl Skalierbarkeit als auch die Implementierung einer Multi-Cloud-Strategie ermöglicht. Interne Anwendungen werden nun in der privaten Cloud-Instanz von Schaeffler bereitgestellt, während externe Anwendungen in der Mendix Public Cloud implementiert werden.
Damit möchte das Unternehmen sicherstellen, dass Sicherheitsrichtlinien in jedem potenziellen Anwendungsfall bestmöglich erfüllt werden können. So spielt es nun keine Rolle mehr, ob ein geringes Datensicherheitsrisiko oder hohe Anforderungen an die Datensicherheit vorliegen.
Veränderungsmanagement: Der Mensch im Mittelpunkt
Automobil-, Industrie- und Luftfahrtunternehmen weltweit vertrauen auf Motoren, Radlager und Lenksysteme der Schaeffler Gruppe. Sie zählt rund 84.000 Mitarbeitende und hat allein im Jahr 2022 über 1.250 Patente angemeldet. In einem Unternehmen dieser Größenordnung lässt sich eine etablierte Softwareentwicklungsmethodik nicht von heute auf morgen adaptieren: Schaeffler startete sein Mendix-Programm Ende 2021 und richtete zuerst ein Center of Excellence (CoE) ein.
Dieses engagierte Team innerhalb der Unternehmens-IT ist für die Standards im Zusammenhang mit Best Practices bei der Entwicklung zuständig, wie Sicherheits- oder Integrationsrichtlinien. Das CoE sitzt im Epizentrum der Low-Code-Entwicklungsarbeit – in einer Hub-and-Spoke-Struktur – die für Konsistenz sorgt und die unterschiedlichen Gruppen betreut, die Mendix-Anwendungen entwickeln; seien es Teammitglieder von Operations-IT, technologieaffine Mitarbeitende aus den Fachabteilungen oder externe Mitarbeitende.
Ebenfalls Ende 2021 wählte Schaeffler seine erste Anwendung aus. Das Leuchtturmprojekt, sollte eine gemeinsame Herausforderung innerhalb der Organisation adressieren und beispielhaft aufzeigen, was mit Mendix realisierbar ist. Dabei wurde nach einem klassischen Anwendungsfall gesucht, der in fast jedem Schaeffler-Werk zu finden ist. Ausgewählt wurde schließlich ein typischer Checklisten-Dokumentationsprozess für Kundenreklamationen. Dieser war zuvor papierbasiert und wurde in eine workflowbasierte Mendix-Anwendung umgewandelt.
Produktionseffizienz in den Werkshallen
Das Ersetzen von Papier- und Excel-basierten Prozessen in den Werkshallen von Schaeffler ist weltweit einer der Hauptanwendungsfälle von Mendix. Heute unterstützt eine der größten Mendix-Anwendungen bereits 1.000 Mitarbeitende bei der Überwachung der Maschinen- und Produktqualität, traditionell ein noch häufig manuell und uneinheitlich betriebener Prozess.
Die webbasierte Low-Code-Anwendung ist unter anderem auch auf Tablets zugänglich, so dass die Mitarbeitenden einen Großteil dieser Arbeit in Echtzeit erledigen können, anstatt sie auf Papier zu erfassen und anschließend in ein System zu übertragen. Die zeitintensive doppelte Datenerfassung und -eingabe gehört damit der Vergangenheit an. Die Anwendung wird bald auf weitere 5.000 bis 7.000 User ausgeweitet.
Hackathons fördern Kollaboration
Heute besteht die Community der Mendix-Entwickler bei Schaeffler aus über 500 Personen. Es gibt wöchentliche Best-Practice-Meetings, um Ideen, Hindernisse und Lösungen zu diskutieren. Im Intranet sind zudem dokumentierte Anwendungsfälle mit Videos und Informationen zu finden. Ergänzend werden regelmäßig Hackathons durchgeführt, die allen Interessierten innerhalb der Organisation offenstehen.
„Die besten Erfahrungen haben wir mit Hackathons gemacht, an welchen inzwischen über 100 Personen teilgenommen haben“, bekräftigt Jakob John, Spezialist Production Platform Solutions innerhalb der Operations-IT von Schaeffler. „Es war überraschend, wie schnell sich nach den Hackathon-Events lokale, regionale und internationale Low-Code-Communities gebildet haben. Darüber hinaus wurde der abteilungsübergreifende Austausch als äußerst gewinnbringend von vielen Teilnehmenden herausgestellt.“
Die Hackathons, die nun vierteljährlich in Europa und Asien stattfinden, fördern bei den technikbegeisterten Teammitgliedern die Zusammenarbeit und Kreativität. Sie bieten auch Personen, die noch nie programmiert haben, eine gute Gelegenheit, über den Tellerrand der eigenen Abteilung hinauszublicken.
Bereitstellung von Unternehmenssoftware fördern
Der Aufbau einer Community und das Aufzeigen des Mehrwerts sind entscheidend für die Vision der Schaeffler Gruppe, die Softwarebereitstellung innerhalb einer standardisierten Plattform und eines standardisierten Ansatzes zu demokratisieren. Mendix wird dabei als Teil einer Self-Service-Landschaft verstanden. Die Technologie soll daher künftig auch in anderen Regionen zum Einsatz kommen.
Dies soll hierarchisch beginnen, unter Anwendung des Hub-and-Spoke-Modells, bei dem die Regionen ihre eigenen Fähigkeiten zur Bereitstellung von Mendix-Anwendungen aufbauen können. (rhh)