Am 11.05.2023 hat sich der Vermittlungsausschuss aus Bundestag und Bundesrat schlussendlich auf die endgültige Fassung des EU-getriebenen Hinweisgeberschutzgesetzes geeinigt.

Die wichtigsten Ziele des neuen Gesetzes sind der Schutz der Rechte für alle hinweisgebenden Personen, deren Vertrauensschutz durch diskrete Behandlung der Identität und der abgegebenen Meldung, das Verbot von ungerechtfertigter Benachteiligung (im Sinne eines erweiterten Maßregelungsverbots) des Hinweisgebers, die Einrichtung von Meldestellen, und die Vermeidung von Haftungsansprüchen und Imageschäden von Unternehmen und Behörden.

Berechtigte: Wer fällt unter den Schutz des Hinweisgeberschutzgesetzes?
Der Anwendungsbereich ist weit und umfasst alle beschäftigten Personen, die potenziell Kenntnis von einem Verstoß in ihrem beruflichen Umfeld erlangt haben können.

Verpflichtete: Wer muss den Schutz gewährleisten?
Das Gesetz wendet sich an „Beschäftigungsgeber“. Dies sind, sofern mindestens eine Person bei ihnen beschäftigt ist, (1) natürliche Personen sowie juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, (2) rechtsfähige Personengesellschaften und (3) sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen.

Welche Rechte hat der Betriebsrat?
Dem Betriebsrat stehen bei der Einführung der Meldestelle Mitbestimmungsrechte zu, insbesondere wenn hierdurch arbeitsvertragliche Hinweispflichten erweitert oder Regelungen bzgl. des konkreten Meldeverfahrens eingeführt werden.

Welche Meldestelle ist zuständig?
Die hinweisgebende Person ist angehalten, einen Verstoß grundsätzlich primär bei der internen Meldestelle anzuzeigen, bevor sie sich an die als zuständige Behörde wendet (externe Meldung). Von grundlegender Bedeutung sind die Vorgaben zur Vertraulichkeit, die für beide Meldewege gleichermaßen gelten.

Können Meldungen auch anonym erfolgen?
Anders als in der ursprünglichen Fassung sind externe und interne Meldestellen nicht mehr dazu verpflichtet, Meldekanäle so zu gestalten, dass auch anonyme Meldungen abgegeben werden, jedoch stehen die Beschäftigungsgeber weiterhin in der Verpflichtung, dass die Meldestellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten, was wiederum im Ergebnis doch in aller Regel technische und organisatorische Vorkehrungen und Einrichtungen erfordern wird.

Welche Verstöße können im Rahmen des Hinweisgeberschutzgesetzes gemeldet werden?
Die Antwort auf die berechtigte Frage, was denn nun überhaupt zunächst einmal ein „Verstoß“ im Sinne des neuen Gesetzes sein kann, hat leider viele – Facetten, worunter zwangsläufig die Übersichtlichkeit und der sachliche Überblick leiden. Wir versuchen uns trotzdem an einer transparenten Erläuterung, indem wir uns auf die gängigsten Anwendungsbereiche beschränken:

  • Erheblichkeit liegt immer vor, wenn es sich um Straftatbestände handelt, die gemeldet werden.
  • Ebenso, wenn eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, die bußgeldbewehrt ist, und die verletzte Vorschrift dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter, nämlich Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient.
  • Es genügt, dass die Regelung nicht unbedingt direkt bezweckt, sondern lediglich dazu beiträgt, den Schutz der Rechtsgüter und Rechte zu gewährleisten.
  • Gemeint sind ferner Bußgeldvorschriften, mit denen Verstöße gegen Rechte der Organe sanktioniert werden, die die Interessen von Beschäftigten vertreten.
  • Hierzu zählen insbesondere solche Bußgeldvorschriften, die Verstöße gegen Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie Betriebsräten oder Wirtschaftsausschüssen sanktionieren.
  • Ferner geht es um Vorschriften zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung, insbesondere das Geldwäschegesetz, das Kreditwesengesetz oder die Angaben bei Geldtransfers.
  • Angesprochen ist des Weiteren die Produktsicherheit und Produktkonformität nach EU-Rechtsvorschriften, insbesondere hinsichtlich der Marktüberwachung und der Konformität von Produkten und deren allgemeine Produktsicherheit.

Welche Sanktions- und Haftungsfolgen drohen dem Beschäftigungsgeber?
Im Falle der unwiderlegten Benachteiligung infolge der Meldung oder Offenlegung eines Verstoßes hat die hinweisgebende Person Anspruch auf Ersatz des aus einem Verstoß gegen das Verbot entstehenden Schadens. Auch zukünftige finanzielle Einbußen werden umfasst. Darüber hinaus können Ansprüche auf Schmerzensgeld oder eine Entschädigung in Geld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestehen. Verursacher wird in der Regel der Beschäftigungsgeber sein. Allerdings schützt das Hinweisgeberschutzgesetz auch bspw. Selbstständige, Organmitglieder und Freiwillige, die ebenfalls einen Schadensersatzanspruch geltend machen können.

Der Bußgeldrahmen beträgt – je nach Zuwiderhandlung – bis zu 50.000 EUR. Bei besonderer Schwere oder Wiederholung der einschlägigen Verfehlungen kann sich die Höchstgrenze für Geldbußen allerdings nochmals deutlich erhöhen. Es soll vermieden werden, dass betroffene Unternehmen eine Geldbuße mangels abschreckender Höhe in Kauf nehmen. Denn Fälle in der Vergangenheit haben gezeigt, dass unter Umständen ein großes Interesse daran bestehen kann, hinweisgebende Personen von einer Meldung oder Offenlegung abzuhalten, vor allem wenn die Unternehmensleitung oder ganze Bereiche eines Unternehmens in systematische Verstöße verwickelt sind. Repressalien zur Verhinderung von Meldungen mit Blick auf Umsatzeinbußen oder auf Schadensersatzforderungen ist wirksam durch Abschreckung bei der Bußgeldhöhe zu begegnen.

Simone Seidel ist Geschäftsführerin der e|s|b data gmbh.

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