Die Lieferanten im Automobilsektor stehen mehr denn je in der Verantwortung. Jedes Glied in der Zulieferkette muss funktionieren, immer mehr sind Transparenz und Kundenservice gefragt. Die Erfüllung wachsender Vorgaben der Automobilhersteller kann nur bei gleichzeitiger Minimierung des administrativen Aufwands erfolgreich sein. Monatlich etwa 30 Millionen teilweise hoch komplexe Präzisionsteile fertigt die Erich Lacher Präzisionsteile GmbH & Co. KG und ist damit Partner vieler Automobilhersteller im In- und Ausland. Um im anspruchsvollen Automobilgeschäft bestehen zu können, muss ein Zulieferer wie Lacher sich den wachsenden Anforderungen der Branche stellen. Während die Entwicklungs-, Produktions- und Abrufzeiten immer kürzer werden, fordern die Kunden eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Bedarfsdeckung. Wenn der Kunde wegen einer Bedarfsänderung anruft, erwartet er schnelle Reaktionen von Produktion und Logistik des Zulieferers, die seinen Wünschen gerecht werden. In der synergetischen Zusammenarbeit ist eine hohe Transparenz aller Beteiligten erforderlich.

Weitreichende Vorgaben bei der ERP-Systemauswahl

Doch nicht nur das Funktionieren innerhalb der Zulieferkette, sondern auch die eigene Wirtschaftlichkeit ist für das Überleben wichtig. Steigende Anforderungen, aber auch sein kontinuierliches, gesundes Wachstum, erhöhten bei Lacher nach und nach den administrativen Zeitaufwand für den Auftragsdurchlauf. Die maßgeschneiderte, aber in die Tage gekommene PPS-Software konnte diverse Abläufe nicht mehr abbilden. Ein Projektteam begann, die Einführung eines modernen, vollintegrierten ERP-Systems vorzubereiten.

Bedingt durch umfangreiche Lieferpläne existieren bei Lacher Fertigungsaufträge mit vergleichsweise langer Laufzeit. Sie können eine Maschine bis zu einem Jahr lang belegen. Bei der Systemauswahl stellte das Projektteam fest, dass kein ERP-System diese so genannte „Langläuferthematik“ befriedigend abdecken konnte. „Jede ERP-Lösung geht davon aus, dass das Material beim Auftragsstart komplett vorhanden ist“, erklärt Florian Locher, kaufmännischer Leiter bei Lacher und Mitglied des Projektteams für die Infor-Einführung. „Für uns würde das bedeuten, dass wir schon vor dem Auftragsstart Zig-Tonnen Material bestellen und vorhalten müssten.“ Lacher aber wollte genau das Gegenteil: Durch eine tagesgenaue Ressourcenplanung sollte sich die Lagerhaltung sogar deutlich verringern.

Lacher war auch nicht in der Lage, seine Abläufe an Systemvorgaben anzupassen. „Unsere eingespielten Ablaufstrukturen – aufbauend auf der höchsten Zertifizierungsstufe TS 16949 – durften nicht verändert werden. Aus dem Grund waren wir auf der Suche nach einem Partner, der sich auf uns einstellen kann“, so Locher. Das Projektteam entschied sich schließlich für das Systemhaus Infor Global Solutions.

ERP-Anpassung bewirkt mehr Dynamik

Die Anpassung für die Langläuferthematik erwies sich als relativ aufwändig. „Mit dieser Anpassung haben wir eine zusätzliche Dynamik in die Ablaufstrukturen gebracht“, bekräftigt Peter Mannsdörfer, Leiter der Arbeitsvorbereitung. Die neue Dynamik des Systems liegt darin, dass die täglichen Rückmeldungen der Fertigteile und der Schichtplan über einen Dispositionslauf den aktuellen Materialbedarf und die Kapazitätsplanung steuern. Gleichzeitig werden auch identische Materialien, die für mehrere Maschinen benötigt werden, zusammengefasst. Länger laufende Fertigungsaufträge werden innerhalb dieser Anpassung in wochenweise Teilaufträge aufgeteilt. Gibt es Abweichungen von der Planung nach oben oder nach unten, ändert sich entsprechend auch der Materialbedarf. Wird das Wochensoll unterschritten, füllt das ERP-System den letzten Teilauftrag auf oder generiert gegebenenfalls einen neuen Teilauftrag am Ende der Reihe.

Bei der Fertigungssteuerung entschied sich Lacher für das Modul Infor Com APS. APS (Advanced Planning and Scheduling) zeigt die komplette Maschinenbelegung und die Laufzeiten der entsprechenden Teile an und erleichtert die Feinplanung erheblich. Im Kurzfristbereich der Fertigung gewinnt Lacher durch dieses Modul eine enorme Flexibilität: „Beim Anruf eines Kunden kann ich die Maschinengruppe öffnen, auf der das Teil läuft“, erläutert Mannsdörfer. „Möchte der Kunde beispielsweise seine Teile früher haben, zeigt mir das System gegebenenfalls eine alternative Maschine, auf die ich das Teil per Drag und Drop hinüberziehen kann. Beim nächsten Dispositionslauf aktualisiert die ERP-Lösung wieder die Fertigungsaufträge und weist ihnen einen neuen Startbeginn zu.“

E-Procurement automatisiert Kommunikation mit Lieferanten

Für die Kommunikation mit den Lieferanten per EDI oder Web-EDI hat Lacher das Modul e-Procurement eingeführt. Damit kann der Metallverarbeiter mit seinen Lieferanten Rahmenaufträge abschließen und Abrufaufträge erzeugen. Die vom Dispositionslauf generierten Abrufaufträge werden automatisch unter Berücksichtigung der Anlieferlosgrößen an den Lieferanten übermittelt. Die täglichen Wareneingänge bucht e-Procurement bei der Erfassung automatisch auf entsprechende Warenkonten. Hat ein Lieferant die EDI-Anbindung noch nicht installiert, bekommt er den Abruf per Fax übermittelt.

Gerade auch in Anbetracht des zurzeit schwierigen Beschaffungsmarkts, vor allem hinsichtlich von Stahl, hat es sich bewährt. Die Lieferanten kennen die Zielbedarfe für Lacher-Aufträge und können die eigenen Bestände auf die aktuellen Bedarfe anpassen. Diese Vorausschau schafft Vertrauen – und nicht zuletzt kann Lacher dadurch auch günstigere Konditionen mit seinen Lieferanten verhandeln.

Auf der Kundenseite erledigt das Automotive-Modul von Infor die Kommunikation mit den Kunden per EDI. Das alte PPS-System konnte zwar schon Lieferpläne auf diesem Wege empfangen, jedoch noch keine Lieferscheine per DFÜ senden. Mit der Infor-Einführung kam Lacher der expliziten Forderung vieler Kunden nach einer voll funktionsfähigen EDI-Anbindung zuvor. Wenn die Waren das Unternehmen verlassen, meldet die ERP-Lösung dem Kunden die In-Transit-Menge inklusive der Packmittel-Informationen; dieser kann dann damit gleich seine Fortschrittszahlen aktualisieren. Die Verwaltung der unterschiedlichen Packmittel erledigt das System mit Hilfe von Packmittelkonten im Hintergrund. Locher: Wir können heute alle Anforderungen der Automobilhersteller erfüllen und das bei einer Liefertreue die zwischen 95 und 100 Prozent liegt.“

Große Vorteile im internen Ablauf erzielt Lacher heute mit einer transparenten Maschinenbelegung und Schichtplanung, da gerade hochwertige Maschinen optimal ausgelastet sein müssen. Viele Arbeitsschritte, die früher manuell abgearbeitet wurden, erledigt das System heute automatisch. Deutliche Resultate erreichte das Infor-System auch im Lagerbereich: Die an den aktuellen Bedarf angepasste Anlieferung von Material führte bereits nach kurzer Zeit zu einer Reduktion der Bestände um 20 bis 30 Prozent. Die Materialanlieferungen können heute unter Berücksichtigung der optimalen Lieferlosgröße tagesgenau geplant werden, d.h., dass die Kostenbindung sich erheblich reduziert hat, ohne den Produktionsprozess zu beeinträchtigen. Durch die Barcode-Fähigkeit ist auch die Chargenverfolgung wesentlich einfacher.

Fachautor: Dipl.-Wirtschaftsing. Eduard Rüsing

Lösungsanbieter: Infor Global Solutions
Anwender: Erich Lacher Präzisionsteile GmbH & Co. KG