Volatile Auftragslagen und immer schwerer einzuschätzende Marktsituationen stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Damit die Kern-IT-Systeme für derartige Aufgaben geeignet sind, ist Agilität in den Lösungen das Gebot der Stunde. Dr. Herbert Hadler, Geschäftsführer bei PSI Automotive & Industry, erläutert im Interview mit dem Midrange Magazin (MM), welche Unterstützung die IT bieten kann.

MM: Digitalisierung bestimmt mit geradezu euphorischen Ankündigungen die Schlagzeilen – doch welche Mehrwerte können produzierende Unternehmen in der Realität erwarten?
Dr. Hadler: Sprechen wir heute von Digitalisierung, meinen wir den Aufbau digitaler, bzw. datenbasierter Geschäftsmodelle. Und sie sind alles andere als ein Selbstzweck. Denn sie geben Antworten auf neue Kundenbedürfnisse und -erwartungen. Bekannt sind z. B. Services wie die vorausschauende Instandhaltung, Track-and-Trace oder Condition-Monitoring. Die Basis hierfür liefert ein engmaschiges, digitales Netz zwischen Herstellern, Lieferanten, Partnern und Kunden. Letztlich hilft die Digitalisierung Strukturen zu schaffen, um in der sog. VUCA-Welt wettbewerbsfähig zu bleiben und auf die vier wesentlichen, gegenwärtigen Herausforderungen der Märkte – Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit – Antworten parat zu haben.

MM: Wie wichtig ist die Agilität von IT-Lösungen?
Dr. Hadler: Zunächst müssen wir uns klarmachen, dass agile Unternehmen schon immer erfolgreich waren. Früher ließen sich bestimmte Mängel aber durch klassische Skaleneffekte recht gut kompensieren, wodurch z. B. große, behäbigere Betriebe Schritt halten konnten. Durch die Verfügbarkeit des Internets, Globalisierungs- und Digitalisierungseffekte ist das so leicht heute aber nicht mehr umsetzbar, wenn nicht sogar unmöglich. Stattdessen können selbst kleine Unternehmen mit neuen Technologien zu einer Gefahr für etablierte Player werden – erst recht, wenn sie in der Lage sind, sich flexibel an neue Anforderungen oder Herausforderungen anpassen zu können.

MM: Welche Folgen zieht das nach sich?
Dr. Hadler: Es herrscht von allen Seiten ein großer Druck, agil und schnell zu sein. Gleichzeitig verfügt die Mehrheit aller produzierenden Unternehmen heute weder über die erforderliche Zeit noch die notwendigen Ressourcen, um ausufernde Prozessänderungen selbst zu programmieren oder auch programmieren zu lassen. Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, dass sich Unternehmen durchgängig und über Werks- und Landesgrenzen hinaus vernetzen, wird klar, welche Rolle IT-Lösungen spielen. Starre, monolithische Strukturen und die darin implementierten Geschäftsprozesse können schnell zum Hemmschuh für Innovationen werden. Andersrum sind es offene, modulare und anwenderfreundliche Systeme, die Unternehmen in die Lage versetzen, überhaupt agil sein zu können. Agile IT-Lösungen schaffen in einer digitalen, vernetzten Welt also das Fundament für die überlebenswichtige, schnelle und flexible Anpassungsfähigkeit.

MM: Wie definieren Sie den Begriff „agile Software“?
Dr. Hadler: Agile Software zeichnet sich vor allem durch folgende drei Aspekte aus: Offene Plattformstrukturen, die Bereitstellung von Werkzeugen zur eigenständigen Modellierung von Prozessen sowie eine hohe Benutzerfreundlichkeit. Sie alle zahlen darauf ein, Anwender zu agilem Arbeiten zu befähigen.

MM: Welche Gründe sprechen für den Einsatz agiler Software?
Dr. Hadler: Hierzu lassen Sie uns noch einmal die wesentlichen Merkmale agiler Software anschauen. Sprechen wir von offenen Plattformstrukturen, meinen wir eine einheitliche, skalierbare Schnittstelle zwischen allen Applikationen im Wertschöpfungsprozess, durch die Änderungen in der IT-Landschaft jederzeit möglich sind – und zwar ohne das Gesamtsystem zu beeinträchtigen. Das kann man auch als echte Steckerkompatibilität bezeichnen. Sie stellt sicher, dass bspw. Partner- und Drittsoftware jederzeit, leicht und stabil ins System integriert werden kann. Modifizierung statt Programmierung ermöglicht auch die Workflow-Technologie. Sie setzt auf einer standardfähigen Software auf und versetzt Mitarbeiter in die Lage, selbstständig und ganz ohne Programmierkenntnisse Prozesse an neue Bedingungen anpassen zu können und bspw. Funktionen zu ergänzen.

Quelle: PSI Automotive & Industry

Dr. Herbert Hadler, Geschäftsführer bei PSI Automotive & Industry: „KI wird künftig zum Zünglein an der Waage werden.“

MM: Funktioniert das auch im Produktivbetrieb?
Dr. Hadler: Ja, umständliches Programmieren im Code oder ewiges Warten auf einen Beratertermin gehören dann der Vergangenheit an. Zu guter Letzt punktet agile Software durch intuitiv bedienbare und visuell ansprechende Benutzeroberflächen. Technologien wie PSI Click-Design gehen da sogar noch ein Stück weiter: So können mit ihrer Hilfe Anwender per Klick Benutzeroberflächen an Aufgaben oder auch an ganz individuelle Bedürfnisse und Vorlieben anpassen. Das führt nachweislich zu einer effizienteren Bedienung der immer komplexeren Lösungen, sorgt für eine höhere Akzeptanz und Zufriedenheit mit der Lösung und spart nicht zuletzt kostbare Zeit und hohe Anpassungskosten.

MM: Agile Software ist also ein Muss für jedes Unternehmen?
Dr. Hadler: Unternehmen, die mit stark ändernden Herausforderungen bei der Abwicklung von Aufträgen zu tun haben, kommen über kurz oder lang an agiler Software nicht mehr vorbei. Und das betrifft fast die gesamte Fertigungsindustrie. Es gibt aber auch Unternehmen mit ausgeschliffenen, gleichbleibenden Prozessen, für die agile Software sicherlich nur teilweise relevant ist. Ich denke da z. B. an die Produktion von Maschinen und Ventilen für die Medizintechnik. Hier ist der Entstehungs-, Genehmigungs- und Zertifizierungsprozess extrem lang, und es sind vor allem stabile Prozesse gefragt. Eine offene IT-Plattform, die einfach erweiterbar ist oder intuitiv bedienbare und anpassbare Benutzeroberflächen spielen aber auch in diesen Unternehmen ihre Vorteile aus und tragen zu effizienteren Prozessen bei.

MM: Welche Rolle wird der Einsatz von künstlicher Intelligenz in diesem Kontext spielen?
Dr. Hadler: KI wird künftig zum Zünglein an der Waage werden. Hier ist aber noch einige Pionierarbeit zu leisten, um den Menschen die Angst vor dem Kontrollverlust zu nehmen. Auch hierfür gibt es aber bereits vielversprechende Ansätze, zu denen auch Explainable AI zählt und damit Komponenten, die KI erklärbar bzw. Entscheidungen nachvollziehbar machen. Fakt ist: Die Komplexität der Datenvernetzung ist inzwischen gigantisch und überschreitet die kognitiven Möglichkeiten des Menschen um ein Vielfaches. KI hat das große Potenzial, durch die Vervollständigung und Verifizierung der Datenbasis den Entscheidungsraum zu erweitern oder anders gesagt: Schneller und zu besseren Entscheidungen zu kommen. Und das hat am Ende des Tages natürlich auch wieder etwas mit Agilität zu tun. (rhh)

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