Innovative Technologien und kaufmännische Software – was früher nicht zusammenpasste, kommt mittlerweile in der Praxis an. Der kaufmännische Bereich erfindet sich neu und nimmt Technologien wie die Künstliche Intelligenz (KI) in den Fokus. Im Interview mit dem Midrange Magazin (MM) bezieht Martin Rückert, CAIO – also Chief Artificial Intelligence Officer – bei der Diamant Software GmbH, Stellung zum Thema: „KI im Rechnungswesen“.

MM: Was ist heute schon im Rechnungswesen bzw. Controlling mit KI machbar?
Rückert: Man muss da zwischen Lösungen unterscheiden: zum einen die auf maschinellem Lernen oder zum anderen auf Regeln bzw. Symbolik basieren. Wir bei Diamant Software haben schon seit einiger Zeit regelbasierte KI im Einsatz, um unseren Anwendern die tägliche Arbeit zu erleichtern. Aktuell ergänzen wir vor allem die Funktionen um mit maschinellem Lernen trainierte Versionen, die eine besonders große Zeiteinsparung bewirken, z. B. im Bereich der Belegverarbeitung bis hin zur Vorkontierung.

MM: Welche Vorteile bringt das mit sich?
Rückert: Damit wird die mühselige Arbeit des Regelerstellens abgekürzt – die Maschine lernt vom Anwender und tut es ihm gleich, wie ein eifriger Schüler. Außerdem arbeiten wir daran, Nutzern mit wenig Hintergrundwissen im Rechnungswesen und Controlling die einfache Interaktion mit unserer Software über natürliche Sprache zu ermöglichen. Damit gelangen die wertvollen Informationen direkt und ohne Umwege zum Mitarbeitenden, ganz ohne Schulungsaufwände und sogar mobil nutzbar. So hilft KI wesentlich bei faktengetriebenen Entscheidungen und bringt mehr Transparenz. Gerade dafür erstellen wir momentan auch Funktionen für das Berichtswesen, wie z. B. die Vorhersage von Trends bei wichtigen betrieblichen Faktoren wie der zukünftigen Liquidität.

MM: Welche Einsatzbereiche bieten sich für den KI-Einsatz besonders an?
Rückert: KI bringt letztlich für Nutzer unserer Software „Diamant“ Arbeitserleichterungen. Das hilft immer, wenn es um große Mengen an Aufgaben geht, die eigentlich nicht besonders kompliziert für einen Menschen sind, aber trotzdem viel Zeit in Anspruch nehmen. Das ist wie gesagt vor allem in der Verarbeitung von Belegen, aber auch bei der Verwaltung von Offene Posten und Kontoauszügen der Fall. KI auf Basis von maschinellem Lernen ist auch sehr gut geeignet, um mit großen Mengen an Daten komplizierte und nicht-lineare Berechnungen durchzuführen. Davon profitiert jede Form der Datenanalyse, sowohl retrospektivisch als auch vorausschauender Natur. Neue Berechnungsmodelle erzielen hier teils verblüffende Steigerungen in der Genauigkeit.

MM: Welche Aufgaben kann eine Software „besser“ übernehmen als der Mitarbeiter im Rechnungswesen?
Rückert: Software ist letztlich ein Werkzeug, das dem Menschen dienen soll. Wir alle im Rechnungswesen wissen sicher spontan, was man gerne einem „Roboter“ überlassen würde und wo man gerne selbst Hand anlegt. KI-Methoden sind grundsätzlich danach auszuwählen, wie einfach ein Problem durch ein mathematisches Modell beschrieben werden kann. Ist das Problem sehr einfach durch wenige Parameter beschreibbar, was bei den meisten regelbasierten Problemen wie z. B. der Entscheidung, ob eine Zeichenfolge eine IBAN repräsentiert, der Fall ist, dann kann mit diesem regelbasierten Ansatz eine Maschine viel schneller entscheiden, ob in diesem Fall die IBAN richtig oder falsch ist.

MM: Aber wie sieht es bei komplexeren Aufgaben aus?
Rückert: KI kann auch in sehr komplexen Problemen Arbeit abnehmen, etwa dann, wenn es sehr viele Daten für ein Problem zu analysieren gilt. Derartige Aufgaben sind meistens zu kompliziert, um sie mit einer Regel beschreiben zu können. Dagegen ist eine Maschine durch ihre Fähigkeit große Mengen an Berechnungen durchzuführen gegenüber dem Menschen im Vorteil. Das heißt aber nicht, dass die Maschine „besser“ ist als ein Mensch, nur dass sie schneller rechnen kann. Das hilft nur, wenn man für diese Berechnung auch Daten hat, von denen der Computer lernen kann. Wenn es sich um Probleme handelt, die selten vorkommen, und für die wenig Trainingsdaten vorliegen, ist der Mensch durch sein viel größeres Weltwissen und die Fähigkeit zur Problemabstraktion wesentlich im Vorteil.

MM: Können Sie dazu ein Beispiel nennen?
Rückert: Ja, ein guter Kunde zahlt eine Rechnung nicht pünktlich. Wenn dieser Vorgang nicht mit den im Rechnungswesen gespeicherten Daten und Vorgängen erklärt werden kann, wird eine Maschine sich sicherlich nicht optimal entscheiden, weil sie nur auf das Wissen im Rechnungswesen zugreifen kann. Dass der Kunde gegebenenfalls angerufen hat und zusätzliche Informationen zu diesem Vorgang geliefert hat, „weiß“ die Maschine schlicht nicht, der Mensch aber schon.

Quelle: Diamant Software GmbH

Hier geht es zur Studie „Wer wollen wir sein? Der kaufmännische Bereich erfindet sich neu“: Automatisierungen sind Alltag im Rechnungswesen und Controlling, der Einzug von künstlicher Intelligenz steht kurz bevor. Was verändert sich konkret für Abteilungen und einzelne Rollen? Wie arbeiten Sie in Zukunft? Diese und weitere Fragen untersucht eine aktuelle Studie.

MM: Welche Vorteile lassen sich dank eines KI-Einsatzes bereits heute realisieren?
Rückert: Wir bei Diamant Software sehen den Einsatz von KI unter anderem in der Realisierung des Versprechens, das Rechnungswesen intelligenter zu machen und damit weniger mühselig. Ich möchte als Anwender nicht ständig die immer gleichen Eingaben machen müssen, wenn die Software mir das abnehmen kann und ich sicher sein kann, dass ich am Ende die Kontrolle behalte. Schnelle, automatische Vorkontierung ist da nur ein Beispiel von Vielen. Außerdem hat die Softwareindustrie schon viel zu lange das Versprechen nicht eingelöst, dass das Controlling zum Businesspartner im Unternehmen werden wird. Wie schon gesagt: Wenn Nicht-Controller ohne tiefes Hintergrundwissen wichtige, aktuelle Informationen zum finanziellen Geschäftsgeschehen erhalten, hilft das Unternehmen die finanzielle Lage besser im Blick zu behalten und dadurch auch in schwierigen Zeiten besser aufgestellt zu sein. KI verhilft mit mehr Fakten zu besseren Entscheidungen.

MM: Wie schätzen Sie die Wichtigkeit der Nachvollziehbarkeit der Empfehlungen oder Entscheidungen von KI ein?
Rückert: Sehr hoch! Wir sehen schon bei unseren existierenden Funktionen, dass selbst einfache, regelbasierte Funktionen häufig trotzdem nochmal „zur Sicherheit“ manuell kontrolliert werden. Klar, es geht ums Geld, da möchte man eher mehr Nachvollziehbarkeit als weniger. Deswegen arbeiten wir gerade im Bereich des Berichtswesens und der Vorhersage von zukünftigen Zahlen wie der Liquidität an neuen Modellen, die eine Prognose des Computers leicht verständlich erläutern.

MM: Welche Auswirkungen wird der KI-Einsatz für die aktuelle Generation an Controllern nach sich ziehen?
Rückert: Das Controlling wird viel dichter an das Business heranrücken, Analysen und Prognosen werden intensiver genutzt und auch nachgefragt. Da kommt viel Arbeit auf das Controlling zu. Auch dabei helfen wir, indem wir häufig wiederkehrende Aufgaben und Abfragen ohne viel Bedienungswissen direkt durch die „Anfragenden“ erledigbar machen. Das geht besonders gut mit Assistenten, denen man eine ganz normal formulierte Frage stellen kann. Der Assistent versteht die Anfrage und interpretiert sie, sieht dann im Diamant System nach und liefert eine einfache Antwort. Dadurch wird zum einen viel Arbeit von den Schultern des Controllings genommen und zum anderen eventuelle Wartezeiten wesentlich reduziert.

MM: Was sind für Sie die Kernaussagen der Studie „Wer wollen wir sein? Der kaufmännische Bereich erfindet sich neu„, die von Diamant Software erhoben wurde?
Rückert: Ich habe mich sehr gefreut zu sehen, dass unsere Anwender jetzt endlich Ergebnisse aus dem Bereich der lange angekündigten KI sehen wollen, denn das ist genau das was unser Kompetenzzentrum KI bei Diamant Software liefert. Die Vorfreude unserer Kunden ist also groß – sonst wäre meine Arbeit viel schwieriger. Lange überfällig, aber das ist schon fast ein offenes Geheimnis, wünschen sich die Anwender zeitgemäßere Werkzeuge zur Analyse der Rechnungswesendaten. Lange schon wurde von der Softwareindustrie die fantastischen Möglichkeiten von „Big-Data“ proklamiert, jetzt müssen hier Ergebnisse in Form von praktisch einsetzbaren Analysen kommen, die auch unternehmensexterne Daten mit einbeziehen können. Auch hier werden wir substantiell liefern.

Rainer Huttenloher

Diamant Software GmbH