Michael Wirt im Gespräch mit Heinz-Paul Bonn, BITKOM-Präsidiumsmitglied und Vorstandsvorsitzender der GUS Group AG & Co. KG Einen „verhaltenen Optimismus“ sieht Heinz-Paul Bonn, Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., in der IT-Branche. Der Aufschwung sei in Sicht. Davon, so erklärte Bonn, der im BITKOM zugleich Vorsitzender der Forums Mittelstand ist, werde auch der Mittelstand, der sich in den zurückliegenden Monaten gut auf die schlechte Investitionslage eingestellt habe, deutlich profitieren. Überschaubare Projekte mit kurzfristigem Return on Investment (ROI) werden die Investitionslage im Jahr 2002 bestimmen, betonte Bonn in einem Gespräch mit Chefredakteur Michael Wirt.

Michael Wirt:

Herr Bonn, die IT-Branche wird gegenwärtig überwiegend mit Negativschlagzeilen belegt: Die Zahl der Firmenpleiten in dieser Wachstumsbranche war noch nie so hoch. Wie sieht der BITKOM die weitere wirtschaftliche Entwicklung?

Heinz-Paul Bonn:

In der Tat haben sich in den letzten sechs Monaten die Meldungen über eingeleitete Insolvenzverfahren gehäuft. Die Ursachen für diese Schieflage ist oftmals deckungsgleich: Viele Unternehmen haben nach dem Internet-Boom massiv ihre Produktausweitung und gleichzeitig die Internationalisierung angestrebt. Dabei haben sie ihren Kostensockel signifikant angehoben. Als dann im vierten Quartal erneut die Investitionsbereitschaft bei den Anwendern absackte, waren die flüssigen Mittel schnell aufgebraucht. Hinzu kommt ein deutlich verändertes Risikobewusstsein der Banken, das in der Folge von Basel II neue Rating-Verfahren einführt und stärker Branchen-, Markt- und Wettbewerbspositionen in der Risikoeinschätzung berücksichtigt. Hier hat sich natürlich die Gesamtentwicklung der IT-Branche negativ ausgewirkt. Aufgabe des BITKOM ist es hier gegenwärtig, vor allem den mittelständischen Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, um gegenüber den Banken zu einem realitätsnahen Ergebnis zu gelangen. Entscheidend aber ist: Die Branche ist gesund. Die überwiegende Zahl der Unternehmen ist positiv aus dem schwierigen Jahr 2001 herausgekommen. BITKOM hat für die IT-Branche ein moderates Wachstum für das zurückliegende Jahr von 1,7 Prozent auf 137,8 Milliarden Euro identifiziert. In der Öffentlichkeit wahrgenommen werden jedoch vor allem die Insolvenzen.

Michael Wirt:

Wie sieht der BITKOM die wirtschaftliche Entwicklung in der Branche für das laufende Jahr?

Heinz-Paul Bonn:

Die CeBIT 2002 hat durchaus ein positives Signal für die Branche gesetzt. Die Unternehmen gehen – trotz des Besucherrückgangs – mit verhaltenem Optimismus in dieses Jahr. Der BITKOM erwartet für das zweite Halbjahr eine deutliche Belebung. Über das ganze Jahr gesehen, rechnet der BITKOM mit einem Wachstum um 4,2 Prozent auf 143,6 Milliarden Euro. Für 2003 sehen wir ein Wachstum um 8,6 Prozent auf dann 156 Milliarden Euro voraus. Mittelfristig kann die Branche wieder zu den gewohnten zweistelligen Zuwachsraten zurückkehren. Dabei ist entscheidend, dass das Wachstum sowohl von global agierenden Konzernen als auch vom Mittelstand getragen wird. Allein im BITKOM sind rund 700 kleine und mittelständische Unternehmen organisiert. Nach unserem jüngsten Stimmungsbarometer sehen diese Anbieter optimistisch in die Zukunft. Sie sind im Übrigen auch durch ihre schlanken Strukturen, kurzen Entscheidungswege, und die Fähigkeit, auf neue Entwicklungen schnell zu reagieren, gut gerüstet, Krisensituationen zu überstehen – wie wir sie jetzt aktuell hinter uns haben. Gleichzeitig fordern wir aber, dass die Startbedingungen für Unternehmensgründer verbessert werden. Der BITKOM hat dazu ein Drei-Punkte-Programm aufgestellt, das auf den Abbau bürokratischer Hindernisse, eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen sowie die Optimierung der öffentlichen Förderprogramme abzielt.

Michael Wirt:

Welche Entwicklungen in der IT-Industrie werden den Aufschwung in diesem Jahr bringen?

Heinz-Paul Bonn:

Treibende Kraft sind Mobilfunk-, Daten-, Internet- und TV-Kabeldienste. Der Aufbau von UMTS-Diensten dürfte im Herbst zu neuen Anwendungsmöglichkeiten sowohl im Consumer- als auch Business-Umfeld führen. Stimuliert wird diese Entwicklung auch durch die weiter wachsende Zahl der Online-Anschlüsse in Deutschland. Allein im vergangenen Jahr sind 7 Millionen Deutsche online gegangen. 37 Prozent aller Bundesbürger gibt an, regelmäßig im Web zu surfen. Der Durchdringungsgrad muss natürlich weiter erhöht werden. Aber es wird deutlich, dass auch hier – bezogen auf die Softwareentwicklung – die Nachfrage durch die stetig wachsende Zahl der Internet-Benutzer ihre Wirkungen zeigt. Nehmen wir das traditionelle Feld der Unternehmenslösungen: Hier zeigt sich, dass e-Business-Komponenten im Kommen sind. Die Dot.Com-Krise hat der Entwicklung zwar geschadet und sie verzögert. Aber die Erkenntnis, Geschäftsprozesse unternehmensübergreifend auszurichten und mehr Transparenz für Unternehmensprozesse auch gegenüber Partnern zu erreichen, ist vorhanden. Allerdings wird es hier nicht mehr zu diesen millionenschweren Großprojekten kommen. Der Hype ist deutlich vorbei. Was gefragt ist, sind überschaubare Projekte zur Anwendungsmodernisierung und zur Web-Ausrichtung, die einen kurzfristigen Return on Investment bringen. In einer aktuellen Studie der Gartner Group wird dieser Trend übrigens eindeutig bestätigt. Die Ergänzung der bestehenden Lösungen um Mehrwertdienste und Web-Anwendungen wird dieses Jahr ihren Durchbruch erlangen.

Michael Wirt:

Anwendungsmodernisierung ist auch eine spezielle Herausforderung in der Welt der IBM iSeries, die ja von vielen mit den traditionellen Green Screens assoziiert und deshalb oft als „unmodern“ gilt. Wie sehen Sie hier die Entwicklung?

Heinz-Paul Bonn:

IBM hat mit WebSphere einen guten Schritt in die richtige Richtung getan. Sehen Sie, die Benutzeroberfläche der Zukunft ist ja nicht länger Windows, sondern der Browser. Und hier gibt es mit WebSphere hervorragende Tools, die übrigens – je nach Lizenz – Bestandteil von OS/400 sind und damit den Anwendern und Anbietern kostenlos zur Verfügung stehen. Allerdings stelle ich fest, dass die Möglichkeiten, die sich mit WebSphere eröffnen, in Deutschland noch weitgehend unbekannt sind. Die GUS Group baut deshalb im Einvernehmen mit der IBM EMEA ein Competence Center auf, das die bessere Verbreitung dieser Komponenten zum Ziel hat. Wir haben mit zwei Tools – der Scriptsprache Net.Data und dem Konvertierungswerkzeug WebFacing – beste Erfahrungen gemacht. WebFacing erlaubt die Konversion bestehender RPG- oder Cobol-Anwender in einer browserfähigen Lösung, ohne dass dazu der Code angefasst werden muss. Die GUS Group hat ihr ERP-System Charisma innerhalb von drei Monaten komplett umgestellt. Ich glaube, dass die Anwendungsmodernisierung einen neuen Lebenszyklus der Lösungen auf der iSeries bringen wird. Und es gibt ja auch nach wie vor gute Gründe für das System: Cost of Ownership, Verfügbarkeit und Integrationsgrad sind nach wie vor unerreichte Qualitäten.

Michael Wirt:

Gleichzeitig geht Ihr Haus aber auch den Weg in Richtung Java und damit Richtung Plattformunabhängigkeit. Ist damit nicht auch eine Absetzbewegung von der iSeries weg verbunden?

Heinz-Paul Bonn:

Unsere e-Commerce/e-Logistik-Lösung eLogistIQ haben wir in der Tat in Java geschrieben, weil wir sowohl das Ziel der Plattformunabhängigkeit als auch das Ziel der Web-Basiertheit verfolgt haben. Auch für unser ERP-Paket Charisma gibt es inzwischen Java-Ergänzungen. Allerdings haben wir uns für Java in erster Linie wegen der Technologie entschieden. Wir haben zugleich sehr gute Erfahrungen mit dieser Lösung auf der iSeries gemacht. Aber als Softwarehaus wollen wir natürlich in erster Linie, Lösungen verkaufen, auch wenn sich der Anwender – entgegen unserem Rat – für eine andere Plattform entscheidet. Im Übrigen hosten wir für einige unserer Kunden eLogistIQ-Lösungen bei uns im Hause. Und dann kommt immer die iSeries zum Einsatz.

Michael Wirt:

Herr Bonn, ich danke Ihnen für das Gespräch.

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