Die strikte Kostenkontrolle im Zuge der Corona-Krise trifft eine Branche besonders hart, die über Jahre nur die Wachstumsrichtung kannte: Der Beratungsmarkt wuchs seit der Finanzkrise 2008/2009 um durchschnittlich 8 Prozent pro Jahr. Im Bereich der Supply Chain verspricht das Onshoring, die Anfälligkeit für krisenbedingte Störungen zu reduzieren – doch dazu sind Supply-Chain-Spezialisten gefragt.

Deutschland ist einer der größten Beratungsmärkte weltweit und das dürfte mit der Tatsache zusammenhängen, dass wir auch eine der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen sind. Beratung als Erfolgsfaktor für den flexiblen Zukauf von Ressourcen und Know-how war kein schlechter Deal für alle Beteiligten. Im besten Sinne von Arbeitsteiligkeit, Verringerung von Wertschöpfungstiefe und Verschlankung sogenannter ‚Overhead‘-Strukturen haben wir das praktiziert, was uns zu einer modernen Netzwerk-Wirtschaft gemacht hat.

Diese Netzwerk-Struktur ist Stärke und Schwäche zugleich, wie uns die aktuelle Corona-Krise sehr deutlich vor Augen führt. Die globale Arbeitsteilung führt eben dazu, dass Cent-Artikel wie Atemschutzmasken in China produziert werden und auch dort bleiben, wenn sie überall gebraucht werden. Und wenn in China nicht produziert wird, dann stehen ein paar Tage später in Deutschland die Produktionsanlagen für die ganzen komplexen Güter still, auf denen ein guter Teil unseres Wohlstandes beruht.

Wenn eine Konsequenz der Corona-Krise absehbar ist, dann das Onshoring, also die Verlagerung von Teilen der Wertschöpfung (zurück) in das Inland. Damit wird die Supply Chain weniger anfällig gegen krisenbedingte Störungen gemacht – auch wenn das nicht von heute auf morgen geht und Geld kostet. Geld, das zu Teilen auch für Beratung ausgegeben werden wird. Und hier ist die erste gute Nachricht für die Beratungsbranche – zumindest die Supply-Chain Spezialisten.

Die Entflechtung komplexer Zulieferer-Ketten erfordert ein Know-how, das ein einzelnes Unternehmen nicht notwendigerweise an Bord hat. Das Thema wird produzierende Unternehmen und ihre Beratungspartner über die nächsten zwei bis vier Jahre beschäftigen und weitere Themen nach sich ziehen, z.B. Substituierung und Kosten-Optimierung.

Restrukturierung im Kielwasser der Krise

Damit wären wir bei dem Krisen-Beratungsthema schlechthin – Restrukturierung. Und das ist die zweite gute Nachricht für die Beratungswelt. Wenn eines sicher ist in der Krise, dann die Notwendigkeit, Kosten zu senken, Strukturen zu verschlanken, Abläufe zu beschleunigen. Sicher, noch kein Unternehmen hat sich gesund sparen können, aber zehn gute Jahre wirtschaftlicher Entwicklung haben dazu geführt, dass viele Organisationen etwas rund um die Hüften geworden sind. Auch ohne die aktuelle Krise hatten Wirtschaftsinstitute ein Abflachen der Konjunktur in Aussicht gestellt und viele Unternehmen haben damit das Bedürfnis verspürt, sich wieder fit zu machen für härtere Zeiten.

Heute sind wir in noch härteren Zeiten, als wir das je für möglich gehalten haben und wenn man nicht grade im Lebensmittelhandel oder in der Pharma-Industrie ist, geht es zum Teil um die nackte Existenz. Gute Zeiten also für die Strategie-Berater, die sich auf dieses Handwerk verstehen. Dabei ist zum Teil nicht einmal die Expertise ausschlaggebend, sondern die neutrale Instanz, die die Dinge beim Namen nennt, umsetzt und dann auch wieder weg ist. Natürlich helfen Benchmarks und Methodik, den Prozess so effizient wie möglich zu gestalten.

Das gilt im Übrigen auch für die nahe gelegene (aber diametral entgegengesetzte, weil auf Wachstum statt auf Verschlankung angelegte) Disziplin der Merger&Acquisition-Beratung. Es ist natürlich so, dass gut aufgestellte, solvente Unternehmen bereits jetzt weniger gut aufgestellte und damit günstigere Übernahmekandidaten identifizieren und auf den Einkaufszettel setzen. Die Anzahl der Transaktionen werden in den nächsten Monaten signifikant steigen, zur Freude der auf dieses Themenfeld spezialisierten Berater und Finanzinstitute.

Für die Beraterbranche gilt, was für alle anderen Industrien gilt: In der Krise werden Sieger gemacht. Jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen, jetzt zählt Standvermögen, Weitblick und die richtigen Services und Produkte. Der Beratungsmarkt wird in diesem Jahr und voraussichtlich auch im nächsten Jahr schrumpfen, ebenso wie die meisten anderen Branchen. Einige Beratungsunternehmen werden aber auch in dieser Zeit gegen den Trend wachsen. Sie werden einen Mehrwert für ihre Kunden generieren, der auch in schwierigen Zeiten die Kosten für die spezialisierten Ressourcen auf Zeit rechtfertigen.

Was jedoch auch die besten Berater nicht ersetzen können, ist eine starke Führung in der Organisation. Zuhören, Orientierung geben, motivieren, die richtigen Entscheidungen treffen sind die Maßnahmen, die eine Organisation letztendlich aus der Krise bringen. Das obliegt den Führungskräften eines Unternehmens – unabhängig davon welcher Funktion und welcher Hierarchiestufe sie entstammt. Das ist die gute Nachricht für jeden, der eine Leitungsfunktion in seinem Unternehmen hat.

Ebenso richtig ist aber auch, dass Führungsschwächen in der Krise sehr schnell sehr deutlich sichtbar werden. Keine günstige Geschäftsentwicklung überdeckt mehr offensichtliche Schwächen im Management. Wer jetzt nicht aufpasst, nicht nah genug an seinem Team und seinen Kunden ist, ist schnell mit dem Rücken an der Wand im Rampenlicht. Die Geduld ist in Krisenzeiten begrenzter denn je und das wird für Bewegung sorgen in den bisher sehr festgefahrenen Hierarchien grade traditioneller Unternehmen.

Kai Anderson ist Gründungspartner von Promerit, einer Beratung für People Management, die heute zu Mercer gehört.

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