Noch vor nicht allzu langer Zeit als ’Freak-Ware’ belächelt, hat sich Linux längst etabliert und auch im mittelständischen Umfeld vermehrt Einzug gehalten. Dabei geht es seltener um Philosophie-getragene Entscheidungen. Linux setzen die Unternehmen als Betriebssystem im Sinne des Best-of-Breed-Gedankens gezielt dort ein, wo es unter Kosten/Nutzen-Aspekten am sinnvollsten erscheint.

Kein Paradiesvogel mehr

In den letzten Jahren ist eine nicht zu übersehende Anwenderbasis entstanden, die sich für den Open-Source-Weg mit Linux entschieden hat. Aus einer wachsenden Fangemeinde ist eine breite und vor allem solide Anwenderschaft geworden; und wie solide diese ist, zeigt gerade die steigende Anzahl mittelständischer Anwenderunternehmen: Wo ehemals noch Paradiesvögel den Free-License-Gedanken von der Uni in die Unternehmen getragen haben, treffen mittlerweile auch erfahrene IT-Manager ihre Entscheidung pro Linux – und das unter völlig rationalen Gesichtspunkten.

Zur Alternative herangewachsen

Schließlich zeichnet sich Linux als sicheres und stabiles Betriebssystem aus, das sich von seinem Image als ’Hackers liebstes Kind’ gelöst und zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz für etablierte kommerzielle Systeme entwickelt hat. Dabei geht es in der Diskussion um weitaus mehr als ein Votum für oder gegen Microsoft; die steigende Anzahl verfügbarer Applikationen macht Linux beispielsweise für Unix-basierte Welten zur Alternative, und auch die parallele Partition neben OS/400 ist keine Seltenheit mehr.

Stabil und sicher

Die Gründe für den Siegeszug des erst seit zehn Jahren verfügbaren Betriebssystems sind sehr vielschichtig. So kann die Stabilität durchaus in einem Atemzug mit der von OS/400 genannt werden, zumal es so gut wie unmöglich ist, einen Linux-Rechner zum Absturz zu bringen. Auch die Sicherheit gehört zu den Big Points, Virenangriffe sind äußerst selten und Programmfehler werden innerhalb kürzester Zeit behoben. Hinzu kommt eine ansprechende Performance des Open-Source-Betriebssystems, die gerade für einen Einsatz im Server-Bereich spricht.

Im Support überlegen

Große Vorteile bietet außerdem der Support, der zum Teil von professioneller Seite angeboten wird, dessen Rückgrat jedoch ohne Vergleich zu anderen Systemwelten von einer großen, heterogenen Community getragen wird. Die Unterstützung deckt alle nur denkbaren Bereiche ab: ob Firewall, Web- und e-Mail-Server, VPN- oder Proxy-Server, Fax- oder auch RAS-Server, von Datenbank-Server über ERP-Systeme, Groupware bis hin zu E-Learning-Plattformen. Und gerade in Zeiten immer komplexer werdender Support-Thematiken wirkt sich die breite und in aller Regel schnell reagierende Basis gewinnbringend aus. Last but not least sind die laufenden Kosten minimal, insbesondere für Administration und Support, angesichts vergleichbar effizienter Ressourcen-Nutzung aber auch für die Aus- und Aufrüstung der Hardware.

Auf die Plätze … fertig … Linux!

Durch die Initiative des finnischen Studenten Linus Benedict Torvalds und seiner intensiven Auseinandersetzung mit dem Lehrbetriebssystem Minix ist in den frühen 90er Jahren ein komplett neuer Betriebssystem-Kernel entstanden, der unter der Bezeichnung Linux (steht für: Linus’ Unix) Furore machen sollte. Der über FTP im Internet verbreitete Quellcode und der Aufbau einer entsprechenden Newsgroup ermöglichten eine kollaborative Weiterentwicklung, die vor zehn Jahren, im März 2004, zur ersten offiziellen Linux-Version 1.0 führte – das erste Betriebssystem seiner Art, komplett über das Internet und auf viele Schultern verteilt entwickelt.

Ein Thema für Big Blue

Seit etwa fünf Jahren beteiligt sich die IBM an der Entwicklung. Der aktuelle Themenschwerpunkt konzentriert sich dabei auf Workload-Konsolidierung, Linux-Cluster, Anwendungsszenarien mit IBM-Linux-Software, den Einsatz in so genannten Appliances wie Web-, File-, Datei-, Mail-, Firewall oder DNS-Servern und zu guter Letzt Kiosksysteme, zum Beispiel für Warenhäuser oder Kinos. Konkrete IBM Anwendungsbeispiele sind sowohl die Softwareprodukte Lotus Domino und Lotus Workflow als auch die unter dem OpenSource-Betriebssystem verfügbare Software-Plattform WebSphere. Als bevorzugte Hardware-Basis setzt IBM in erster Linie auf ihre Modellreihe der xSeries, allerdings läuft Linux genauso auf der pSeries, zSeries und natürlich – wie sollte es anders sein – auf der iSeries.

Der Mittelstand begeistert sich

Linux ist gerade heute auch im Mittelstand ein großes Thema. Ein Beispiel von vielen ist die Carl Martin GmbH aus Solingen: Der Anbieter von zahnmedizinischen und kieferchirurgischen Artikeln beschäftigt knapp 50 Mitarbeiter und liefert seine rund 2.300 Produkte weltweit in über 60 Länder. Der Entschluss zugunsten einer Linux-basierten ERP-Lösung von Parity Software fiel dort insbesondere aufgrund der Ausfallsicherheit sowie Systemtransparenz und stützte sich auf gute Erfahrungen mit einem bereits unter Linux laufenden Internet-Server. „Mit dem Einsatz des Applikationsservers unter Linux konnten wir weiterhin an der gewohnten Stabilität unserer Warenwirtschaft festhalten“, so IT-Leiter Guido Höttges. „Neben dem Preisvorteil liegt die große Stärke einfach in der Hochverfügbarkeit und in der technologischen Zuverlässigkeit – in der Regel läuft ein solches System über Jahre ohne Probleme.“

Linux wohin man schaut

Auch der dm-drogerie markt aus Karlsruhe hat Ende 2003 seine 660 deutschen Filialen auf Linux-Kassensysteme umgerüstet. „Mit der Umstellung aller Kassen auf Linux haben wir eine schlanke und zugleich moderne IT-Struktur geschaffen, die besonders anpassungsfähig an neue Gegebenheiten ist“, begründet Geschäftsführer Manfred Stoffel-Kehry die Entscheidung. Ebenfalls den Open Source-Weg ist der über 90 Mitarbeiter zählende Anbieter von Data Quality Solutions Uniserv aus Pforzheim gegangen. Mit Weblication CMS von Scholl Communications kommt dort ein Content Management System zum Einsatz, das etwa 1.000 Webseiten und die rund 150 PDF-Dokumente mühelos verwaltet; sowohl bei dem Produktions- als auch dem Live-Server handelt es sich um Linux-basierte Apache Server.

Best-of-Breed für die iSeries

Auffällig ist, dass Linux nur selten als der Weisheit letzter Schluss herausgestellt wird, sondern eher punktuell zum Einsatz kommt – Best-of-Breed sozusagen. Letztendlich ist dabei auch zu bewerten, wie unternehmenskritisch, wartungsintensiv oder auch Performance-abhängig das jeweilige IT-Gebiet ist. Fest steht, dass das Open Source-Betriebssystem in Kombination mit dem Betriebssystem OS/400 auf der iSeries die Midrange-Plattform für neue Anwendungen öffnet, weil so auch nicht speziell für die iSeries entwickelte Applikationen ohne aufwändige Anpassungen eingesetzt werden können.

Penguin’s Law

Natürlich gibt es auch Schattenseiten, die angesprochen sein sollten. So ist Linux relativ schwer zu installieren, und angesichts einer wachsenden Zahl von Lösungen – Murphy lässt grüßen – ist gerade das Programm nicht verfügbar, das man benutzen will. Dazu gehören beispielsweise etablierte Produkte wie Adobe Photoshop genauso wie die Microsoft Office-Tools. Zudem bieten manche Hardware-Hersteller keinerlei Treiber für Linux an, was man spätestens bei der Installation schmerzlich bemerkt – und die Plug-and-Play-Unterstützung ist als dürftig zu bezeichnen.

Goldene Aussichten

Nichtsdestotrotz steht der kleine sympathische Pinguin mit Namen Tux für Wachstum, wie zuletzt der 40-prozentige Zuwachs der Ausstellungsfläche der Linux World Expo in Frankfurt verdeutlichte: Statt 80 Ausstellern hatten sich 143 angemeldet, darunter Größen wie HP, IBM oder Fujitsu-Siemens. Linux scheint hierzulande vor einer goldenen Zukunft zu stehen, Schätzungen von IDC zufolge sollen sich alleine schon die Absatzzahlen von Linux-basierten Servern in Westeuropa bis 2007 verdreifachen. Dennoch ist der langfristige Erfolg des Systems von der Entscheidungsfreude gerade auch der mittelständischen Anwender abhängig. Hinter Linux steht nun einmal keine große Software-Firma, die mit lautem Trommelwirbel auf ihr Produkt aufmerksam macht. Vor diesem Hintergrund freut es uns ganz besonders, Ihnen mit dieser Ausgabe Ihres Midrange Magazins das Thema Linux vielleicht etwas schmackhafter zu machen. In diesem Sinne: Viel Vergnügen beim Lesen!

M.W.