Das Midrange Magazin sprach mit Heinz-Paul Bonn* über die CeBIT, die Konjunktur, die Marktchancen der iSeries und die Herausforderungen im mittelstandsorientierten Lösungsgeschäft.

Heinz Paul Bonn, Vizepräsident der BITKOM; Vorstandsvorsitzender der GUS Group in Köln

Michael Wirt: Wie war die CeBIT aus Sicht des BITKOM?

Heinz Paul Bonn: Die CeBIT war außerordentlich erfolgreich. Dazu hat sicherlich die klare Ausrichtung der CeBIT auf den Mittelstand beigetragen. Vier von fünf Besucher gaben an, aus dem Mittelstand zu kommen. Neben dem Forum Mittelstand, das sehr gut besucht war, haben sich täglich mehrere Hunderttausend Besucher über cebit.mittelstand.de online mit der CeBIT befasst.

Insgesamt hat die CeBIT zwar etwas weniger Besucher verzeichnet als im Vorjahr, aber das konkrete Kaufinteresse war sehr viel deutlicher ausgeprägt. Das signalisieren übrigens alle Aussteller unabhängig von ihrer Größe.

Im Übrigen bestätigt die CeBIT durchaus die Konjunkturprognosen des BITKOM und der EITO (European Information Technology Observatory) – mit einem Anstieg des ITK-Gesamtumsatzes um 3,4 Prozent auf etwa 136 Milliarden Euro. Und hier sind es insbesondere die Bereiche Software und IT-Services, die überdurchschnittlich wachsen – mit jeweils mehr als fünf Prozent. Und auch das hat ja die CeBIT bestätigt, die wieder Business-Solutions wie zum Beispiel ERP, CRM oder schlicht Finanzbuchhaltung in den Vordergrund gestellt hat.

Michael Wirt: Und aus Sicht der GUS Group …?

Heinz Paul Bonn: … war die CeBIT eines der besten Events, die die GUS Group je erlebt hat. Wir haben die Ernte einfahren können, die wir auf der Vorjahres-CeBIT mit der Vorstellung von GUS-OS ERP gesät haben. Während der jetzigen CeBIT haben sich immerhin vier Unternehmen für GUS-OS ERP entschieden. Inzwischen haben über 40 Kunden GUS-OS-Lösungen im Einsatz. Das ist eine sehr erfreuliche Bestätigung für unsere Software-Architektur. Alle damit zusammenhängenden Indikatoren weisen nach oben: Leicht mehr Kontakte als im Vorjahr, deutlich mehr Neukundenkontakte und vor allem ein signifikant erhöhtes konkretes Kaufinteresse. Auch die erreichte Plattformunabhängigkeit und die jetzt angekündigte Unterstützung von Microsoft SQL Server haben dazu geführt, dass wir unseren Markt deutlich ausweiten konnten. Die iSeries war lange ein Paradies. Aber wir können es uns nicht mehr leisten, auf 90 Prozent der Serverlandschaft zu verzichten.

Michael Wirt: Was sollte die IBM tun?

Heinz Paul Bonn: Die GUS Group ist auch mit ihrer Plattformunabhängigkeit nach wie vor ein guter IBM-Partner. Wir haben übrigens in der jüngsten Kundenzufriedenheitsstatistik der IBM weiter zugelegt und mit 85 von 100 Punkten erneut einen Spitzenwert errungen. Wir sehen nach wie vor eine klare Präferenz unserer Kunden bei eServern. Und auch das On-Demand-Modell der IBM beginnt sich allmählich im Markt durchzusetzen.

Bezogen auf ihre traditionelle Mittelstandsmaschine, die heutige i5, frühere iSeries, muss sich die IBM jedoch deutlich bewegen. Meiner Meinung nach gibt es zwei ganz wesentliche Zielrichtungen, bei denen IBM das Steuer herumwerfen muss. Ersten muss IBM den Partner-Channel, also den indirekten Vertrieb durch mittelständische Lösungshäuser, wieder stärken. Und zweitens muss sie die iSeries wieder stärker über die Anwendungen positionieren. Der Technologie-Hype um die iSeries in den letzten Jahren hat die Techies dieser Welt nicht von ihren Vorurteilen gegenüber der iSeries befreien können, aber gleichzeitig der Identifikation des Mittelstands mit diesem System geschadet. Es war sicher auch nicht gerade hilfreich, dass sich innerhalb von einem Jahr die weltweite Produktverantwortung für die iSeries zweimal geändert hat. Ich habe Mark Shearer in den zurückliegenden Wochen zweimal treffen können und intensiv mit ihm darüber diskutiert, wie sehr die iSeries für ihren Erfolg ein loyales, mittelständisches, lösungsorientiertes Partnernetzwerk benötigt. Wir haben beide die gleiche Vorstellung vom iSeries-Marketing der Zukunft. Und ich habe die große Gewissheit, dass diese Nachricht auch bei der IBM angekommen ist.

Michael Wirt: Wie kann die iSeries davon profitieren?

Heinz Paul Bonn: Es ist einfach eine Tatsache, dass die iSeries gut für den Mittelstand ist – sie hat all die Qualitäten, die den Mittelstand selbst auszeichnen: Flexibilität, Innovationskraft, Wachstumspotenzial, Sicherheit und Zuverlässigkeit. Statt dessen wurden in der Vergangenheit technische Eigenschaften der iSeries herausgestellt, die den klassischen Mittelständler überhaupt nicht interessieren, sondern allenfalls die Großkunden mit mehreren hundert Systemen, die rund um den Globus verteilt sind. Was den Mittelständler interessiert, ist erstens, dass die Maschine läuft und zweitens welche Lösungen auf dem System laufen und wie gut sie seine Geschäftsprozesse unterstützen. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass die IBM hier ihr Partnernetzwerk wieder reaktiviert und die Lösungen in den Vordergrund stellt.

Hinzu kommt natürlich auch, dass viele Independant Software Vendors (ISVs) im Zuge eines Software-Generationswechsels die direkte Abhängigkeit von der iSeries als einziger Lösungsplattform aufgelöst haben – so wie die GUS Group mit ihrer GUS-OS-Architektur. Diese ISVs muss IBM jetzt wieder zurückgewinnen und zu einem klaren Commitment für die iSeries bringen. Der überwiegende Teil unserer GUS-OS ERP-Installationen sind nach wie vor auf der iSeries – und wir stehen auch in Zukunft zu dieser Maschine.

Aber IBM hat vielen ISVs in der Vergangenheit Marketinggelder nachgeworfen, ohne dass dafür der Return in der Loyalität bestand. Die “AS/400-Gemeinde” muss wiedererweckt werden. “Tausend und Deine Lösung”, der Marktangang zur Einführung der AS/400 war gar nicht so schlecht – und ist es wert, wiederholt zu werden. Der Mittelstand kauft Lösungen. Und er tut dies, wie die CeBIT und die BITKOM-Prognosen zeigen, in diesem Jahr wieder mit größerer Investitionsbereitschaft.

Michael Wirt: Welche Trends sehen Sie im Softwaremarkt?

Heinz Paul Bonn: Ich bin sehr erfreut, wie die alten Themen – ERP, CRM etc. – wieder an Interesse im Markt zulegen. Dies ist sicher auch Ausdruck der Tatsache, dass viele Mittelständler nach der Jahrtausendumstellung und der Euro-Einführung ihre Systeme nur notdürftig aktualisiert haben und jetzt erkennen, dass sie um eine grundlegende Modernisierung nicht herumkommen. Das Stichwort Service-orientierte Architekturen zeigt sehr gut, wohin sich die Entwicklung bewegt: Funktionen über das Web als Service auch für Partner zur Verfügung stellen und über Integrationsplattformen zusammenfassen. Deshalb vollzieht sich derzeit auch eine deutliche Konzentration im ERP-Markt, bei der sich Leit-Architekturen herausschälen.

Für mittelständische Entscheider ist es jetzt wichtig, die IT-Infrastruktur wieder zur Chefsache zu machen: erst die Unternehmensziele festlegen, dann die Geschäftsprozesse neu ausrichten – dabei unternehmensübergreifend auslegen – und dann eine Service-orientierte Architektur als Softwaregrundlage auswählen, die diese Unternehmensziele stützt. Dabei wird die Konvergenz zwischen IT und TK beschleunigt voranschreiten. PDAs als Frontend für ERP-Systeme sind keine Spielerei. Das Internet als Maß der Dinge und die Verbreitung von RFID nicht nur in der Logistik, werden ebenfalls die Agenda der kommenden Jahre bestimmen. Hier werden auch neue Anforderungen an die Software entstehen, Anforderungen, die über Agenten auf der Basis von RFID-Daten entscheiden, ob es Handlungsbedarf in der Supply Chain gibt oder nicht.

Und nicht zuletzt wird das Thema Security im Mittelstand an Bedeutung gewinnen. Dabei geht es sowohl um die Verfügbarkeit von Lösungen als auch um die Sicherheit vor Angriffen von außen – übrigens beides zwei absolute Pluspunkte für die iSeries. Und das ist der Beweis: bei lösungsnahen Themen hat die IBM mit der iSeries alle Argumente für sich. Sie sollte sie nur nicht verschenken …