Der Digitalgipfel der Bundesregierung am 20. und 21. November 2023 steht unter dem Thema „Digitale Transformation in der Zeitenwende. Nachhaltig. Resilient. Zukunftsorientiert.“ Was das aus Sicht der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) bedeutet, ordnen Christine Grimm, DSAG-Fachvorständin Transformation & Sustainability, Sebastian Westphal, DSAG-Fachvorstand Technologie, und Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector, ein.

„Das größte Potenzial für Deutschland und Europa liegt in der Anwendung der neuen Technologien in Industrie, Medizin und öffentlicher Verwaltung – um große Sprachmodelle mit Prozessdaten, branchenspezifischen Industriedaten oder biomedizinischen Daten zu kombinieren“, stellt Sebastian Westphal fest. Für den DSAG-Fachvorstand Technologie entsteht aktuell ein neuer Markt für so genannte Industrie-Foundation-Modelle und deren Anwendungen.
Diese Entwicklung wird derzeit von privaten Anbietern aus den USA und China mit sehr großen Rechenzentren dominiert, wie z. B. OpenAI, Google, Meta, Alibaba und Tencent. Aus DSAG-Sicht ist die entscheidende Frage: Wer besitzt die Technologie, die Daten und die Ressourcen, um große Modelle zu erstellen und die Entwicklung sowie revolutionären Durchbrüche zu steuern?

Bleibt das in der Hand der Großkonzerne in den USA und China, und werden diese die Nutzung, Regulierung und auch die einhergehenden ethischen Fragestellungen bestimmen, so wie bereits bei Suchmaschinen und in sozialen Netzwerken? Europa und Deutschland sollten schnellstmöglich in die Lage kommen, die Technologie nach eigenem Ermessen zu entwickeln und zu nutzen. Gleichzeitig sollten sie wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen positiv beeinflussen – sowie erforderliche Standards zu Datenschutz und Datensicherheit schaffen und KI-Modelle ethisch nutzen.

Eine besondere Herausforderung besteht z. B., wenn es darum geht, die modernen Technologien im Bereich Nachhaltigkeit einzusetzen: Künstliche neuronale Netze zu trainieren, benötigt enorme Mengen an Rechenleistung, Energie und Ressourcen. Wie viel Energie genau, darüber geben die Entwicklerfirmen oder Forschergruppen keine detaillierte Auskunft. So bleibt die Frage aktuell unbeantwortet, ob er Einsatz solcher energieintensiven Technologien mit den angestrebten globalen Klimazielen vereinbar ist.

Kontraproduktiv sind in diesem Kontext Ankündigungen wie die im Juli von SAP, dass KI-Innovationen nur für Kunden mit bestimmten Cloud-Verträgen mit entsprechendem Preisaufschlag verfügbar sein sollen. Für eine erfolgreiche Digitalisierung ist es unabdingbar, dass SAP und die großen Software-Anbieter alle KI-Innovationen auch für alle Kunden zur Verfügung stellen.“

KI in der Öffentlichen Verwaltung

„Aus DSAG-Sicht sind die Möglichkeiten von KI in der Öffentlichen Verwaltung besonders groß – z. B. zur Prozess-Automatisierung, zum Sichten großer Mengen von Material und zum Formulieren einfacher Texte“, betont Hermann-Josef Haag, DSAG-Fachvorstand Personalwesen & Public Sector.
„Gleichermaßen könnten digitale Chatbots Behördengänge leichter machen“, gibt sich Hagg überzeugt. „Und KI könnte ein Mittel sein, dem Fachkräftemangel im Öffentlichen Dienst entgegenzutreten. Zudem ist die Entwicklung rund um KI im Public Sector gut geeignet, um mit dem Mythos aufzuräumen, die Öffentliche Verwaltung könne keine Cloud nutzen.“

Branchenübergreifend braucht es aus Sicht der DSAG eine staatliche KI-Strategie, die schnellstmöglich und praxisnah umgesetzt wird. Konkrete Anwendungsfälle müssen erprobt und flächendeckend in der Verwaltung nutzbar sein. Zudem sollte der Einsatz von KI wirtschaftlich für den Mittelstand attraktiv sein und der Datenschutz auf die aktuellen und kommenden Szenarien angepasst sowie für zukünftige Szenarien vorbereitet werden. Die Nutzung der Daten für die Modelle, insbesondere die Weitergabe von Daten, muss rechtssicher sein.

Daher wird in der öffentlichen Verwaltung viel darüber diskutiert, wie die KI-Modelle trainiert werden. Es stehen die Fragen im Raum, welche Daten dazu genutzt werden, und welche Quellen hinter den Antworten und den Entscheidungen der KI-Modelle liegen. KI-Algorithmen benötigen oftmals viele personenbezogene Daten, um effektiv zu funktionieren.

Entsprechend muss vor dem Einsatz diskutiert werden, wie er datenschutzfreundlicher gestaltet werden kann. Eine Option wäre es, Datenschutzprinzipien gleich zu Beginn in die Entwicklung von KI-Systemen einzubeziehen. Ein Beispiel: Daten könnten anonymisiert oder mit Pseudonymen versehen werden, um die Identifikation von Einzelpersonen zu verhindern.

Des Weiteren sollte es aus DSAG-Sicht klare Richtlinien und Mechanismen geben, um den Einsatz von KI-Algorithmen nachvollziehbar zu machen. Zudem müssen Datenschutz und KI-Entwicklung Hand in Hand gehen, wofür Datenschutz-Experten und KI-Entwicklereng zusammenarbeiten müssen, um sicherzustellen, dass ein entsprechender Schutz implementiert wird.“

Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil

„Deutschland steht an einem entscheidenden Punkt der digitalen Evolution. Die Bedeutung der Digitalisierung insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Resilienz und Zukunftsorientierung kann nicht genug betont werden“ – so lautet die Aussage von Christine Grimm. Für die DSAG-Fachvorständin Transformation & Sustainability geht es dabei nicht nur um die Implementierung neuer Technologien, sondern vor allem darum, wie diese Technologien nachhaltige Veränderungen ermöglichen und Unternehmen sowie die Gesellschaft insgesamt widerstandsfähiger machen können.

„Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind eng miteinander verknüpft“, so Grimm weiter. „KI und fortschrittliche Algorithmen können dazu beitragen, unsere Ressourcen effizienter zu nutzen, unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren und innovative Lösungen für aktuelle und zukünftige Herausforderungen zu entwickeln. Gleichwohl müssen wir den CO2-Fußabdruck und den Ressourcenverbrauch der rechenintensiven Technologien kritisch verfolgen.“

Grundsätzlich muss in Transformationsprojekten der KI-basierten Geschäftsprozess-Wertschöpfung und der Implementierung von KI-Services entsprechend Raum gegeben werden. Mit der Implementierung von KI entstehen neue Rollen und Arbeitsplätze und die Integration und Nutzung von KI-basierten Lösungen eröffnet den Unternehmen neue Chancen im Hinblick auf effizientere, automatisierte Abläufe und operative Effizienz.
Die DSAG ist sich der Verantwortung bewusst, die die Digitalisierung mit sich bringt und setzt sich aktiv für kontinuierliche Schulungs- und Weiterbildungsangebote bezogen auf neue Technologien und Methoden ein. Gleichzeitig teilt die DSAG Best Practices, um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre digitale Reise nachhaltig und verantwortungsvoll zu gestalten.

Konkrete Hilfestellungen in der digitalen Transformation wären durch KI-unterstützte Migrationsservices denkbar, um Massendaten zu interpretieren und auszuwerten. In Bezug auf die Prozessintegration wären zudem personalisierte und vorausschauende Hilfestellungen und Schulungsinhalte sinnvoll, die über KI-Services abgedeckt werden können. Werden zudem die entsprechenden Daten als intelligentes Asset verstanden und lassen sich komplexe Herausforderungen mit Hilfe von KI lösen, kann dies ebenfalls helfen, die aktuellen Anforderungen an ein Sustainability-Reporting zu erfüllen. (rhh)

Deutschsprachige SAP Anwendergruppe DSAG e.V.