Eine neue Generation junger Fachkräfte erobert den Arbeitsmarkt, speziell im IT-Bereich, während viele Unternehmen um mehr Agilität ringen – eine doppelte Belastung oder bringen Young Professionals vielmehr Schwung in die agile Transformation?
Agiles Arbeiten wird in den Unternehmen derzeit vor ganz unterschiedlichem Erfahrungshintergrund diskutiert: von ersten Ideen und Pilotprojekten, über agil arbeitende Abteilungen bis hin zur agilen Transformation. Tatsächlich muss jedes Unternehmen selbst bestimmen, wieviel Agilität die eigene Organisation braucht. Das ist abhängig vom jeweiligen Markt- und Branchenumfeld und den Kundenerwartungen; auch die Firmenkultur spielt eine Rolle. Doch der agile Ansatz bietet für alle Unternehmen die Chance, sich in einer komplexen Umgebung und unter sich schnell ändernden Bedingungen besser zu behaupten.
Parallel dazu vollzieht sich ein Umbruch, der ebenfalls alle Arbeitgeber trifft – der Generationenwechsel. Zusammen mit der Generation Y tritt nun auch die nächste Generation der ab etwa 1997 Geborenen ins Arbeitsleben ein, die Generation Z, wobei die Grenzen zwischen beiden fließend sind. Besonders stark ist die Auswirkung dieses Generationenwandels im IT-Bereich, da hier aufgrund des akuten Fachkräftemangels sehr viel mehr Absolventen und Young Professionals rekrutiert werden.
Lassen sich diese beiden Veränderungsprozesse verknüpfen? Konkreter gefragt: Wie können Unternehmen die Integration der jungen Fachkräfte so gestalten, dass sich daraus positive Impulse für die agile Transformation ergeben?
Agil werden – ein Entwicklungsprozess
Damit sich agiles Arbeiten – mit klarem Fokus auf Kundenbedürfnisse, die Arbeit in sich selbst organisierenden Teams und in iterativen Schritten – bewähren kann, genügt es bekanntlich nicht, agile Methoden wie Scrum oder Kanban einzuführen. Agil werden ist ein Entwicklungsprozess, vor allem die Unternehmensführung muss diesen Prozess leben. Es braucht eine gemeinsame Vision und die passenden organisatorischen Strukturen, damit Mitarbeiter ein agiles Mindset entwickeln können. Selbstorganisation und Eigenverantwortung, Vernetzung und Austausch, Vertrauen in sich und andere, Mut und die Bereitschaft, aus Fehlern schnell zu lernen, sind die Einstellungen, die ein agiles Mindset ausmachen.
Doch welche Voraussetzungen für agiles Herangehen bringen die Young Professionals mit, was prägt deren Handeln und welche Lern- und Entwicklungsperspektiven bieten sich? Die aktuelle Umfrage der Onlineplattform get-in-IT kommt zu dem Ergebnis, dass IT-Nachwuchskräfte deutlich mehr an einer Expertenlaufbahn interessiert sind als an einer klassischen Führungslaufbahn. Entsprechend wichtig sind ihnen fachliche Weiterbildungen. Das lässt auf eine Einstellung zum kontinuierlichen Lernen schließen – und auf wenig Begeisterung für klassische Hierarchien.
Digital Natives – die Wissensteiler
Hierarchie-Denken entspricht nicht dem gewohnten Kommunikationsmodus der jungen Generation. Mit dem Smartphone als ständigem Begleiter ist das Teilen von Wissen und Informationen ebenso selbstverständlich wie die Geschwindigkeit des Austauschs. Um an die benötigten Informationen zu gelangen, werden alle verfügbaren Ressourcen genutzt, eigenständig und oft auch kreativ verknüpft.
Das prägt auch die Erwartungshaltung beim Eintritt ins Berufsleben. Wissensbarrieren und Silodenken innerhalb des Unternehmens wirken befremdlich. Kommunikation erfolgt auf Augenhöhe, Aussagen werden nicht als gegeben hingenommen, sondern kommentiert und diskutiert – Feedback ist äußerst wichtig.
Mit diesen Prägungen und Einstellungen können Young Professionals gerade für Unternehmen mit klassischen Strukturen durchaus eine Herausforderung darstellen. „Gleichzeitig bringen sie damit aber sehr gute Voraussetzungen für vernetztes Arbeiten in Teams, Teilen von Wissen sowie eigenständiges Entwickeln von Lösungen mit – und frischen Wind in die Teams“, sagt Stefan Rühle, Gründer und Vorstandsvorsitzender des IT Dienstleisters The Digital Workforce Group.
Unternehmen, die agiler werden wollen, tun gut daran, diese neuen Impulse zu nutzen. Es ist nicht sinnvoll, junge Fachkräfte zunächst an starre Prozesse und Hierarchien gewöhnen zu wollen, um dann im nächsten Jahr ein Change-Projekt zur agilen Transformation auszurufen.
Young Professionals im Coaching fordern und fördern
Um ein eigenes agiles Mindset zu entwickeln, müssen Young Professionals lernen Verantwortung zu übernehmen. Sie brauchen dafür Freiraum, aber auch viel Unterstützung. Daraus resultiert auch ein höherer Aufwand für Coaching und Mentoring, den Fachvorgesetzte und HR-Verantwortliche nicht unterschätzen sollten. Laut der get-in-IT-Studie 2017/2018 wünschten sich gut 37 Prozent der befragten Studierenden eine gezielte Einarbeitung und über 28 Prozent auch einen erfahrenen Paten oder Mentor, der ihnen mit Tipps zur Seite steht.
„Unsere Erfahrung in der Beratungspraxis zeigt, dass Berufsanfänger in der IT zu Beginn häufig unsicher sind, was das Verhalten und die Erwartungen an die Zusammenarbeit angeht. Sie benötigen, zumindest zu Beginn, weit häufiger und mehr Feedback, als das viele Arbeitgeber gewohnt sind“, erläutert Stefan Rühle.
Grundsätzlich passt diese Feedback-Orientierung zur agilen Arbeitsweise mit kurzen Sprints und häufigem Austausch in den Teammeetings, für die intensivere Betreuung und Feedback auch zu Soft Skills fehlen in den Unternehmen aber oft die personellen Ressourcen. Sowohl für die fachliche Einarbeitung als auch im Bereich Mentoring, kann es sich dann lohnen, auf externe Unterstützung wie die Talentschmiede Unternehmensberatung zurückzugreifen, die auf den Einsatz von Young Professionals in der IT spezialisiert ist.
Aus Fehlern lernen
Was Young Professionals häufig im Coaching erlernen, ist Kritikfähigkeit. Also sowohl die Kompetenz, Kritik konstruktiv und sachlich anzubringen, als auch die Fähigkeit, kritische Rückmeldungen anzunehmen und als Chance zur Verbesserung zu sehen, ohne sich dabei persönlich angegriffen zu fühlen. Denn auch Mut zur Entscheidung und schnelles Lernen aus Fehlern gehören zur agilen Arbeitsweise. Für die Umsetzung braucht es aber auch eine entsprechende Kultur der Fehlertoleranz im Unternehmen. Hier kommt Vorgesetzten und Führungskräften eine entscheidende Vorbildrolle zu.
Für junge Talente, die ihre Disposition zur agilen Arbeitsweise bewusst wahrnehmen und nutzen möchten, besteht zudem die Chance, sich in diesem Bereich zum Experten zu entwickeln. Auch dafür gibt es positive Erfahrungen in der Praxis, wo sich Nachwuchstalente durch intensive Weiterbildung und eigene Projekte sogar als Management-Berater für agile Arbeitsweisen positionieren konnten.
Die frühe und gezielte Einbindung von Young Professionals in die agile Transformation bietet somit Chancen sowohl für die Organisation als auch für die Nachwuchstalente – Unternehmen sollten diese Möglichkeit nutzen.
Anisa Karajbic