Generative KI eignet sich besonders gut für die Informationsrecherche. Wenn Unternehmen die Technologie auf eigene Daten und Prozesse ansetzen, können KI-Assistenten mit Spezialwissen zu Optimierung und Automatisierung beitragen. Dafür ist jedoch eine fundierte Strategie notwendig. Im Juni stellen wir uns die Frage, wie weit sich AI-Tools bereits im Unternehmensalltag durchgesetzt haben. Es antwortet Hans-Peter Gasser, Customer Strategy Manager bei Cosmo Consult.

Die Ergebnisse und Optimierungsvorschläge von KI-Assistenten, die auf Large-Language-Modellen wie ChatGPT (LLM) basieren, können viele Prozesse im Unternehmen verändern. Das ermöglicht mehr Produktivität und eine höhere Geschwindigkeit. Die Deloitte-KI-Studie 2024 unter 2000 Führungskräften zeigt, dass zwar 91 Prozent der deutschen Unternehmen eine Produktivitätssteigerung durch den verbreiteten Einsatz von Gen AI erwarten. Andererseits geht bisher nur etwa ein Viertel der Befragten davon aus, dass ihr Unternehmen strategisch gut auf die Gen-AI-Nutzung vorbereitet ist. Im Vergleich zu anderen Ländern sind deutsche Unternehmen auch deutlich zögerlicher bei Training und Weiterbildung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Eigene Wissenssysteme aufbauen

Vor allem gilt es, über den Tellerrand zu schauen. Bisher werden LLM vor allem genutzt, um Texte zusammenzufassen oder Vorschläge für die Texterstellung zu machen. Zum Beispiel helfen integrierte KI-Assistenten wie Microsoft Copilot dabei, aus vorhandenen Datenblättern Produktbeschreibungen für den Webshop zu erstellen oder Angebote zu schreiben. Auch beim Vergleichen von Requirements im Engineering oder der Optimierung von Trainings kann Gen AI einen wichtigen Beitrag leisten.

Doch Unternehmen können insbesondere von weiteren Fähigkeiten der Gen AI auf der Grundlage von großen Sprachmodellen profitieren: Ein zentraler Aspekt ist die damit verbundene Innovationskraft. Die Technologie kann viele kreative Denkanstöße geben, auf die Menschen, die vor dem Hintergrund vorhandener Prozesse und Systeme denken, so schlicht nicht gekommen wären. Werden LLM zum Beispiel darauf angesetzt, wie sich der Deckungsbeitrag erhöhen lässt, kommen oft überraschende Ideen heraus. Sie sind zwar nicht immer gleich nachvollziehbar, doch meist lohnt sich ein zweiter Blick darauf. Ein besonderes Potenzial entsteht, wenn LLM auf die eigenen Daten und Prozesse im Unternehmen angesetzt werden. Mit individuellen, hochspezialisierten Wissenssystemen kann beispielsweise die Produktentwicklung optimiert werden oder die zunehmende Dynamik in den Lieferketten in die Beschaffung einbezogen werden. Dafür analysiert die KI, was sich etwa hinsichtlich Wetterereignissen, politischer Veränderungen oder Streiks entlang der Supply Chain tut.

Noch gibt es viele Herausforderungen…

Noch sind beim Experimentieren mit LLM immer wieder Lücken erkennbar. Im Schnitt sind rund 25 Prozent der Antworten nicht nutzbar. Oft liegt es daran, dass Parameter verglichen werden, die auf den zweiten Blick nicht zueinander passen, häufig werden unwichtigere Details zu stark in den Fokus genommen. Es ist also noch Aufwand nötig, um die richtigen Parameter zu priorisieren. Ein anderes Problem nennt sich „lost in the middle“: Beim Konsumieren von PDF-Dateien wird der Mittelteil nicht mehr richtig verstanden. Dieses Problem ist bereits erkannt worden und die Anbieter unternehmen Anstrengungen, Lösungsansätze zu finden. In vielen Bereichen, in denen es auf exakte Information ankommt, zum Beispiel in Qualitätsmanagementprozessen oder wenn in der Produktentwicklung die gesetzlichen Vorgaben abgeglichen werden sollen, ist also noch Vorsicht angesagt. Zugleich bieten eigene Wissenssysteme auf Basis von LLM gerade dort, wo bisher noch viel menschlicher Recherche- und Abgleichaufwand notwendig ist, ein hohes Potenzial. Dass nicht einfach auf die Technologie vertraut werden kann, ist für viele Unternehmen derzeit noch eine große Herausforderung. Einerseits gilt es, von der Innovation zu profitieren, andererseits ist noch manuelles Nachprüfen nötig.

…doch die Dynamik wird viele Hürden überwinden

Es ist aber wichtig, die hohe Dynamik bei Gen AI in die Strategie mit einzubeziehen. Praktisch wöchentlich gibt es neue Features und Verbesserungen in der Technologie. Das heißt, dass Anwendungsszenarien, die vielleicht auf den ersten Blick nicht ohne weiteres umsetzbar waren, es kurze Zeit später bereits sein könnten. Die Auseinandersetzung mit den veränderlichen Möglichkeiten ist also besonders zentral. Gerade aus Wettbewerbssicht ist es dringend notwendig, die Potenziale zu erfassen. Indem Unternehmen immer mehr eigene „GPTs“ (Generative Pre-trained Transformer) erschaffen und mit den Daten für einen spezifischen Wissensbereich füttern, desto mehr Nutzen können sie daraus ziehen. Damit lassen sich beispielsweise  ein paar Prozent mehr zum Deckungsbeitrag generieren, die im Wettbewerb den Unterschied machen. Die KI-Studie zeigt auch, dass sich deutsche Unternehmen weniger Sorgen machen, dass Gen AI eine Bedrohung für ihr Geschäftsmodell sein könnte, als es im internationalen Vergleich der Fall ist. Hier sollte stärker auf das Innovationspotenzial geachtet werden, anstatt nur Produktivitätsgewinne zu fokussieren.

Einkaufsprozesse verändern sich mit Gen AI

Derzeit  verändert sich beispielsweise, wie Einkäuferinnen und Einkäufer Produkte vergleichen, indem sie zunehmend  Gen AI auf die Beschaffungsprozesse ansetzen. Gerade für Unternehmen, die sich in einem besonders harten Wettbewerb befinden, wird es erfolgsentscheidend sein, wie sich ihre Produkte von außen bewerten lassen. In Zukunft geht es nicht mehr nur darum, wie Menschen schnell Informationen aus Produktbeschreibungen und Datenblättern aufnehmen. Analog zur Umstellung auf die SEO-Optimierung von Websites, die auf eine bessere Auffindbarkeit für Suchmaschinen abzielt, müssen jetzt Produktspezifikationen, Konditionen, Lieferzeiten oder Nachhaltigkeitsaspekte besser maschinenlesbar werden. Hier gilt es, zu experimentieren, wie die Fragen (Prompts) von Einkaufsorganisationen aussehen und wie die eigenen Inhalte so granular optimiert werden können, dass sie für die KI-Modelle passende Informationen bereitstellen. Auch im eigenen Einkauf sollte diese Vorgehensweise genutzt werden, um das beste Angebot zu finden.

Einarbeitung und Arbeitsanweisungen erleichtern

Vor allem dort, wo Gen AI zusammen mit anderen Technologien gedacht wird, ergibt sich ein größerer Hebel.  Das gilt etwa für die Verbindung mit Augmented und Mixed Reality. Wenn KI-Assistenten per AR-Brille durch einen Prozess führen, können auch Beschäftigte mit weniger Erfahrung Teile montieren, die richtige Entscheidung im Logistikprozess treffen oder einen Fehler an einer Anlage beheben. Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass sich die Anleitung an die Sprache der jeweiligen Person anpassen lässt. Insofern wird auch das Training von Arbeitskräften mit wenig Sprachkenntnis und die Einarbeitung neuer Arbeitskräfte generell mit Gen AI vereinfacht. In Verbindung mit dem ERP-System sorgen LLM dafür, viele Aufgaben zu vereinfachen. Das gilt etwa bei der Erstellung von Angeboten oder der Stornierung von Aufträgen und Belegen mit den damit verbundenen Arbeitsschritten.

Sicherheit: Vertrauen in Gen AI schaffen

Für den professionellen Einsatz von LLM in Unternehmen braucht es ein durchgängiges Datenschutz- und Datensicherheitskonzept mit verbindlichen Guidelines. Bei den meisten frei verfügbaren LLMs fließt das Wissen, das in einem Prompt an den Chatbot weitergegeben wird, in dessen allgemeines Trainingsmaterial ein. Auf diesem Weg könnten sensible Kundendaten oder intellektuelles Eigentum zum Beispiel zu Herstellungsprozessen unbeabsichtigt zum Allgemeingut werden. Geeignet sind deshalb nur lokale KI-Modelle, die am eigenen Server betrieben werden. Viele Anbieter haben die Herausforderung für Unternehmen hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit erkannt. So garantiert etwa Microsoft für die Assistenztechnologie Copilot oder für Azure OpenAI Service, die auf ChatGPT von OpenAI basieren, dass die Datenschutzvorgaben eingehalten werden. Auch Open-Source-LLM wie Command R Plus oder Lama3 von Meta können lokal installiert werden. Angesichts der Dynamik im Markt sollten sich Unternehmen jetzt intensiv mit dem Angebot und der Technologie auseinandersetzen. Erfahrene Beratungspartner können helfen, Potenziale für das jeweilige Business, passende Lösungen und eine sinnvolle Strategie zu identifizieren. Wer Gen AI früh und kontinuierlich für sich erprobt, kann schnell von Verbesserungen profitieren und sich einen Vorsprung am Markt erarbeiten.

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Hans-Peter Gasser, Customer Strategy Manager bei Cosmo Consult Quelle: Cosmo Consult

Hans-Peter Gasser, Customer Strategy Manager bei Cosmo Consult