Eine möglichst elegante „Brücke“ zwischen Konstruktion/Entwicklung und Fertigung ist in vielen Digitalisierungsprojekten gewünscht. Welche Vorteile sich für Anwenderunternehmen daraus eröffnen, erklären Uwe Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Cosmo Consult Holding und Volker Schinkel, Geschäftsführer bei der Modula Gesellschaft für digitale Transformation mbH, in einem Interview.
Das Zusammenspiel zwischen Konstruktion/Entwicklung und der Fertigung wird seit Jahren optimiert, dies lässt sich im Vorhandensein vielfältiger CAD-Schnittstellen zu ERP-Systemen erkennen. „Allerdings sind die weitläufigen prozessbezogenen Herausforderungen, wie z.B. im PLM-Kontext die frühzeitige Bestellung von Langläufern über den zentralen Einkauf oder die Parallelität von Konstruktion und Fertigung, sog. „wachsende Stücklisten“ häufig weniger digitalisiert.“, räumt Volker Schinkel ein.
Der Digitalisierungsansatz von Modula, so Schinkel, umfasse insbesondere auch in der Branche Maschinen- und Anlagenbau diese Anforderungen und beziehe automatisch auch die integrierte CAQ-Lösung für die Erstellung von QS-Plänen mit ein: „So können die Unternehmensprozesse vernetzt und konsequent digital ablaufen – auch über die in der Branche üblichen Konstruktionsänderungen hinweg.“
Darüber hinaus sei bei Modula der Einsatz von KI-Technologien im Spannungsfeld Konstruktion/Entwicklung und Fertigung besonders wichtig, so Schinkel weiter: „Mittels KI gelingt uns ein entscheidender Vorsprung bezogen auf automatisierte Vergleiche von Stamm- und Bewegungsdaten.“
So liefere der „Modula Cognitive Data Scientist“ wissensbasierte und automatisierte Vergleiche von Fertigungs-Ist-Daten zu Stücklisten-Plandaten. „Diese Ergebnisse zeigen in vielfältiger Weise Optimierungspotentiale für mittelständische Unternehmen auf: Aktualität, Korrektheit von Plandaten, Verhältnismäßigkeiten und Anomalien von Materialeinsatz in bestimmten Teilegruppen bis hin zur Erkennung von Dubletten in Artikelstammdaten mittels semantischer Analyse“, betont Schinkel.
Dies alles ermögliche eine permanente Pflege, der über die Jahre des ERP-Betriebs im Mittelstand immer umfassender werdenden Artikel- und Stücklisten-Stammdaten. Auch beeinflusse es nachhaltig die Qualität und Aussagekraft von essenziellen Prozessen, wie z.B. der Vorkalkulation und Fertigungsplanung bis hin zur Ein- und Auslaufsteuerung.
„Die Integration von Konstruktion und Fertigung ist für viele Unternehmen ein sehr wichtiger Aspekt“, stimmt Bergmann zu und bemüht dazu ein Beispiel: „In der Konstruktion wird ein Bauteil gezeichnet und die fertige Zeichnung nach der Prüfung an die Arbeitsvorbereitung weitergegeben. Diese leitet daraus eine Stückliste und einen Arbeitsplan ab.“
Dieser Vorgang werde vor allem im Mittelstand häufig noch manuell durchgeführt, so die Erfahrung von Bergmann. „Eine elegante Brücke bedeutet, dass beide Welten so integriert sind, dass automatisch aus einer Zeichnung eine Stückliste abgeleitet wird und dass auch das folgende Änderungswesen automatisiert wird. Dabei arbeitet die Konstruktion weiterhin in der technischen Welt – dem CAD bzw. PDM-System – und die Fertigung im dem ERP. Die Integration ist rein digital und verbindet beide Welten, ohne dass der Anwender es merkt.“
Aus dieser Brückenfunktionalität erwachsen den Anwenderunternehmen Vorteile. Für Schinkel ergibt sich mittels der genannten Ansätze und Technologien eine Vielzahl davon: „Sie schließen ‚digitale Lücken‘, eliminieren Fehlerquellen und ganz wesentliche Informationsverluste. Darüber hinaus wird die mitunter langsam voranschreitende Digitalisierung im produzierenden Mittelstand zum Beispiel durch vorgefertigten Branchenlösungen aus unserem Haus sowie die digitalen KI-CoWorker deutlich beschleunigt.“
„Die Vorteile für Anwendungsunternehmen liegen ganz klar in der Prozesssicherheit“, stellt Bergmann heraus. „Konkret bedeutet das, die Vermeidung von Eingabefehlern, ein deutlich schnellerer Produktentstehungsprozess, ein verbesserter Informationsfluss und ein schnelleres Reagieren auf evtl. Fehler. In Summe spart eine solche ‚Brücke‘ dem Unternehmen viel Zeit und Geld.“
Zusammenspiel von ERP und MES
Um die Automatisierung in produzierenden Unternehmen durchgängig zu gestalten, gilt es Lösungsbereiche wie ERP und MES optimal zu verbinden. Dabei fällt auch dem Thema „zentrale Datenhaltung“ eine wichtige Rolle zu. Für Schinkel ist das Grundprinzip von Modula das Angebot mittelstandsgerechter Lösungen vom Shopfloor über die Fertigungsleitebene bis hin zur Unternehmensleitebene im Sinne der Automatisierungspyramide. „So verwundert es nicht, dass in der ‚Modula Business Plattform‘ ERP und MES by Design im Standard enthalten und fest miteinander vernetzt sind“, erläutert der Modula-Manager. „Dies erklärt sich sehr anschaulich über unsere Branchenpakete“, so Schinkel weiter. „So werden z.B. in unserer Automotive-Lösung für die mittelständischen Unternehmen mit Serienfertigungsprozessen in Metall-, Kunststoffverarbeitung oder Elektronikkomponenten durchgängig MES-Lösungen mit Maschinendatenintegration, Fertigungsleiständen, Shopfloor-Komponenten mit mobilen KANBAN-Lösungen, etc. benötigt.“
Die „Modula Business Plattform“ vernetze, so Schinkel weiter, ERP und MES über eine gemeinsame Oberfläche und Prozessbasis, jedoch haben beide Domänen spezifische Datenhaltungsanforderungen, die jeweils spezialisiert abgedeckt werden: „Als Beispiel lassen sich hierfür KI-Funktionalitäten nennen, die jenseits der klassischen relationalen Datenbanken unstrukturierte Daten und NoSQL-Datenbanken verwenden. Auch diese werden auf unserer Datenschicht spezialisiert gehalten, jedoch zentral verwaltet.“
„Das ERP ist primär ein kaufmännisches System, während sich ein MES durch die direkte Anbindung an die Systeme der Prozessautomatisierung auszeichnet und somit die Steuerung und Kontrolle der Produktion in Echtzeit ermöglicht“, gibt Bergmann zu Protokoll. „Die Systeme sind hierarchisch aufgebaut und bedingen einander. Im ERP entstehen die Basisdaten für Produktionsaufträge und Bedarfsinformationen, während das MES Zeiten, Verbräuche und Produktionsdaten liefert, die wiederum im ERP benötigt werden. Also müssen beide Systeme eng miteinander verzahnt sein, um optimalen Nutzen zu bringen.“ In der Praxis erfolge die Kommunikation über proprietäre Schnittstellen und beide Systeme verfügen über eine eigene Datenbasis. „Wenn nun beide Systeme die gleiche Datenbasis hätten, wäre das ein enormer Gewinn und würde die Schnittstellen deutlich vereinfachen bzw. ganz ersetzen“, gesteht Bergmann ein. „Darum spielt aus meiner Sicht eine zentrale Datenhaltung eine sehr große Rolle, um beide Systeme zu verbinden.“
Rainer Huttenloher