Wie viele andere Branchen steht auch die Prozessindustrie aufgrund des globalisierten Wettbewerbs unter einem zunehmenden Preis- und Kostendruck. Insbesondere im Produktionsbereich wird permanent nach Kosteneinsparungsmöglichkeiten gesucht. Eines der dringlichsten Anliegen ist es deshalb, die Produktionsstückkosten durch eine verbesserte Produktionsfeinplanung zu senken. Vielen Unternehmen der Prozessindustrie ist inzwischen klar, dass die Wettbewerbsfähigkeit in Zukunft nur durch eine hocheffiziente Ausnutzung der Produktionsressourcen gesichert werden kann. Es reicht daher nicht mehr aus, lediglich zulässige Produktionspläne zu generieren. Vielmehr müssen Anlagenbelegungspläne generiert werden, die die Produktion in Richtung einer maximalen Kapazitätsauslastung sowie minimaler Zwischenlagerbestände optimieren und gleichzeitig ein Höchstmaß an Termintreue sicherstellen.
Fehlen leistungsfähiger Standard-Feinplanungssoftware
Trotz dieser hohen Anforderungen an die Feinplanung setzen viele Unternehmen immer noch auf eine manuelle Planung, die durch elektronische Plantafeln lediglich unterstützt wird. Grund dafür ist nicht etwa das Nichtwissen um mögliche Einsparungspotentiale, sondern vielmehr das Fehlen einer leistungsfähigen Standard-Feinplanungssoftware. Während sich im Bereich der stückorientierten Fertigungsindustrie inzwischen eine Reihe entsprechender Softwarelösungen etablieren konnte, lässt eine vergleichbare Entwicklung in der Prozessindustrie auf sich warten. Dies liegt vor allem an den wesentlich komplexeren Produktionsstrukturen.
Besondere Anforderungen der Prozessindustrie
Typische Produktionsmerkmale, wie divergente, nebenläufige oder zyklische Materialflüsse, vielfältige Produktionsalternativen, variable Batch-Größen und reihenfolgeabhängige Rüstzeiten können von herkömmlichen Planungswerkzeugen überhaupt nicht abgebildet werden. In der Prozessindustrie tut sich daher im Bereich der Planungssoftware zwischen den betriebswirtschaftlich ausgerichteten ERP-Systemen und den technisch orientierten Automatisierungs- und Prozessleitsystemen noch immer eine Lücke auf.
Standard-SCM-Lösungen
Auch den in den letzten Jahren entstandenen umfassende Standard-SCM-Lösungen – wie z. B. SAP-APO – ist es bisher nicht gelungen, diese Lücke zu schließen. Während sie ihre Stärken eher im Bereich der standortübergreifenden Planung mit einem Zeithorizont von Monaten oder Quartalen haben, scheitern sie im Bereich der kurzfristigen Produktionsfeinplanung an der Komplexität der Planungsaufgabe und an der Heterogenität der Produktionsstrukturen.
Dabei werden durchaus leistungsfähige neue Optimierungsmethoden – wie Evolutionäre Algorithmen oder das Constraint Based Programming – eingesetzt. Da jedoch ein umfassendes, mathematisches Modell fehlt, das in der Lage wäre, alle Besonderheiten der verfahrenstechnischen Produktion abzubilden, kann auch das leistungsfähigste mathematische Verfahren nicht greifen.
Worauf es ankommt?
Der Schlüssel zum Erfolg in der Produktionsfeinplanung liegt im mathematischen Optimierungsmodell, das einerseits das reale Produktionssystem detailliert abbilden und andererseits die Anwendung leistungsfähiger mathematischer Algorithmen erlauben muss. Gleichzeitig darf natürlich das übergeordnete Ziel einer integrierten, gesamtheitlichen Supply-Chain-Optimierung nicht aus den Augen verloren werden.
Die Lösung des Problems kann daher nur in einer Kombination aus SCM-Standardsoftware und einer individuellen Feinplanungskomponente liegen. Dabei muss das etwas zu unspezifische Standardmodell des SCM-Systems durch ein branchenspezifisches Individualmodell ersetzt werden, das die besonderen Anforderungen der Prozessindustrie berücksichtigt.
Entwicklung bei der Bayer AG
Eine entsprechende Entwicklung treibt die Bayer AG bereits seit mehreren Jahren voran. In einem 3-jährigen Kooperationsprojekt mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI) der Universität Hamburg wurde ein Produktionsfeinplanungsmodell entwickelt, das speziell auf die Besonderheiten der prozesstechnischen Batch-Produktion zugeschnitten ist.
Die Planungsergebnisse des Modells sind beachtlich. So konnte im Vergleich zur Handplanung eine Steigerung der Produktivität um bis zu 20 Prozent, eine Senkung der Lieferzeiten um bis zu 15 Prozent sowie eine Minimierung der Zwischenlagerbestände erreicht werden. Dabei benötigt der eingesetzte evolutionäre Algorithmus Rechenzeiten von nur wenigen Minuten oder gar Sekunden und lässt damit auch kurzfristige Neuplanungen zu. Das ist eine Anforderung, die für die Bayer AG angesichts häufiger Anlagenstörungen und kurzfristig eingehender Kundenaufträge von Anfang an ein echtes K.O.-Kriterium darstellte.
Fallstudienorientiertes Vorgehen
Ein wesentlicher Grund für den Erfolg des Projekts liegt in der strikt fallstudienorientierten Vorgehensweise. So wurden nacheinander 5 Betriebe der Bayer AG untersucht und das Feinplanungsmodell anhand realer Auftragsszenarien getestet. Dabei erfolgte die Auswahl der Betriebe auch unter dem Kriterium, eine möglichst große Vielfalt unterschiedlicher Produktionsstrukturen in die Betrachtung einzubeziehen und damit das Modell auf diese Weise sukzessive um immer neue Komponenten zu erweitern. Letztendlich ist die vom IWI Hamburg entwickelte Planungslösung deshalb in der Lage, sowohl Mehrproduktanlagen mit einheitlichem Materialfluss als auch echte Mehrzweckanlagen mit heterogenen Materialflüssen und vielfältigen Rezeptvarianten abzubilden.
Als Spin-Off des IWI Hamburg treibt die initions AG inzwischen die Entwicklung im Bereich der Produktionsfeinplanung weiter voran. Eine Hauptaufgabe liegt dabei in der Anbindung der Planungslösung an Standard-SCM-Systeme, um die oben skizzierte Integration der Produktionsplanung in den Gesamtprozess des Supply Chain Planning zu erreichen.
initions innovative IT solutions AG
D–22393 Hamburg
Telefon: (+49) 040/4162019-0
www.initions.com
Datasave Nord GmbH
D–24999 Wees
Tel.: (+49) 04631/604022-0
www.datasave.de