Neben dem „Bürokraten-Image“ ist es vor allem das der „Dienstleistungswüste“, das sich den Deutschen so hartnäckig ans Bein geheftet hat. Der Service am Kunden – anderenorts eine für beide Seiten gewinnbringende Selbstverständlichkeit – scheint hier mit einem faden Beigeschmack behaftet zu sein. Gilt das auch für IT-Services?
Auf Normalmaß reduziert
Ganz abgesehen von der Pizza-Auslieferung für die Programmierer-Nachtschicht kennt die IT-Dienstleistung heutzutage sehr viele Facetten. Dabei geht es um externe Unterstützung in Marketing und Vertrieb genauso wie um Integration von Applikationen und Infrastruktur inklusive Plattformen, Netzwerke und Datenbanken. Aber auch das Erstellen und Umsetzen von Security-Konzepten, Schulungen, Support sowie Consulting-Dienstleistungen gehören dazu. Dabei bläst gerade der IT-Industrie nach den Jahren kontinuierlichen Aufschwungs der scharfe Wind ins Gesicht – und auf den Dot-com-Hype folgte weltweit das Zurückfahren auf das Normalmaß.
Operative Services bevorzugt
Längst hat der Anteil an Dienstleistungen am gesamten IT-Markt die 40-Prozent-Hürde überschritten, und IT-Services nehmen einen immer gewichtigeren Anteil an den Budgets der Unternehmen an. Generell lässt sich eine Art Zweiklassen-Gesellschaft ausmachen, die beratende von operativen Dienstleistern unterscheidet. Angesichts knapper Kassen ist die Tendenz nicht zu übersehen, dass deutsche Firmen eher bereit sind, ihre Budgets für operative als für rein beratende Tätigkeiten zu vergeben. Trotz Konjunkturflaute sind daher die Services relativ zu den gesamten IT-Budgets gesehen ein wachsender Markt, und zwar hauptsächlich dann, wenn mit ihrer Hilfe konkrete Projekte in Gang gebracht werden. Schließlich ist das Prinzip des Return on Investment (ROI) nicht nur auf Produkte anzuwenden. Auch Dienstleistungen müssen sich bezahlt machen.
Rechenzentrum, ASP & Co.
Ein Wachstumspotenzial wird nach wie vor der Auslagerung von IT-Leistungen zugesprochen. Hier könnten Systemhäuser von der Verschlankung der Unternehmen profitieren. Wenn zum Beispiel Größen wie die Dresdner Bank auf Konzerndruck gezwungen sind, bis zum Jahr 2005 allein im IT-Bereich eine Milliarde Euro einzusparen (neun Nullen hinter der Eins!), dann ist in diesem Kontext auch von der möglichen Auslagerung größerer IT-Teile die Rede. Für die IT-Dienstleister liegt darin die Chance, auch auf lange Sicht stabile Umsätze aufzubauen.
Wer trägt die Verantwortung?
Das Thema Outsourcing ist eng verbunden mit der Frage von Verantwortlichkeiten. Denn im Fall der Fälle ist niemand Schuld, und die Verantwortung wird wie eine heiße Kartoffel „weitergereicht“. Szenario: Ein Unternehmen will sein System durch eine neue und durchgängige ERP-Software ersetzen. Diese soll von der Auftragsbearbeitung über die Bestellung bei Zulieferern bis hin zur Auslieferung und Fakturierung den gesamten Produktions- und Logistikprozess deutlich vereinfachen und beschleunigen. Ein System-Integrator wird mit der Implementierung beauftragt. Nach aufwendigem Testen, Korrigieren und Schulen sowie einem vierwöchigen Probelauf beginnt der Echtbetrieb – out of time and budget. Unvorhergesehene Probleme führen dazu, dass für den Tagesbetrieb wichtige Informationen an entscheidungsrelevanten Stellen fehlen, und um wenigstens einigermaßen lieferfähig zu bleiben, müssen Bestände in ungewöhnlicher Höhe teuer aufgebaut werden. Selbst ein neues Logistik-Zentrum kann wegen der ERP-Probleme seinen Betrieb nicht zum geplanten Zeitpunkt aufnehmen, es kommt zu fast halbjähriger Verspätung.
Erheblicher Schaden
Unterm Strich haben das misslungene Projekt und die damit einhergehenden Prozess-Störungen in den elementaren Abläufen erhebliche Schäden verursacht. Hinzu kommen Umsatzeinbrüche durch Lieferprobleme, außerdem Imageschäden und Vertrauensverluste auf der Kundenseite, die sich nur schwer quantifizieren lassen. Der Konkurrent hat sich angesichts dieser Misere kräftig die Hände gerieben. Woran lag es? An dem Produkt, am Integrator oder am beteiligten Projektteam des Anwenders, der nach dem Datengau erst mit großer Mühe wieder Fuß fassen konnte?
Sorgfältig auswählen und sinnvoll planen
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, bereits im Vorfeld nicht nur das passende Produkt auszuwählen, sondern auch dessen saubere und zeitgerechte Einführung sicherzustellen. Hier ist insbesondere abzuwägen, wie weit eine eigene Projektbeteiligung mit Hinblick auf Ressourcen und Know-how möglich, auf der anderen Seite sogar unbedingt notwendig ist. Bei der Auswahl des System-Integrators ist sowohl auf dessen fachspezifische Kompetenz als auch auf die Kapazitäten zu achten. Außerdem hat der ganzheitliche Ansatz überzeugende Vorteile: Das bloße Implementieren und gerade mal so am Laufen halten einer Software mag zwar vordergründig günstig erscheinen, wer eine ERP-Software jedoch effizient nutzen will, muss sowohl die Prozesse abstimmen als auch die User – und zwar die aktuellen und die künftigen – mit dem System vertraut machen.
So auch die Erfahrung von Werner Gertz, Geschäftsführer des auf SAP- und J.D. Edwards-Projekte spezialisierten Beratungshauses Schmücker & Partner: „Gerade in der kontinuierlichen Betreuung liegt ein erhebliches Erfolgspotenzial für die Anwenderunternehmen. Schließlich sind Prozesse keine starren Gebilde, ganz im Gegenteil bringt die Anforderung nach Flexibilität regelmäßig eine Dynamik mit sich, die nur ein Dienstleister sicher und schnell auffangen kann, der die Feinheiten des Unternehmens auch wirklich kennt.“
Do what you can do best – outsource the rest
Die Beauftragung eines Dienstleisters entspricht letztendlich dem Best-of-Breed-Gedanken: für jede Aufgabe denjenigen einsetzen, der sich dafür am besten eignet. Meist ist es einfach sinnvoller, sich auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren und für andere Aufgaben Spezialisten hinzuzuziehen – Schuster, bleib bei deinen Leisten, wie es so schön heißt. Damit einher geht jedoch auf keinen Fall der Freibrief zum Wegschauen und Daumendrehen. Ganz im Gegenteil sollte man stets darauf achten, alle Vorgänge zeitnah im Überblick zu verfolgen, um nötigenfalls intervenieren zu können.
Services für jedermann?
Es bleibt die Frage zu klären, für wen IT-Services überhaupt sinnvoll und vor allem bezahlbar sind. Kann es sich auch ein kleineres Haus leisten, IT-Dienstleistungen komplett auszulagern? Oder sind es vielleicht gerade Unternehmen mit kleinen Budgets, die mit externer Hilfe am effizientesten wirtschaften können? Eine Antwort hierauf ist sicherlich nur über eine nähere Betrachtung der jeweiligen Services zu finden, die wiederum von den branchenabhängigen Anforderungen des Unternehmens und den individuellen Gegebenheiten abhängen. Festzustellen bleibt jedoch, dass sich nicht nur die Welt der Standard-Software den Kleineren geöffnet hat, sondern auch die Palette der Serviceangebote. Markt und Gewinnorientierung bleiben die verlässlichsten Triebfedern. In diesem Sinne: Viel Vergnügen bei der Lektüre Ihres Midrange Magazins.
M.W.