Bei der sinnvollen Nutzung von Daten ist für viele Unternehmen noch viel Luft nach oben: Data Analytics hilft dabei, Probleme zu lösen, fundierte Entscheidungen zu treffen und agiler auf dynamische Umstände zu reagieren. Künftig könnte KI-Technologie wie ChatGPT die Nutzung durch natürlich-sprachliche Anfragen weiter vereinfachen, berichtet Max Heppel, Business Development Manager Data & AI bei der COSMO CONSULT Gruppe im Interview mit Midrange Mail (MM).

MM: Ist es mittlerweile Standard, dass Unternehmen ihre Daten nutzen, um bessere Entscheidungen zu treffen?
Heppel: Es gibt insbesondere im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen noch Nachholbedarf, die das Thema Data Analytics bisher oft nicht strukturiert angegangen sind. In der Praxis sehen wir häufig, dass KMU nicht wissen, was sie mit Data Analytics anfangen sollen und welche Potenziale darin liegen. Es gilt daher, erst einmal ein gemeinsames Konzept zu erarbeiten, wie sich viele der täglichen Probleme und Informationslücken mit dieser Technologie überwinden lassen. Das bezieht sich auf sämtliche Unternehmensbereiche, etwa die Disposition, die Produktion oder die Einkaufsplanung: Die Optimierungspotenziale durch eine bessere Datenanalytik sind oft erheblich.

Quelle: COSMO CONSULT Data & Analytics GmbH

Max Heppel ist Business Development Manager Data & AI bei der COSMO CONSULT Gruppe.

MM: Welchen Handlungsdruck sehen Sie für Unternehmen, sich mehr mit Daten und Analysewerkzeugen zu beschäftigen?
Heppel: In den meisten Unternehmen gibt es einzelne Mitarbeiter, die über sehr wertvolles und gleichzeitig exklusives Wissen verfügen, das über viele Jahre und Jahrzehnte aufgebaut wurde. Besonders häufig ist das zum Beispiel bei Produktionsleitern oder Disponenten im Einkauf der Fall. Wenn die Person das Unternehmen verlässt, kann viel Know-how verlorengehen. Diese Problematik wird in den nächsten Jahren, wenn die Boomer-Generation in Rente geht, viele Unternehmen betreffen. Daher wird es überlebenswichtig, dieses Wissen zu digitalisieren. Data Analytics ist ein zentrales Werkzeug, um diese Art von Wissen aufzudecken und im Unternehmen zu behalten – damit es auch anderen Mitarbeitenden hilft, auf Basis der digitalisierten Erfahrungsdaten die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dafür brauchen die Unternehmen jedoch eine Strategie, wie die Transition zu einer datengetriebenen Organisation gelingt – und vor allem, wie die Mitarbeitenden auf diesem Weg mitgenommen werden können.

MM: Wo liegen hier die größten Hürden?
Heppel: Bisher arbeiten viele Unternehmen mit Insellösungen für die Datenanalysen. Es sind auch immer noch mächtige, über Jahre gewachsene Excel-Datenlandschaften im Einsatz. Gerade wenn Mitarbeitende gehen, die diese Eigenkreationen gepflegt haben, entstehen Probleme bei der Nachvollziehbarkeit. Zunächst muss also technologisch ein anderer Stand erreicht werden. Ganz wichtig ist auch das Mindset der Beschäftigten: Sie konsumieren ja nicht nur die Ergebnisse der Datenanalytik, sondern sind ganz entscheidend dafür verantwortlich, welche Aussagequalität sich erreichen lässt. Die Erfahrung aus unseren Projekten zeigt: Viele Daten, die man eigentlich dringend bräuchte, wurden nicht erfasst – entweder, weil die Prozesse fehlten oder keine Guidelines bezüglich der Art und Weise vorhanden waren, in welcher Qualität die Daten erfasst werden sollten. Es ist wichtig, dass die Menschen im Unternehmen den konkreten Nutzen von gut gepflegten Daten und Analyse-Werkzeugen sehen.

MM: Welche Rolle spielen Kennzahlen, die über Abteilungsgrenzen hinweg standardisiert sind, und die „single source of truth“? Welchen Einfluss haben sie auf fundierte Business-Entscheidungen und eine agilere Reaktion zum Beispiel auf veränderte Marktbedingungen?
Heppel: Einzelne Bereiche wie Marketing, Finance und Controlling, Vertrieb oder Lager arbeiten häufig mit verschiedenen Tools, die jeweils auf eigenen Datensilos aufsetzen. Diese Silos sind meist nicht miteinander verknüpft. Deshalb gibt es Probleme mit der Validität und Verlässlichkeit von Informationen: Wenn dezentral mit verschiedenen Datentöpfen und Excel-Listen gearbeitet wird, ist das Management regelmäßig mit widersprüchlichen Zahlen konfrontiert. Oft werden die Kennzahlen zudem in den einzelnen Unternehmensbereichen unterschiedlich definiert. Die uneinheitlichen oder unterschiedlich verstandenen Kennzahlen führen häufig zu Verzerrungen. Insbesondere für Unternehmen mit verteilten Standorten oder vielen Geschäftsfeldern reichen dezentrale BI-Ansätze für eine agile Steuerung nicht mehr aus. Angesichts einer zunehmenden Dynamik hilft BI zudem dabei, frühzeitig Trends zu erkennen. Um echte Vergleichbarkeit im Unternehmen zu erreichen, ist das Datenmanagement auf einer zentralen Cloud-Plattform eine wichtige technologische Voraussetzung.

MM: Was sollten Unternehmen bei ihrer Datenstrategie besonders beachten?
Heppel: Erfolgsentscheidend ist vor allem eine bewusst passend zu den individuellen Geschäftszielen und der jeweiligen Vision gewählte Datenstrategie. Sie sollte nicht von der Technologieauswahl, sondern vom Business Value her getrieben sein. Daraus lässt sich dann ableiten, welche Daten benötigt werden, welche Rahmenbedingungen für Data Governance getroffen werden müssen und wie die Plattform aussehen sollte.

MM: Wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen BI und KI? Wie wird sich das Verhältnis der beiden Disziplinen künftig entwickeln?
Heppel: Unter Business Intelligence wird vor allem die Visualisierung der Daten aus der Vergangenheit verstanden, in der Regel auf Basis von Dashboards oder Reports. KI beschäftigt sich neben der Imitation von menschlichen kognitiven Fähigkeiten, also der Bild- und Spracherkennung, vor allem mit Prognosen und Optimierungen. Allerdings wird es mehr Reports geben, in die KI eingebracht wird, zum Beispiel dort, wo es nicht nur um Vergangenheitsdaten, sondern um Zukunftsprognosen geht. Die Grenze verschwimmt perspektivisch vor allem darin, dass Anwender und Anwenderinnen von BI bei der Datenauswertung durch KI-Technologie unterstützt werden. Beispielsweise können Mitarbeitende dann in natürlicher Sprache Ad-Hoc-Analysen anfragen, auch ohne SQL-Kenntnisse oder Erfahrung mit BI-Tools. Die KI setzt die Anfrage automatisch in Code um. Das könnte perspektivisch zu einer Demokratisierung der Datennutzung über das gesamte Unternehmen und alle Mitarbeitenden hinweg führen.

MM: Sie spielen auf KI-Bots wie ChatGPT an? Wie sollten Unternehmen mit dieser Technologie umgehen?
Heppel: ChatGPT gehört als KI-Technologie rund um Spracherkennung und -verständnis zu den Cognitive Analytics und ordnet sich damit bei Data Analytics ein. Derzeit ist es natürlich ein großes Hype-Thema: Unternehmen müssen jedoch erst einmal identifizieren, wie sie diese Technologie überhaupt mit Mehrwert nutzen können. Die Aufgabe lautet jetzt einerseits Wissen aufzubauen, wie sich die Technologie implementieren lässt. Andererseits müssen konkrete Use Cases definiert werden. ChatGPT einfach nur einzuführen und auszuprobieren reicht dafür nicht aus.

MM: Welchen Einfluss könnte ChatGPT aus Ihrer Sicht auf das Thema Data Analytics haben und welche Anwendungsszenarien sehen Sie?
Heppel: Ein Szenario sind die beschriebenen BI-Abfragen in natürlicher Sprache. Ein anderer Use Case wäre beispielsweise in einer Datenbank mit sehr vielen unstrukturierten Daten – wie es etwa im Reklamationsmanagement oft der Fall ist – eine KI aus diesen Daten lernen zu lassen. Zwar sind Beschwerden häufig als Kundenmail oder Sprachdatei dokumentiert und liegen in einem riesigen Pool vor. Allerdings werden diese Daten noch nicht ausreichend genutzt. Das könnte sich jetzt ändern, sodass der KI-Bot wertvolle Hinweise gibt, wie mit einer Kundenreklamation am besten umgegangen werden kann. Solche Bots können in Zukunft auch Antworten aus den Unternehmenssystemen zusammentragen, um Entscheidungen besser mit Fakten aus komplexen Daten-Pools zu untermauern. (rhh)

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