Quo vadis Personalwesen 2020? Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) hat herausgefunden, dass 93 Prozent der befragten Unternehmen den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) im HR-Bereich begrüßen. Allerdings haben nur drei Prozent derartige Anwendungen bereits implementiert.

Generell könnten KI-basierte Technologien für spürbar effizientere HR-Abläufe sorgen, da sich mit ihnen beispielsweise Basiskennzahlen zu Mitarbeitern schnell und einfach bereitstellen und auswerten lassen. Erste Einsatzbeispiele in Recruiting oder Skill Management zeigen schon heute, wie KI- und Machine Learning (ML) das Personalwesen unterstützen. Drei Beispiele zeigen, wie sich HR-Abläufe mithilfe KI-basierter Tools optimieren lassen.

Daten zusammenführen: Gehaltsentwicklung und -vergleich

Prozessautomatisierung sowie das Erfassen von Zusammenhängen zwischen Daten aus verschiedenen Quellen sind zentrale Einsatzfelder von KI im HR-Bereich. Ziel ist es zum Beispiel, regelmäßige Reportings zu Themen wie Gehaltsentwicklung und -prognosen zu erstellen und hierbei sowohl interne Daten als auch externe Quellen zu nutzen. Auf diese Weise lassen sich strategische Erkenntnisse gewinnen, etwa ob das Unternehmen branchengerechte Löhne zahlt. Dies ist für die Attraktivität als Arbeitgeber ein entscheidender Faktor.

KI hilft aber auch, unternehmensintern Daten unterschiedlicher Abteilungen und Funktionen automatisiert zu konsolidieren und Schlüsse aus den Informationen zu ziehen. Verantwortliche können mit Hilfe KI-basierter Reportings etwa überprüfen, ob die Löhne in einem profitablen Verhältnis zum Umsatz des Unternehmens stehen.

Fundierte Einblicke gewinnen: Geschäftsentwicklung und Skill Management

Auf dem Gebiet präskriptiver Datenanalysen kann KI auch bei der Erstellung verlässlicher Prognosen unterstützen. HR-Verantwortliche können so Auswertungen über alle Ebenen und Geschäftsbereiche hinweg fahren, um Rückschlüsse etwa für künftige Mitarbeiterbedarfe abzuleiten. Auch externe Daten wie demografische Analysen oder Wetterinformationen lassen sich nutzen, um mögliche konjunkturelle oder jahreszeitbedingte Veränderungen im Vorfeld zu erkennen – beispielsweise saisonale Peak-Zeiten, die mehr Arbeitskräfte erfordern.

In Bereichen wie Skill Management und Business Development ermöglichen es KI-basierte Anwendungen, Fähigkeiten von Mitarbeitern, die systemseitig bereits strukturiert erfasst sind, automatisiert mit den Anforderungen abzugleichen, die sich aus künftigen Projekten ergeben. So können sich Personalverantwortliche schnell einen Überblick verschaffen, ob und wenn ja, wie viele Ressourcen in-house gegebenenfalls zur Verfügung stehen, um neue Aufgaben zu bewältigen.

Ein weiteres Beispiel für IT-gestützte Personalprognosen sind Analysen zum Renteneintrittsalter, aus denen sich Schlüsse für künftige Mitarbeiterbedarfe ziehen lassen. Durch Auswertungen hinsichtlich der Frauenquote im Unternehmen und der Abbildung des Soll-Ist-Zustands gewinnen Personalverantwortliche zudem wichtige Erkenntnisse zur Steuerung von künftigen Recruiting-Prozessen.

Recruiting-Prozesse automatisieren: Beispiel Chatbots

Bei Bewerbungen ermöglichen KI-basierte Anwendungen beispielsweise den automatisierten Abgleich von Informationen im Lebenslauf und im Anschreiben mit den in der Stellenausschreibung geforderten Skills. Auf dieser Basis können HR-Verantwortliche eine erste Vorauswahl treffen. Hinzukommen Chatbots, die immer mehr Unternehmensabläufe automatisieren, indem sie häufig wiederkehrende Prozesse, die in Dialogform mit einer begrenzten Zahl von Frage- und Antwortmöglichkeiten auskommen, anhand sprachbasierter Benutzerschnittstellen erledigen.

In Erstinterviews lassen sich Chatbots beispielsweise einsetzen, um Basisinformationen abzufragen – etwa zu Kriterien, die die neu zu besetzende Stelle erfordert, wie Programmierkenntnisse, Fremdsprachen oder ein adäquater Studienabschluss. In der erwähnten DGFP-Studie befürworten 70 Prozent der Befragten den Einsatz von Chatbots in der Vorauswahl von Bewerbern.

Personalwesen der Zukunft

KI und ML werden verstärkt die bestimmenden Technologien im HR-Bereich werden. Machine Learning-Algorithmen sorgen im Zusammenspiel mit stetig wachsenden Datenmengen dafür, dass Vorhersagen immer exaktere Ergebnisse liefern. Chatbots oder Analysetools für Gehaltsvergleiche oder Skill Management sind hier nur die Spitze des Eisbergs.

Fest steht aber auch, dass Unternehmen in Zeiten KI-gestützter Anwendungen nach wie vor Personal benötigen. Die von Ashoka Deutschland und McKinsey & Company herausgegebene Studie „The Skilling Challenge“ belegt, dass durch die Automatisierung sogar mehr Arbeitsplätze geschaffen als abgebaut werden. Allerdings ändert sich das Anforderungsprofil. Der Mensch wird sich deutlich weniger mit Routineaufgaben befassen, sondern vielmehr mit der Überwachung von IT-Prozessen, beziehungsweise der Überprüfung und weiteren Auswertung der Ergebnisse, die er durch intelligente HR Analytics Lösungen erhält.

Generell wird insbesondere im Personalbereich der Faktor Mensch auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Denn viele entscheidende Kriterien, etwa bei Recruiting-Prozessen, entziehen sich datengestützten Analysen. Hierzu zählt unter anderem die Beantwortung der Frage, ob die sprichwörtliche Chemie zwischen Kandidat und Arbeitgeber stimmt. Auch zur Beurteilung anderer weicher, aber nicht minder entscheidender Faktoren wie emotionale Intelligenz, Charisma, Präsentationsfähigkeit oder Führungsqualitäten werden persönliche Interviews auch weiterhin unabdingbar sein. KI hilft jetzt und zukünftig also vor allem bei der Bereitstellung und Aufbereitung von Informationen. Die finalen Entscheidungen trifft aber immer noch der Mensch.

Oliver Henrich ist Vice President Product Engineering Central Europe bei Sage.

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