Modernes Wirtschaften wird immer komplexer. Damit steigen auch die Anforderungen an die IT. Der folgende Beitrag zeigt auf, welche maßgeblichen Trends es in der Fertigungsindustrie gibt und welche Anforderungen sich daraus für moderne Unternehmenssysteme ergeben. Betrachtet man die Entwicklungen in der Fertigungsindustrie, kristallisieren sich neun maßgebliche Trends heraus:
Unternehmen gehen immer stärker dazu über, sich auf ihre Kernkompetenzen zu beschränken und die Produktion an Fremdfirmen auszulagern. In Einzelfällen kann es durchaus dazu kommen, dass sich der Anteil der Eigenfertigung an der Wertschöpfungskette erhöht; insgesamt gesehen ist der Anteil aber rückläufig.
Durch Auslagerung beziehungsweise Verlagerung wird die Lieferkette länger und komplexer. An die Stelle eigener Abteilungen vor Ort treten externe Partner. Dadurch kommt es zu einer Vereinfachung der Produktionsprozesse im eigenen Unternehmen, dem die höhere Komplexität der gesamten Produktion gegenübersteht.
Die Lieferkette wird auch durch die zunehmende räumliche Trennung von Geschäftsbereichen innerhalb eines Unternehmens komplexer. Häufig arbeiten Firmenleitung, Vertrieb und Produktion an unterschiedlichen Standorten, nicht selten in unterschiedlichen Ländern.
Mit dem Just-in-Time-Konzept, das eine Reduzierung der Lagerbestände und Lagerhaltungskosten anstrebt, werden die gefertigten und gelieferten Stückzahlen niedriger. Produziert und geliefert wird nur noch das, was direkt benötigt wird.
Als Konsequenz aus den oben genannten Fakten erhöht sich das Transaktionsvolumen zwischen den Geschäftspartnern. Das ist auch nicht zuletzt eine Folge der wachsenden Zahl der Beteiligten an der Lieferkette. Mit dem Transaktionsvolumen steigen auch die Transaktionskosten.
Die Kostensituation wird dadurch ebenfalls komplexer: Der Anteil der direkt sichtbaren Kosten der Fertigung sinkt, der Anteil der weniger leicht zuzuordnenden Kosten steigt.
Die Produktlebenszyklen werden kürzer. Oft sind die Produkte bereits kurze Zeit nach ihrer Markteinführung überholt.
Durch die kürzer werdenden Produktlebenszyklen wird es schwieriger, den Bedarf zu antizipieren und die Produktion sowie die davon abhängige Beschaffung zu planen.
Die Flexibilität der Lieferkette wird größer, da bei Lieferproblemen neue Lieferanten eingebunden werden, es damit also neue Mitglieder gibt.
Transparenz der gesamten Lieferkette erhöhen
Damit ergeben sich neue Anforderungen an moderne Unternehmenssoftwaresysteme. Die konventionellen ERP-Systeme verfolgten das Ziel, die Abläufe innerhalb eines Unternehmens abzubilden und zu optimieren. Gefordert sind jetzt Systeme, mit denen Firmen in der Lage sind, die Transparenz in der gesamten Lieferkette zu erhöhen und, falls erforderlich, alternative Beschaffungswege zu beschreiten. Das setzt präzise Informationen über Bedarf und Lieferfähigkeiten voraus – und zwar über die gesamte Lieferkette hinweg. Voraussetzung dafür wiederum ist eine informelle und informationstechnologische Integration der Systeme innerhalb von Lieferketten: Die klassische Trennung des Informationsflusses an den Unternehmensgrenzen muss aufgehoben werden, die Lieferkette über die Unternehmensgrenzen hinaus als Ganzes betrachtet werden.
Vorteile der Collaboration
Das dahinterstehende Konzept wird als Collaboration, Collaborative Commerce bzw. C-Commerce oder Zusammenarbeit bezeichnet. Man könnte es aber auch als Perfect Partnership benennen, ein meines Erachtens besserer Ausdruck, da er weniger die Methode als vielmehr das Ziel zum Ausdruck bringt. Da sich der Begriff jedoch noch nicht durchgesetzt hat, soll in der Folge der weiter verbreitete Begriff Collaboration verwendet werden. Mit der intensivierten Zusammenarbeit ergeben sich für Unternehmen sechs grundlegende Vorteile:
1. Senkung der Transaktions-, Logistik- und Erstellungskosten,
2. Reduzierung der Lagerbestände,
3. Erhöhung der Liefertreue,
4. Verbesserte Kunden- und Lieferantenbeziehungen,
5. Reduzierung des Time-to-Market,
6. Automatisierung von manuellen Aufgaben.
Hierbei handelt es sich also im Wesentlichen um bekannte Ziele der Prozessoptimierung.
Wettbewerb der Lieferketten
Die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit zwischen Unternehmen selbst ist nichts Neues, wohl aber der Grad, in dem die Zusammenarbeit über die Zukunft der Unternehmen entscheidet. Denn: In Zukunft werden nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern ganze Lieferketten miteinander konkurrieren. Die besten Chancen im Wettbewerb haben diejenigen Lieferketten, welche die Transaktions-, Logistik- und Erstellungskosten am stärksten senken und die damit erzielten Kostenvorteile an die Endverbraucher weitergeben, sowie die Lieferketten, die die neuen Produkte schneller auf den Markt bringen können.
Realität in der Automotive-Branche
Was in vielen Branchen noch wie Zukunftsmusik klingt, ist in anderen schon zumindest teilweise Realität. Das gilt insbesondere für Industrien, in denen die Produktionsprozesse schon früher eng verzahnt waren. Beispiele hierfür ist die Automobilzulieferindustrie. Hier waren es die großen Automobilkonzerne wie Volkswagen, BMW oder General Motors, die von ihren Lieferanten (und deren Lieferanten) die Umsetzung des Collaboration-Konzepts und die entsprechende Aufrüstung der IT-Landschaft verlangten. Das „Diktat“ der Konzerne erklärt (neben einer meist unbegründeten Furcht, Wettbewerber könnten Einblick in sensible Unternehmensdaten erhalten), weshalb gerade bei kleineren und mittleren Betrieben Vorbehalte gegen die Collaboration bestehen. Dennoch profitieren in der Regel alle Beteiligten von der erhöhten Transparenz der Lieferkette und den dadurch gesenkten Transaktions- und Logistikkosten – unabhängig davon, ob innerhalb der Lieferkette ein Unternehmen dominiert oder es eher eine Gleichberechtigung der Beteiligten gibt. (Auch bei einer weitgehenden Gleichberechtigung der Beteiligten muss die Lieferkette zentral von einem Glied der Kette aus gesteuert werden.)
Alle Branchen profitieren
In gleicher Weise können von der engen Zusammenarbeit Unternehmen aus anderen Branchen profitieren: Der niederländische Elektrokonzern Hagemeyer führte das Collaboration-System Movex ein, mit dem zunächst die internationalen Tochtergesellschaften integriert werden sollten – darunter die deutsche Tochter Froeschl. Mit weltweit über 10.000 Movex-Nutzern, davon 3.500 in Europa, handelt es sich um das bisher größte Intentia-Projekt. Sobald hier Phase 1 der unternehmensinternen Collaboration abgeschlossen ist, beginnt Phase 2: die unternehmensübergreifende Collaboration. Neben der Elektroindustrie fallen mir unter anderem auch Einzelhandel, Distribution und Textil ein. Um das Beispiel Textilindustrie aufzugreifen: Nicht selten wird hier aus Kostengründen die Produktion an Lohnfertiger in Billiglohnländer des nahen oder fernen Ostens ausgelagert oder ganz von Fertigung auf Kauf umgestellt. Die weiten geographischen Entfernungen erfordern ein höheres Maß an Abstimmung und Kontrolle, um die steigenden Ansprüche nach schneller und flexibler Lieferung zu erfüllen. Damit wird der effiziente Informationsfluss zwischen den Geschäftspartnern zu einem Muss.
Flexible Koppelungsinstrumente sind gefordert
Um welche Informationen handelt es sich? Lieferschwierigkeiten oder Umplanungen müssen in den Systemen der Geschäftspartner als synchrone Informationen zur Verfügung stehen, damit rasche planerische Konsequenzen möglich sind. Außerdem muss die Einbindung neuer Mitglieder der Lieferkette schnell und ohne größere Kosten erfolgen. Als Herausforderung erweist sich hierbei die Tatsache, dass die Geschäftspartner meist disparate, häufig gewachsene Systeme einsetzen und diese nicht ablösen können oder wollen. Mit anderen Worten: Nötig sind für den effizienten Informationsfluss offene und leicht anzudockende Systeme und Standards, die eine möglichst einfache und flexible Koppelung zulassen.
Zukunftstechnologie XML
Seit 1998 gibt das Voluntary Inter-industry Standards Subcommittee (VICS), welchem namhafte Firmen wie Hewlett Packard, Procter & Gamble, Sara Lee und Wal-Mart angehören, einen Standard für den Informationsfluss zwischen Industrieunternehmen heraus – das so genannte Collaborative Planning Forecast and Replenishment (CPFR). Neben dem generell effizienteren Informationsfluss zielt das CPFR vor allem auf die Reduzierung der Lieferbestände. Nach Berechnungen des VICS lassen sich zwischen 15 und 25 Prozent der Bestände einer Lieferkette durch CPFR senken. Als Haupttechnologie für den verbesserten Informationsfluss befürwortet das Komitee neben EDI und der Standard Interchange Language das von der World Wide Web Coalition favorisierte XML, eine Technologie, die in erster Linie für den Transfer großer Datenvolumina geeignet ist.
Anbieter von Collaboration-Lösungen setzen sich durch
Wie haben die Hersteller von ERP-Systemen auf diese sich seit geraumer Zeit abzeichnenden Trends reagiert? Höchst unterschiedlich. Einige haben die Notwendigkeit, den Informationsfluss innerhalb der Lieferkette effizienter zu machen, nicht erkannt. Diese Hersteller werden früher oder später – meist früher als später – vom Markt verschwinden, sofern dies nicht schon geschehen ist. Andere investieren, nachdem sie die für die Collaboration notwendigen Technologien wie XML als Spielereien abgetan hatten, massiv in den Ausbau ihrer Systeme und versuchen, die verlorene Zeit wettzumachen. Wiederum andere haben frühzeitig erkannt, dass die modernen Technologien kein Selbstzweck sind, sondern die notwendigen Voraussetzungen, um die für die Collaboration erforderlichen Funktionen zur Verfügung zu stellen. Sie sind heute schon in der Lage, ausgereifte Systeme anzubieten, die mit entsprechenden Instrumenten – wie Koppelungstools, e-Procurement-Lösungen oder Unternehmensportalen – einen reibungslosen Informationsaustausch zwischen Geschäftspartnern erlauben. Diese Anbieter werden sich auf dem enger werdenden ERP-Markt durchsetzen.
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