Oftmals werden Whistleblower mit spektakulären Aufdeckungen, Staatsgeheimnissen oder großen Konzernen assoziiert. Aber auch in kleinerem Maßstab kommt dem Aufdecken von Missständen durch Hinweisgeber eine große Bedeutung zum Erhalt einer transparenten und demokratischen Gesellschaft zu. Die Europäische Union schützt Whistleblower deshalb mit einer eigenen Richtlinie, die nun auch für deutsche Arbeitgeber relevant wird.

Bis zum 17. Dezember hatte Deutschland Zeit, die Richtlinie der Europäischen Union zum Schutz von Whistleblowern in nationales Recht umzusetzen. Zwar ist die Frist bereits verstrichen, mit dem Vorlegen des Koalitionsvertrages steht nun aber fest, dass Deutschland ein eigenes nationales Hinweisgeberschutzgesetz erhalten wird.

Obwohl die Bundesregierung das nationale Gesetz zunächst noch verabschieden muss, ist es für Arbeitgeber schon jetzt ratsam, die Vorgaben der EU-Richtlinie zu beachten, um einer etwaigen Haftungsgefahr entgegenzuwirken. Relevant wird das insbesondere für Unternehmen ab einer Größe von 250 Mitarbeitenden sowie für Einrichtungen des öffentlichen Sektors und Gemeinden mit mindestens 10.000 Einwohnern. Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden wird für die Umsetzung noch bis 2023 Zeit eingeräumt.

Das wesentliche Ziel der EU Whistleblowing-Richtlinie ist es, Hinweisgebern den bestmöglichen Schutz beim Melden von Verstößen zu bieten, damit diese nicht aus Angst vor drohenden Konsequenzen vor einer Meldung zurückschrecken. Als Hinweisgeber sind dabei nicht nur Mitarbeitende des Unternehmens geschützt, sondern auch Personen, die zwar nicht bei dem Arbeitgeber angestellt sind, aber beruflich mit ihm in Kontakt treten.

Dazu können beispielsweise Dienstleistungsunternehmen, Vertriebsunternehmen, Lieferanten oder andere Geschäftspartner zählen. Whistleblower sollen dabei insbesondere vor zivil-, straf-, verwaltungsrechtlichen und internen Konsequenzen geschützt werden. Allerdings sind Hinweisgeber nur dann geschützt, wenn sie einen hinreichenden Grund zur Annahme haben, dass die von ihnen gemeldete Information der Wahrheit entspricht. Melden sie wissentlich falsche oder irreführende Informationen, gilt dieser Schutz nicht.

Pflichten für Arbeitgeber

Grundsätzlich kann das Meldeverfahren in drei verschiedene Kategorien unterteilt werden: interne Meldungen innerhalb des Unternehmens, Meldungen an eine zuständige Behörde oder die Meldung an die Öffentlichkeit. Die Entscheidung, ob sie sich an eine interne oder externe Beratungsstelle wenden, obliegt dem Whistleblower.

Arbeitgeber werden jedoch zukünftig in die Pflicht genommen, effektive, vertrauliche und sichere interne Meldekanäle einzurichten, die es Hinweisgebern ermöglichen, Verstöße gegen nationales und EU-Recht zu melden. Wie diese Meldestelle eingerichtet wird, bleibt der Organisation selbst überlassen – allerdings muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass der Hinweisgeber frei wählen kann, ob er die Informationen mündlich oder auf schriftlichem Weg übermitteln möchte. Zudem muss eine Eingangsbestätigung und innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung auf die eingereichte Information erfolgen.

Meldekanäle umsetzen

In der Praxis sind für Organisationen verschiedene Meldekanäle denkbar. Dazu gehört die Einrichtung einer kostenlosen Telefonhotline oder einer zentralen E-Mailadresse. Beide Optionen sind aber an einige Vorgaben geknüpft, die für Arbeitgeber mitunter nur schwierig einzuhalten sind. So muss bei einer Telefonhotline unter anderem sichergestellt werden, dass der Anschluss permanent besetzt ist und den Hinweisgebern keine sprachlichen Barrieren im Weg stehen.

Das kann hohe monatliche Kosten für die Organisation bedeuten. Bei einer internen Telefonnummer oder zentralen internen E-Mailadresse muss zudem ausgeschlossen werden, dass die IT-Administration auf diese zugreifen kann, da andernfalls die Wahrung der Anonymität des Whistleblowers nicht garantiert ist.

Das Einrichten einer Voicebox als Meldekanal ist ebenfalls als unzulässig einzustufen, da die Eingangsbestätigung der Meldung nicht gewährleistet werden kann. Auch persönliche Zusammenkünfte vor Ort sind in der Praxis kaum umsetzbar, insbesondere in größeren Organisationen. Zudem entstehen auch hier hohe Personalkosten.

Eine sicherere und kosteneffizientere Option ist die Nutzung von digitalen Tools als Hinweisgebersystem. Diese können beispielsweise als Stand-Alone-Lösung genutzt oder in bestehende HR-Systeme der Organisation integriert werden, um ein bestmögliches Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erreichen. Gleichzeitig bietet eine solche All-in-One Lösung nicht nur für den Hinweisgeber den umfangreichsten Schutz, sondern ermöglicht es auch, das System an die Bedürfnisse der Organisation und die rechtlichen Anforderungen anzupassen.

Zudem bietet ein automatisiertes, digitales Hinweisgebersystem einen weiteren Vorteil: Es ermöglicht die einfachere Kategorisierung der Hinweise. So können auch die Meldungen aussortiert werden, die nicht unter die Whistleblower-Richtlinie fallen. Bei der Auswahl einer Lösung sollten Organisationen im Blick behalten, dass sowohl die Vorgaben der Richtlinie hinsichtlich des Meldekanals eingehalten werden, als auch, dass die personenbezogenen Daten gemäß der EU-DSGVO abgewickelt werden.

Ein Blick auf die unterschiedlichen Meldekanäle beweist, dass es für Arbeitgeber sinnvoll ist, schon jetzt ein geeignetes Hinweisgeberverfahren einzurichten, um nicht plötzlich vor großen organisatorischen Herausforderungen zu stehen. Denn auch wenn die Verabschiedung eines deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes noch aussteht, kann die Whistleblowing-Richtlinie in Deutschland Wirkungskraft entfalten.

Mit den geeigneten Tools minimieren Arbeitgeber dabei nicht nur die Haftungsgefahr, sondern können das Meldesystem bestenfalls sofort in ihre bestehenden HR-Lösungen integrieren, um so den Aufwand für die gesamte Organisation möglichst gering zu halten und gleichzeitig eine transparente Unternehmenskultur zu etablieren.

Patrick Weber ist Managing Director bei SD Worx Deutschland.

SD Worx Deutschland