Der Report von ADP People at Work 2022 verdeutlicht, wie Arbeitnehmer in Deutschland denken: Obwohl die Arbeitnehmer im Großen und Ganzen zufrieden (87 Prozent) und optimistisch (82 Prozent) sind, hinkt Deutschland in einigen Bereichen anderen Ländern hinterher. Dazu gehört mangelnde Wertschätzung bei der Bezahlung, Flexibilität bei Arbeitsmodellen, aber auch die Ausgestaltung von Diversität.
Die Beschäftigten erwarten, dass sie für ihre Arbeit und Mehrarbeit angemessen honoriert werden und sich die Unternehmen den Lebensrealitäten anpassen – und nicht umgekehrt. Im Durchschnitt arbeiten die Deutschen fast 10 Stunden in der Woche unentgeltlich und sind damit Spitzenreiter in Europa.
Diese Ergebnisse schlagen sich auch in der Angabe von 23 Prozent der Befragten nieder, dass sie zu wenig für ihre Leistung verdienen. 34 Prozent gaben darüber hinaus an, seit Beginn der Pandemie mehr Verantwortung zu tragen, ohne dafür vergütet zu werden. 39 Prozent klagten über mangelnde Weiterbildungsangebote. Diese Punkte haben mit Wertschätzung zu tun und können mit gezielten technischen oder organisatorischen Schritten behoben werden.
Dabei bleibt die Bezahlung wichtigster Faktor bei der Arbeitsplatzwahl. 61 Prozent der Deutschen ist das Gehalt am wichtigsten. 53 Prozent wählten das nächstplatzierte Kriterium: Freude an der Arbeit. Gefolgt von Arbeitssicherheit (46 Prozent), flexible Arbeitszeit (35 Prozent) und Flexibilität bei der Ortswahl (13 Prozent). Das schlägt sich auch auf die Erwartungen nieder:
Fast 51 Prozent hoffen auf eine Gehaltserhöhung in den nächsten zwölf Monaten, wobei es hier nicht allein um mehr Geld geht. 63 Prozent können sich vorstellen, gleichzeitig mehr zu arbeiten – mit dieser Bereitschaft nimmt Deutschland einen Spitzenplatz ein.
Diese Ergebnisse fallen in eine Zeit, in der die Lebenshaltungskosten angesichts der hohen Inflation, die voraussichtlich noch einige Zeit hoch bleiben wird, und nach zwei Jahren pandemiebedingter Unterbrechungen am Arbeitsplatz rapide steigen.
Flexibilität bei Arbeitsmodellen
In Deutschland würden knapp 48 Prozent der Arbeitskräfte eine Kündigung in Erwägung ziehen, wenn ihr Arbeitgeber auf eine Rückkehr an den Arbeitsplatz in Vollzeit bestehen würde. Jüngere Arbeitnehmer zögern mehr als die ältere Kollegschaft, in Vollzeit an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren:
Mehr als 54 Prozent der 18- bis 24-Jährigen und knapp 49 Prozent der 25- bis 34-Jährigen würden in Betracht ziehen, sich nach einem anderen Arbeitsplatz umzusehen, wenn ihr Arbeitgeber vorschreiben würde, dass sie jeden Tag zur Arbeit erscheinen müssen, verglichen mit 38 Prozent der 45- bis 54-Jährigen.
Auch bei der Arbeitszeit wünschen sich deutsche Mitarbeitende mehr Flexibilität in ihrem Arbeitsleben und sind bereit, dafür Kompromisse einzugehen. Die Umfrage zeigt, dass sich knapp 53 Prozent für mehr Flexibilität bei ihrer Arbeitszeitgestaltung aussprechen, wie z. B. eine Verkürzung der Arbeitszeit auf weniger und dafür längere Tage. Gut die Hälfte der Befragten möchte flexiblere Arbeitszeiten, aber die gleiche Anzahl von Arbeitsstunden während der Woche.
Obwohl die Arbeitskräfte angeben, dass die Bezahlung der wichtigste Faktor bei der Wahl eines Arbeitsplatzes ist, ergab die Untersuchung auch, dass 38 Prozent der Deutschen bereit wären, eine Lohnkürzung zu akzeptieren, wenn sich dadurch ihre Work-Life-Balance verbessern ließe, und 31 Prozent würden eine Gehaltskürzung akzeptieren, um Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeiten zu gewährleisten – selbst wenn sich dadurch die Gesamtarbeitszeit nicht ändern würde. Arbeitgeber, die bereit sind, in dieser Hinsicht aufgeschlossen und entgegenkommend zu sein, können bei der Einstellung und Bindung von Mitarbeitenden profitieren.
DEI – eine Alles-oder-Nichts-Frage
Unzureichende Leistungen in Bezug auf Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration (DEI – Diversity, Equity, Inclusion) könnten sich negativ auf die Einstellung und Bindung von Mitarbeitenden auswirken. Knapp 71 Prozent der Mitarbeitenden geben an, dass sie einen neuen Arbeitsplatz in Erwägung ziehen würden, wenn sie feststellen würden, dass es in ihrem Unternehmen ein ungerechtes geschlechtsspezifisches Lohngefälle gibt, und knapp 68 Prozent, wenn es keine Richtlinien für Vielfalt und Inklusion gibt. Dies ist der zweithöchste Prozentsatz in Europa nach Italien. Frauen sagen dies mit 72 Prozent häufiger als Männer mit 69 Prozent und jüngere Arbeitskräfte sind besonders stark davon überzeugt (77 Prozent der 18-24-Jährigen).
Obwohl die meisten Unternehmen die Bedeutung von DEI anerkennen, gaben nur 32 Prozent der Arbeitnehmenden an, dass ihr Unternehmen über Richtlinien für Diversität und Inklusion verfügt. Das ist der niedrigste Wert in Europa.
Die Studie „People at Work 2022: A Global Workforce View“ untersucht die Einstellung von Arbeitnehmer zur aktuellen Arbeitswelt und was sie vom Arbeitsplatz der Zukunft erwarten und erhoffen. Das ADP Research Institute befragte zwischen dem 1. November und dem 24. November 2021 insgesamt 32.924 Beschäftigte in 17 Ländern auf der ganzen Welt. Dazu gehörten:
- 15.683 in Europa (Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Polen, Spanien, die Schweiz und das Vereinigte Königreich),
- 3.829 in Nordamerika (USA und Kanada),
- 5.768 in Lateinamerika (Argentinien, Brasilien und Chile) sowie
- 7.644 in der Asien-Pazifik-Region (Australien, China, Indien und Singapur).
Die Umfrage wurde online in der jeweiligen Landessprache durchgeführt. Die Gesamtergebnisse wurden gewichtet, um die Größe der Erwerbsbevölkerung für jedes Land darzustellen. Die Gewichtungen basieren auf den Daten der Weltbank, die anhand von Daten aus der ILOSTAT-Datenbank, der zentralen Statistikdatenbank der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), ermittelt wurden (mit Stand vom 8. Februar 2022). (rhh)