Schön ist, dass die neuen Möglichkeiten von Workplace 2.0 so eindrucksvoll sind. Der gesamte technologische Ansatz ist visionär und faszinierend. Schade ist, dass genau dies Unternehmen und IT-Leiter verwirrt. Was sollen Unternehmen jetzt tun? Wer die Version 1.1 von Lotus Workplace kannte, tat sich mit der Positionierung leicht. Unterstützt wurden nur Thin Clients und von Collaboration war kaum eine Spur vorhanden. Schnell hatte man Workplace als „Light Mail“ abgestempelt. Es würden sich große Gruppen von Mitarbeitern – beispielsweise in der Produktion oder in bestehende Mail-Systeme – einbinden lassen, ohne die breite Nutzerschar mit unnötigem Feature-Reichtum zu belasten. Aber: Für anspruchsvolle Mail-Anwendungen und Teamarbeit war es nicht zu empfehlen. Die Notes/Domino-Gemeinde lehnte sich beruhigt zurück.


Client Zugriff auf Lotus Workplace

Zeitenwende: Rich Client

Mit Workplace 2.0 hat diese Ruhe ein Ende: Mit den Modulen Workplace Messaging, Workplace Documents, Workplace Team Collaboration, Workplace Collaborative Learning und Workplace Content Management zeigt Lotus Workplace sein enormes Potenzial als Collaboration Software. Die größte Erweiterung aber bringt der Workplace Rich Client mit seinem Funktionsumfang und seinen Offline-Möglichkeiten. Derzeit gibt es lediglich diese Rich-Client-Unterstützung für Workplace Messaging und Workplace Documents. Dieses Angebot wird seitens IBM künftig kontinuierlich erweitert. Dabei basiert der Workplace Client auf der neuen Eclipse 3.0-Client-Plattform.


Rich Client

Diese neuen Möglichkeiten für den Anwender sind bei Workplace 2.0 mit einer hohen Flexibilität für Administratoren kombiniert. So lassen sich – unabhängig vom Betriebssystem – alle Thin und Rich Clients zentral administrieren und über so genannte Policies kann ein anwendergerechter Funktionsumfang ohne großen Managementaufwand bereitgestellt werden. Durchgängig Java- und Standard-basierend (nicht nur über zusätzliche Layer adaptiert!) und mit integriertem Websphere-Portal erlaubt Workplace eine einfache Integration der eigenen Module sowie von Fremdapplikationen. Es stehen bereits viele Portlets zur Verfügung, mit denen beispielsweise Exchange oder Domino in die Portaloberfläche integriert werden können. Durch die konsequent modulare Struktur und die strenge hierarchische Trennung von Data Storage, Web Application Server, Websphere Portal und Client ist ein flexibles Customizing auf Basis allgemeiner technologischer Standards möglich.

Auch bei den Lizenzkosten verspricht Workplace Vorteile. Besteht die Möglichkeit, viele Anwender mit Thin Clients auf Linux-Systemen zu integrieren, können in Unternehmen erhebliche Ersparnisse realisiert werden. Gleichzeitig bieten die modulare Struktur von Workplace und die Integrationsmöglichkeit von Fremdapplikationen einen erheblichen Investitionsschutz für bestehende und künftige Anwendungen.

Mit der Einführung von Workplace 2.0 wird die Workplace-Strategie der IBM zum ersten Mal mit Leben gefüllt. Jetzt müssen sich die Domino/Notes Anwender erstmals ernsthaft Gedanken machen, welche Rolle Workplace in ihrer IT-Strategie spielen wird.


Lotus Workplace Architektur

Die Praxis

Während Version 1.1 nur Andeutungen enthielt und eher ein „Proof of Concept“ war, ist der Version 2.0 ein Riesenschritt gelungen. Vision und Möglichkeiten von Lotus Workplace können überzeugen. Wie sieht es aber jetzt im Unternehmensalltag aus? Was konkret kann und sollte ein IT-Leiter machen? Wie verhalten sich Unternehmen, die derzeit Domino/Notes einsetzen?

Pauschal lassen sich diese Fragen sicherlich nicht beantworten, zu unterschiedlich sind Bedürfnisse und Situation in den einzelnen Unternehmen. Aber es lassen sich durchaus Empfehlungen begründen und formulieren.


Thin Client

Szenario 1:

Mittelständler mit 200-300 Arbeitsplätzen

Kosten- und Wettbewerbsdruck lassen diesen Unternehmen meist wenig Raum für Experimente. Das gilt auch für die IT-Abteilung, die in aller Regel neben dem Administrator- und Support-Alltag nur wenig Zeit hat, um neues Know-how aufzubauen. Und hier liegt die erste Hürde: Workplace 2.0 Know-how ist noch wenig verbreitet. Ein weiterer Punkt folgt aus der konsequenten Modularität von Workplace: Für Administration und Programmierung bedarf es Kenntnisse über jeden Layer – vom Data Storage bis zum Client. Derzeit hat man ohne DB2-Kenntnisse wenige Chancen. Dies dürfte insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen eine große Hürde darstellen.

Vergleicht man eine Domino/Notes-Lösung mit Workplace, so muss zusätzlich konstatiert werden, dass die Hardware-Anforderungen bei Workplace deutlich höher liegen. Positiv ausgedrückt: Workplace ist absolut skalierbar angelegt. Allerdings: Rosige Zukunftsaussichten mit vielen neuen Mitarbeitern sind derzeit nicht das gängige Arbeitsszenario für IT-Abteilungen. Der IT-Leiter wird es also schwer haben, die höheren Anfangsinvestitionen zu begründen – selbst wenn sich dies später durch geringere Administrations- und Lizenzkosten rechnen wird.

Knapp gesagt: Für kleinere Mittelständler ist der Ein- oder Umstieg in Lotus Workplace derzeit wohl nicht zu empfehlen. Hier ist Domino/Notes mit dem allseits verfügbaren Know-how, seinen „Extended Products“ – wie beispielsweise QuickPlace, Sametime und Workflow – die bessere Wahl. Auch die Anfangsinvestitionen in die Hardware liegen bei dieser Lösung niedriger.

Interessant dürfte Lotus Workplace hier erst mit der Zeit und mit wachsendem, allgemein verfügbarem Know-how werden. IBM und Lotus ist darüber hinaus zu empfehlen, für diese Unternehmen künftig Express-Versionen mit fertig konfigurierten „Out-of-the-Box“-Funktionen anzubieten. Diese böten den IT-Abteilungen die Möglichkeit, Basis-Funktionalitäten sehr schnell anbieten und unterstützen zu können.

Szenario 2:

Mittelständler ab 2.000 Arbeitsplätzen

Know-how und praktische Erfahrungen mit DB2 oder anderen Data Storage-Systemen sind in Unternehmen dieser Größenordnung oftmals verfügbar. Die Hardware-Investitionen für Workplace fallen kaum ins Gewicht, da ab dieser Größenordnung auch für andere Lösungen getrennte Daten- und Applikations-Server zu empfehlen sind. Und: Es gibt voraussichtlich eine hohe Anzahl von Anwendern, die lediglich Thin Clients benötigen. Die anforderungsgerechten, policy-definierten Funktions- und Applikationsangebote sind hier sehr willkommen: Erhebliche Einsparungen bei Lizenzen und Administrationsaufwand könnten realisiert werden.

Diese Vorteile würden sicherlich eine kurzfristige Migration von bestehenden Lösungen auf Workplace 2.0 noch nicht rechtfertigen. Immerhin handelt es sich bei Workplace um eine sehr junge Lösung, ein Systemwechsel ist in diesem Fall kaum zu vertreten.

Anders verhält es sich allerdings, wenn das Unternehmen weitere Niederlassungen anbinden oder bestehende Systeme um Collaboration-Funktionen ergänzen will. Das dürfte insbesondere für Unternehmen interessant sein, die bisher auf Exchange-Lösungen setzten: Sie haben jetzt die Möglichkeit, ihren Anwender sukzessive und rollendefiniert Collaboration-Tools zur Verfügung zu stellen, ohne ihre Systeme generell umstellen zu müssen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein international tätiges Pharma-Unternehmen hatte wegen des Administrationsaufwandes bisher darauf verzichtet, seine asiatischen Niederlassungen in die Notes/Domino-Systeme zu integrieren. Mit Workplace 2.0 wurden die Mitarbeiter in den Niederlassungen jetzt als Thin Clients sehr kostengünstig an das e-Mail-System angeschlossen. Damit hat man gleichzeitig eine Architektur etabliert, um über das Websphere-Portal künftig einen Zugriff auf die ERP-Anwendung des Unternehmens zu erlauben. Die Administration aller Clients erfolgt zentral aus Europa heraus.

Damit zeigt sich, dass Workplace für die Anbindung zusätzlicher Arbeitsplätze oder für die Einführung von Collaboration-Tools attraktiv sein kann. Nicht zuletzt auch deshalb, weil solche Anwendungen für die IT-Abteilungen eine sehr gute Möglichkeit darstellen, um das notwendige Know-how aufzubauen. Denn klar ist: IT-Abteilungen großer Mittelständler werden die enormen Chancen von Workplace auf Dauer nutzen müssen.

Szenario 3:

Unternehmen ab 9.000 Arbeitsplätzen

Für diese Unternehmen gilt: Setzen sie sich mit den Möglichkeiten von Workplace möglichst bald auseinander! Auch wenn eine komplette Migration auf Workplace noch keine Option ist: Die technologischen Möglichkeiten sind so vielversprechend und die Möglichkeiten zu Lizenzkosten-Einsparungen so groß, dass Workplace künftig eine der Grundstrategien für IT-Architekturen in diesen Unternehmen sein wird.

Mit Websphere Portal ist zudem die Portal-Infrastruktur in Workplace integriert. Bereits jetzt stellen Lotus und IBM Portlets für verschiedene Anwendungen zur Verfügung. Die einzelnen Arbeitsplätze und deren Zugriffsrechte lassen sich ohne großen Customizing-Aufwand zentral individualisieren und gruppieren. So können anforderungsgerechte Umgebungen für die einzelnen Mitarbeitergruppen gestaltet werden.


Skalierbarer Aufbau

Fazit

Java-basiert, komplett modular, das Nebeneinander von Thin Clients und Rich Clients sowie die Bereitstellung von leistungsstarken Collaboration-Tools: All dies wird Workplace zu einem zentralen Element künftiger Unternehmens-IT machen. Doch noch fehlen einige Funktionalitäten und das breit verfügbare Know-how, um einen Umstieg von bestehenden, funktionierenden Architekturen zu rechtfertigen. Domino/Notes-Anwender sollten sich nicht zu Aktionismus verleiten lassen – Lotus hat mit der Ankündigung neuer Versionen sein Commitment bekräftigt. Domino/Notes und Workplace werden über lange Zeit parallel bestehen. Teilprojekte im Collaboration-, Messaging- und Portal-Bereich auf Workplace-Basis sind bereits heute erfolgsversprechend – insbesondere für größere Unternehmen.

Autoren: Marcus Lonker, Teamleiter Consulting Corporate Messaging, Spezialgebiete: Messaging und Collaboration mit den Schwerpunkten Lotus Domino/Notes und SMTP-Systeme, und Oliver Kirmaier, Senior Consultant Corporate Messaging, Spezialgebiete: Beratung in den Bereichen Messaging und Groupware

Fachautoren: Marcus Lonker und Oliver Kirmaier, retarus GmbH München consulting@retarus.de