Daten aus Freitexten sind ein Schatz, den Unternehmen bislang nicht gehoben haben – zu zeitaufwendig, zu ressourcenintensiv. Mit Natural Language Processing und dem richtigen IT-Dienstleister als Partner werden die Karten nun ganz neu gemischt.

Rating-Economy lautet der Begriff, der die zahlreichen Möglichkeiten für Kunden zusammenfasst, im Internet ihre Stimme, ihre Erfahrung und ihre Meinung zu Produkten und Services abzugeben – eben ein Wirtschaftszweig, der für Unternehmen und Dienstleister mittlerweile von größter Bedeutung ist. Laut der Trend-Radar-Studie „The Rating Economy 2019“ der Strategieberatung Simon-Kucher & Partners schätzten schon vor vier Jahren 71 Prozent der Konsumenten weltweit Produktbewertungen als wichtig oder sogar sehr wichtig ein.

In Deutschland waren es immerhin auch schon 66 Prozent. Neben Faktoren wie Produkteigenschaften oder Preis waren Ratings bereits das drittwichtigste Kriterium für Kaufentscheidungen. Und auch aus Unternehmenssicht sind vor allem positive Bewertungen ein echter Verkaufsschlager, wie eine Erhebung der Northwestern University Chicago zeigt. Hat ein Produkt eine positive Bewertung, steigt die Kaufwahrscheinlichkeit um 190 oder sogar 380 Prozent – abhängig von der Preiskategorie.

Umgekehrt erwarten Verbraucher innerhalb der Rating-Economy aber auch, dass ihre Fragen beantwortet werden, respektive Unternehmen auf negative Bewertungen reagieren. Und genau hier wird es für Unternehmen kniffelig. Denn einerseits sind die freiwillig auf den einschlägigen Bewertungsportalen abgegebenen oder von den Unternehmen über Feedback abgefragten Bewertungen ein echter Datenschatz. Andererseits ist die Auswertung dieses Feedbacks umfangreich, ressourcenintensiv und wird deshalb nicht in dem Umfang genutzt, wie es für die Geschäftsentwicklung zielführend wäre.

Stolperstein Sprache

Dass Unternehmen den Datenschatz aus den Bewertungen nicht in dem Umfang nutzen, liegt vor allem an den Freitexten, also an unserer Sprache. Denn Mehrfachantworten in Fragebögen müssen längst nicht mehr manuell ausgewertet werden. Hier unterstützt Künstliche Intelligenz effizient und ressourcenschonend. Bei Freitexten kam sie bisher jedoch schnell an Grenzen. Sprache basiert auf nicht-logischen Mustern, enthält immer subjektive Nuancen und konnte daher nicht ohne Weiteres von KI und Algorithmen ausgewertet werden.

Genau hier setzt Natural Language Processing, kurz NLP, an. Vereinfacht ausgedrückt kann NLP menschliche Sprache analysieren, verarbeiten und im Fall von den oben beschriebenen Kundenbewertungen in konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen übersetzen. Die Stärken von NLP sind dabei vielfältig: Die Technologie kann sowohl die Stimmung zu einem Produkt oder ein für ein Unternehmen wichtiges aufkeimendes neues Thema herausfiltern, automatisierte Feedbackanalysen fahren oder sogar für personalisierte Kundeninteraktionen eingesetzt werden. Stichwort: negative Bewertungen. Und mit der fortschreitenden Evolution der Künstlichen Intelligenz werden sich die Anwendungsgebiete des Natural Language Processing weiter ausdehnen und den Unternehmen ein noch umfassenderes Spektrum an Möglichkeiten eröffnen.

KI – nur so gut wie die Lernmethodik

Wer schon einmal mit einer der vielen verschiedenen KI-Lösungen „gespielt“ hat, die gerade wie Pilze aus dem Boden sprießen, weiß allerdings auch: KI muss erst lernen, bevor sie einen wirklichen Mehrwert bietet. Das gilt aufgrund der subjektiven Nuancen von Sprache umso mehr. Daher ist es beispielsweise für Sentiment-Analysen auch wichtig, einen methodischen Ansatz zu verfolgen.

Unsere Erfahrung zeigt beispielsweise, dass es äußerst sinnvoll ist, KI-Modelle ausschließlich mit Textdaten zu trainieren, die von mindestens drei Fachexperten einheitlich bewertet wurden. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die KI präzise und vor allem qualifizierte Resultate liefert und die analysierten Informationen zuverlässig die höchste Relevanz haben.

Und damit sind wir fast schon wieder zwangsläufig bei den eingangs erwähnten Ressourcen, die Unternehmen in der Regel weder für die manuelle Auswertung und Analyse von Kundenbewertungen noch für ein qualitativ hochwertiges KI-Training haben. Deshalb ist es insbesondere auf dem gerade erst an Dynamik gewinnenden Markt für NLP-Anwendungen sinnvoll, auf einen erfahrenen IT-Dienstleister zu setzen, der nicht nur beraten, sondern vor allem auch die KI so trainieren kann, dass sie einen echten Mehrwert, sprich verlässliche Aussagen für die künftige Unternehmensausrichtung liefern kann.

Potenziale ausschöpfen

Um das volle Potenzial vorhandener Daten auszuschöpfen, braucht es neben erprobten Technologien vor allem bewährte Methoden zur Datenerfassung, Analyse und anschließender Interpretation. Projekte, bei denen umfangreiche Datensätze zum Einsatz kommen und für die eine KI so trainiert werden muss, dass sie wertvolle Erkenntnisse aus ebendiesen Daten ziehen kann, sind anspruchsvoll und haben einen entsprechenden Ressourcenaufwand. Erfahrene IT-Dienstleister profitieren neben ihrem Erfahrungsschatz vor allem auch von der vorhandenen Infrastruktur aus bereits umgesetzten Projekten, sodass Prozesse beschleunigt und valide Ergebnisse schneller erzielt werden können.

Ein Beispiel aus unserem Projektportfolio: Für einen Kunden galt es, monatlich 40.000 Feedback-Formulare nach Wartung und Reparatur von Haushaltsgeräten auszuwerten. Dort wurden vorher aufgrund der schieren Masse die Freitextfelder entweder bewusst ausgespart oder aber nur kurze und gezielte Schlüsselwortanalysen durchgeführt – und auch das war schon zeitaufwendig und eben nur reaktiv. Mithilfe von KI können diese Freitextfelder mittlerweile vollautomatisch und proaktiv ausgewertet werden.

Das Ergebnis sind regelmäßige Berichte – etwa zur Stimmung bei vordefinierten Themen –, quantifiziertes Feedback und somit wertvolle Einblicke. Die von uns entwickelte, innovative Lösung für dieses Szenario überträgt die Feedback-Berichte verschlüsselt in die AWS-Cloud. Die KI erkennt wöchentlich etwa drei kritische Rückmeldungen, die dringende Maßnahmen erfordern. Diese unmittelbare Reaktionsfähigkeit steigert die Effizienz der Unternehmensabläufe erheblich. Zudem erlaubt die selektive Identifizierung unserem Kunden, nicht nur auf Probleme zu reagieren, sondern auch den Effekt von Implementierungsverbesserungen zu analysieren.

Wirtschaftliches Potenzial ist immens

Diese konkrete NLP-Anwendung zeigt eindrucksvoll, welches Geschäftswachstum aus dem frei von Kunden zur Verfügung gestellten Feedback gehoben werden kann – von der insgesamt deutlich verbesserten Kundenzufriedenheit einmal abgesehen. Allerdings erfordert ein solches Ergebnis eben auch eine gewisse Vorarbeit, sprich, initiale Investitionen, wozu vor allem ein durchdachtes Training mit echten Daten gehört.

Wer bei der Umsetzung solch komplexer, jedoch zukunftsweisender Projekte auf einen versierten IT-Dienstleister setzt, erhält wertvolle Einblicke, die das Tor zu einem besseren Kundenverständnis und damit gezielten strategischen Unternehmensentscheidungen öffnen. Es ist eben ein dynamisches Zusammenspiel zwischen fortschrittlicher NLP-Technologie und kompetenter Beratung, die diese vorhandenen, aber bisher nur schwer zugänglichen Daten erschließt – und die könnten in Zukunft der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein.

Enrico Abate-Daga, Circle Lead Analytics and Digital Process Automation bei der Beck et al. Services GmbH.

Beck et al. Services GmbH