Eine neue Variante des Cloud-Computings eröffnet umfassende Möglichkeiten: die Distributed Multicloud. Sie erlaubt eine flexiblere Nutzung und steigert die Leistungsfähigkeit der IT.

Cloud-Computing wird zunehmend das Standardmodell für IT-Services in Unternehmen. Acht von zehn nutzen sie laut KPMG Cloud-Monitor, viele davon als sogenannte Multicloud. Dabei sind die Services auf mehrere Cloud-Anbieter verteilt, um jeweils spezifische Vorteile und Technologien nutzen zu können.

Viele Unternehmen nutzen verteilte Umgebungen, bei denen einzelne Module auf unterschiedliche Clouds betrieben werden. Ein typisches Beispiel sind API-Zugriffe auf Datenprovider, die beispielsweise Verkehrsdaten, Wirtschaftsinformationen oder einfach nur das aktuelle Wetter der Region anbieten.

Distributed Multicloud: Fehlertoleranz und Skalierbarkeit

Die Lösung ist eine Distributed Multicloud. Sie senkt die Latenzen, da immer eine optimale Cloud-Region gewählt werden kann – unabhängig vom Anbieter. Dadurch umgehen Unternehmen Restriktionen, welche bisher Servies für einen Umzug in die Cloud disqualifiziert haben. Ein weiterer Vorteil von verteilten Infrastrukturen: Sie sind fehlertolerant und besitzen eine höhere Verfügbarkeit. Arbeitslasten können leichter verlagert werden, wenn eine Ressource ausfällt.

Ein weiterer Vorteil betrifft die Gesamtleistung der IT. Unterschiedliche Cloudprovider haben verschiedene Leistungsprofile. Durch geschickten Einsatz des jeweils optimalen Providers kann die IT-Infrastruktur insgesamt deutlich leistungsfähiger werden. Unternehmen können damit ihre Anwendungen optimieren und ihre IT-Ressourcen insgesamt besser skalieren.

Ein gutes Beispiel ist die Softwareentwicklung: wenn ein Unternehmen seine Produktivsysteme aus Compliance-Gründen im eigenen Datacenter hosted, seine Entwicklungsumgebungen aber auf Public Clouds betreibt, so können zusätzliche Ressourcen für Entwicklung und Test problemlos hinzugefügt oder bei nicht-Bedarf heruntergefahren und „geparkt“ werden. Sie „stehlen“ den sonstigen produktiven Anwendungen keine Leistung und die On-Premises-IT muss dafür keine Compute-Ressourcen vorhalten. Die Softwareentwicklung wird jetzt unabhängig von anderen Bereichen der IT beliebig skaliert.

Zusätzliches Potenzial für die IT-Infrastruktur

Hierdurch entstehen allerdings neue Herausforderungen für die Verwaltung der Anwendungen und der gesamten IT-Infrastruktur. Bisher geschah die Datenverwaltung hauptsächlich zentral auf einer einzigen Cloud-Plattform. Sie war eine Universal Cloud und beherbergte damit die gesamte cloudbasierte IT-Infrastruktur eines Unternehmens.

Das neue Szenario der Distributed Multicloud steigert die Komplexität. Daten werden jetzt an unterschiedlichen Stellen gesammelt, zwischengespeichert und verarbeitet. Oft erreichen sie erst zeitverzögert eine Cloud-Anwendung, da Computer vor Ort sie zwischenspeichern. Dieses Prinzip heißt Edge Computing und bringt Computerleistung in die Nähe des Unternehmensnetzwerkes oder der eigentlichen Applikation.

Es ist ein weiteres Mittel zur Lösung von Latenz-Problemen und für die begrenzte Bandbreite von Netzverbindungen. Denn einige industrielle Anwendungen erzeugen große Datenmengen in Echtzeit, sodass eine lokale Verarbeitung sinnvoller ist. Edge Computing gehört ebenfalls zur Multicloud, da sich auch in der Edge der Einsatz von Cloudtechnologien als sinnvoll erwiesen hat.

Nahtlose Integration von Edge und Cloud

Einige Hyperscaler haben diesen Trend aufgenommen und bieten inzwischen eine sogenannte Edge-Cloud an. Dabei handelt es sich um lokale Appliances als Verlängerung der Cloud. Sie erhöhen die Arbeitsgeschwindigkeit und Verfügbarkeit der Cloud-Services an herausfordernden Lokationen. Dafür nutzen sie bestimmte Cloudtechnologien lokal, wobei sich Cloud Servies auf den Edge-Devices nahtlos in die Gesamtarchitektur der distributed Cloud einfügen.

Die Distributed Multicloud bietet die Flexibilität, jede beliebige Anwendung in der dafür am besten geeigneten Cloud zu betreiben. Diese Nutzung von Cloudtechnologien vor Ort verteilt den gesamten Computing Stack auf die Standorte, in denen er benötigt wird. Doch die Nutzer dieser verteilten Infrastruktur sehen lediglich eine einzige Cloud mit einer einheitlichen Steuerungsebene. Sie ermöglicht die Verwaltung der Cloud aus einem Guss, ohne dass gleich wieder eine zentralisierte Silostruktur entsteht.

Ein weiterer Vorteil ist die Compliance: Unternehmen müssen ihre Daten nicht außerhalb der rechtlichen Grenzen der Europäischen Union speichern und verarbeiten. Mit der Distributed Multicloud können sie datenschutzkritische und unkritische Anwendungen trennen. Das Prinzip ist einfach: alle Anwendungen, die Personendaten verarbeiten, werden ausschließlich an Standorten innerhalb der Europäischen Union betrieben.

Der Multicloud-Würfel: Die dezentrale Cloud verstehen

Dadurch wird eine einheitliche Verwaltung dieser komplexen Struktur wichtig. Nutzer greifen mit verschiedenen Geräten auf die Infrastruktur zu, ihre Standorte und damit auch die Adressen der Zukunft verändern sich. Unternehmen benötigen also eine einfache Art der Analyse und Verwaltung der Distributed Multicloud. Dafür eignet sich der sogenannten Multicloud-Würfel. Mit ihm können Unternehmen komplexe Multicloud-Umgebungen und ihre Abhängigkeiten untereinander besser darstellen.

Die einzelnen Cloudservices werden in drei Dimensionen angeordnet, sodass sich in einer grafischen Darstellung ein 3D-Koordinatensystem mit den drei Achsen X, Y und Z ergibt. Der Ausgangspunkt ist wie gewohnt unten links. Die X-Achse enthält die verschiedenen Anbieter, Y-Achse die unterschiedlichen Workloads (etwa Infrastrukturservices) und die Z Achse die Orte der verschiedenen Services, etwa die Cloud, die Edge, der Endpunkt oder ein eigenes Rechenzentrum.

Mit dem Modell des Multicloud-Würfels lassen sich Zusammenhänge in dezentralen Cloud-Anwendungen besser verstehen, abbilden und verwalten. Bedarf gibt es heute bereits in der Logistik, der Medizintechnik, der Produktion, dem Maschinenbau und auch im Einzelhandel. Von Bedeutung ist das Modell vor allem für alle Arten von Anwendungen, die ein gewisses Maß an Koplexität mitbringen und Echtzeitverarbeitung erfordern. Unternehmen können damit ihre IT-Architektur der Distributed Multicloud besser erfassen.

Silvio Kleesattel ist Technology Lead und Helmut Weiss Enterprise Cloud Architect bei Skaylink.

Skaylink