Der Investitionsreport der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e.V. (DSAG) belegtes schwarz auf weiß: Unternehmen haben weitreichende Pläne hinsichtlich der Umstellung auf S/4HANA. Laut Umfrage haben drei Viertel der Firmen eine klare Entscheidung für die Lösung getroffen. Dennoch stockt die Rate derer, die Projekte tatsächlich realisiert habenbei drei Prozent. Was sind die Gründe dafür und was gilt es bei der Einführung von S/4HANA zu beachten?

Die Zahl der erfolgreichen S/4HANA-Einführungsprojekte ist derzeit noch überschaubar. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen konkurriert S/4HANA mit der Digitalisierung und der Automatisierung von Prozessen in den Unternehmen. Mit Projekten zur Digitalisierung wollen Unternehmen ihren Umsatz steigern. Mit Automatisierung lassen sich kurzfristig Kosten einsparen.

Dementsprechend ist nachvollziehbar, dass viele Unternehmen ihre Ressourcen erst einmal für diese Projekte einsetzen. Natürlich kann langfristig gesehen auch mit S/4HANA gespart werden. Doch mit kurzfristig erzielbaren Erfolgen im Blick, lässt sich vor Entscheidern in den Unternehmen leichter argumentieren. Bei S/4HANA-Einführungen muss strategischer argumentiert werden, was ungleich schwieriger ist.

Noch zu wenige Erfahrungenmit S/4HANA

Zum anderen lassen sicherlich auch die nur spärlich vorhandenen Erfahrungen mit S/4HANA-Einführungen auf dem Beratermarkt die Unternehmen zögern. In der Vergangenheit, bei R/3-Projekten oder der Einführung von ERP ECC 6.0, hatten Unternehmen personelle Ressourcen im eigenen Haus, Mitarbeiter, die das System kannten und den Beratern dementsprechend gute Sparringspartner waren. Das ist bei S/4HANA schwieriger. Einerseits sind die internen Ressourcen – wie erwähnt – oftmals stärker in anderen Projekten gebunden. Andererseits gibt es bisher auch auf Beraterseite nur wenige Erfahrungen mit S/4HANA. Dementsprechend verlängert sich die Phase der Entscheidungsfindung. CIOs bzw. IT-Verantwortliche prüfen eher, ob die vorliegenden Angebote wirklich valide sind oder sie besser noch weitere Angebote von anderen Firmen einholen sollten. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, ist es notwendig, die eigenen personellen Ressourcen in die Lage zu versetzen, stärker mitzudenken. Schulungen sind hier ein wichtiger Aspekt.

Darüber hinaus ist die Zahl derjenigen Berater im S/4HANA-Umfeld, die wirklich visionär denken, gering. Zwar gibt es viele Berater, die schon sehr lange im R/3-Umfeld unterwegs sind und deren Wissen sehr nützlich ist. Doch die Frage, die häufig auch von ihnen unbeantwortet bleibt, lautet: Wie kann ich die Neuerungen, die S/4HANA mit sich bringt, gewinnbringend in meinem Unternehmen einsetzen? Und wenn diese Frage dann endlich doch beantwortet ist, verzögert sich eine Entscheidung für die Umstellung oftmals dennoch, weil die aufgerufenen Beraterpreise aufgrund des sehr spitzen Marktes mitunter sehr hoch sind.

Ralf Peters ist DSAG-Fachvorstand für die Themenbereiche Digitalisierung, Finance & Value Chain – Quelle: DSAG e.V.

Das wiederum führt dazu, dass das eine oder andere Unternehmen mit der Einführung noch wartet. Der Kostenaspekt spielt natürlich besonders für kleinere Unternehmen eine große Rolle. Sie müssen genau abwägen, ob sie das Budget nicht vielleicht lieber erst einmal in ein Digitalisierungsbudget stecken anstatt in die S/4HANA-Einführung.

Besserer Informationsflussseitens SAP wünschenswert

Bestimmte Faktoren, die Unternehmen an der Einführung von S/4HANA hindern, sind somit marktbedingt. Hier kann ein Softwarehersteller wie SAP nur wenig tun. Gleichwohl muss festgehalten werden, dass SAP nicht gut genug informiert. Es gibt viele Dinge im S/4HANA-Umfeld, die Unternehmen unterstützen könnten – gerade auch im Mittelstand – doch der Informationsfluss ist noch nicht optimal. Deshalb fordern wir als Anwendervereinigung von SAP tragfähige Unterstützung bei der Umstellung auf S/4HANA und Gesamtszenarien der SAP-Produktlandschaft, damit wir als Anwender wissen, wie alle Produkte und Lösungen zusammenpassen.

Die S/4HANA-Welt mit all ihren Komponenten ist komplex und jeder Designfehler kostet Geld. SAP muss die Unternehmen daher zum einen hinsichtlich der Planung und Realisierung zukunftsfähiger und integrierter Applikationen unterstützen sowie andererseits das Zusammenspiel der Applikationen in hybriden Landschaften unter Berücksichtigung der verschiedenen digitalen Innovationen fördern. Die Unternehmen brauchen eine Perspektive und müssen wissen, wo genau die Reise in den nächsten Jahren hingeht. Nur so können sie valide Entscheidungen treffen.

Zahlreiche Vorüberlegungen notwendig

Doch mit der Entscheidung allein ist es nicht getan. Grundsätzlich gilt: Je komplexer die Landschaft, umso mehr muss ich bei einer Umstellung auf S/4HANA beachten. So setzt die Migration beispielsweise eine hohe Stammdatenqualität voraus und kann hinsichtlich der Analyse der Eigenentwicklungen verschiedene Fallstricke bereithalten. Insbesondere ein Komplettumzug von einem System in ein anderes kann vielschichtig geraten.

Das merkt man aber häufig erst, wenn man sich mit den Details – bis hin zum Housekeeping – beschäftigt. Und auch das führt oft zu einer Verzögerung bei der Einführung. Housekeeping-Projekte sind unangenehm und können viel Zeit verschlingen. Doch wer den Implementierungsaufwand während der System-Conversion minimieren möchte, sollte einige Themen vor der eigentlichen S/4HANA-Einführung behandelt haben. Ein Beispiel ist die Business-Partner-Thematik. Das gilt übrigens auch für Integrationsszenarien von SAP ERP mit SAP-Cloud-Lösungen bzw. -Applikationen.

Unternehmen sollten sich vor der Einführung der Lösung zunächst einige Fragen beantworten: Welchen Zielzustand strebe ich an und welchen Platz soll S/4HANA in meiner Systemlandschaft einnehmen? Und sollen die bestehenden Prozesse für die SAP-Welt optimiert werden? Grundsätzlich muss natürlich auch geklärt werden, welcher Ansatz der richtige für ein Unternehmen ist. Ein Brownfield-Ansatz eignet sich insbesondere dann, wenn ein Unternehmen bereits SAP einsetzt und viel dem Standard entspricht.

Ein Greenfield-Ansatz hingegen ist vor allem dann geeignet, wenn eine Firma noch kein SAP einsetzt und der Wille zum Umdenken da ist. Darüber hinaus muss ein Unternehmen das für sich passende Betriebsmodell wählen und dabei abwägen, ob dem eigenen Rechenzentrum, Outsourcing oder S/4HANA als Software-as-a-Service-Lösung der Vorzug zu geben ist. Insgesamt empfiehlt sich der Blick auf die Ausgangslage und die vorhandene Datenqualität. Ist das Quellsystem bereits von SAP oder noch von einem anderen ERP-Anbieter? Der Grund: SAP-Neukunden haben vor allem im IT- und Fachbereich einen noch größeren organisatorischen Anpassungsbedarf.

Gleichzeitig sollten Unternehmen ihre Prozesse und Drittapplikationen im Blick haben. Sie müssen aufgeräumt sein und Schnittstellen sowie „Umsysteme“ sollten vorab reduziert werden. Ein Konzept für historische Daten sollte ebenfalls vorhanden sein. Und auch die Anwendertypen dürfen nicht vergessen werden. Wer wird das System nutzen und wie verteilt sich die Nutzung über die Anwender? Erst dann sollten Unternehmen einen Zeitrahmen für das Projekt festlegen und entscheiden, ob sie zusätzlich externe Unterstützung benötigen. Vorher macht es keinen Sinn, festzulegen, bestimmte Services einzukaufen oder selbst durchzuführen.

Erfahrungsaustausch wertvoll

Wie bei jedem großen IT-Projekt kann auch hier der Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen sinnvoll sein. Einen solchen ermöglicht die DSAG beispielsweise im Arbeitskreis S/4HANA. Hier beschäftigen sich rund 2.100 Mitglieder mit offenen Fragen zur S/4HANA-Einführung und der generellen Roadmap. Das Gremium diskutiert und beschließt gemeinsam die Anforderungen an SAP und adressiert diese über die SAP-Einflussnahme-Programme. Zudem tauschen sich die Mitglieder untereinander über Innovationspotenziale in einzelnen Bereichen aus, so zum Beispiel über Finance, Supply Chain und Logistik. Ich empfehle daher Unternehmen, die S/4HANA einführen wollen, sich Stück für Stück mit der Thematik auseinanderzusetzen. Getreu dem Motto: „Slice the elephant.“