Wenn die IT-Umgebung in die Jahre gekommen ist, wenn neue Mitarbeiter sich mit „Green-Screen“-Benutzerschnittstellen schwertun, spätestens dann sollte eine IT-Modernisierung in Betracht gezogen werden. Doch wer unbedingt alles umstellen möchte – etwa ungeachtet dessen, dass die Anwendungslogik noch Sinn macht – der begibt sich auf gefährliches Terrain. Das haben in letzter Zeit einige prominente Beispiele gezeigt. Auch auf dem POW3R-Kongress wird das Thema „sinnvolles Modernisieren“ daher einen breiten Raum einnehmen.

Mit dem Überargument „Digitale Transformation“ im Rücken nehmen derzeit viele Unternehmenslenker die Modernisierung ihrer IT-Umgebung in Angriff. Das Unternehmen müsse „agiler“ werden, denn mit den im Unternehmen versteckten Daten – als Dark Data bezeichnet – ließen sich neuartige Geschäftsideen schnell umsetzen und führten in letzter Konsequenz zu einem dauerhaften Unternehmenserfolg. Kombiniere man das dann noch mit totaler Kundenorientierung, dann seien alle Weichen für das „neu erfundene Unternehmen“ gestellt.

Soweit die Theorie, deren Umsetzung allzu oft im Hauruckverfahren angegangen wird. Allerdings gibt es auch andere Erfahrungen: Eine neue Software sollte die jahrzehntealten IT-Programme bei Liqui Moly ablösen. Einkauf, Produktion, Versand sollten fortan von modernen Algorithmen gesteuert werden. Doch die Einführung der neuen Software führte zu massiven Schwierigkeiten. Die Firma kann nicht mehr so produzieren und liefern, wie die Kunden das gewohnt sind. Während die „alte“ IT auf Cobol-Basis (auf der Hardware-Plattform IBM i) von nur einem einzigen Mitarbeiter am Laufen gehalten werden konnte, hakt es jetzt an allen Ecken und Enden: „Wir improvisieren den ganzen Tag, um das Schlimmste zu verhindern“ – so lassen sich die Entscheider zitieren.

Wer als Verantwortlicher eine Anwendungsmodernisierung in Betracht zieht, sollte Emotionen möglichst aus dem Entscheidungsprozess heraushalten. Es gilt in erster Linie, eine geschäftsorientierte, IT-gestützte Überprüfung des gesamten Ökosystems durchzuführen, um die Vorteile und Auswirkungen eines Plattformwechsels auf das Business zu verstehen. Dazu gehört auch die Analyse bestehender Technologien und deren Fähigkeiten, sowie die generelle Qualität traditioneller Plattformen einschätzen zu können. Dazu sollte man am besten die funktionale Lücke zwischen den Geschäftsanforderungen und den sie unterstützenden Plattformen bestimmen und dokumentieren.

Auch das Aufdecken der Gesamtbetriebskosten eines Übergangs von der bestehenden Plattform zu einer neuen muss erfolgen. Dazu hat man eine faktenbasierte Analyse der laufenden Ausgaben vorzunehmen und den mit der Zielplattform zu erwartenden Ausgaben gegenüberzustellen. Hierbei ist besonders darauf zu achten, dass die gesamten Transformationskosten in das Budget einbezogen werden.

Ob ein Unternehmen modernisieren soll, lässt sich nicht pauschal beantworten – zu sehr hängt das von den Anforderungen im Unternehmen ab, von den Fähigkeiten der vorhandenen IT-Plattformn sowie der Risikoabschätzung. Dabei gilt es für die Entscheider, die Kongruenz von Technologie und Geschäftsanforderungen zu bestimmen: Die IT-Abteilung und die Fachbereiche des Unternehmens müssen zusammenarbeiten und gemeinsam feststellen, ob bestehende Plattformen aktualisiert oder ersetzt werden sollen. Manchmal ist die Modernisierung einer 40-jährigen Software die richtige Antwort – doch muss in jedem Fall eine korrekte Analyse durchgeführt werden, um die richtige Entscheidung treffen zu können.

Ein weiteres Argument sollte man bei dieser Entscheidung nicht übersehen: Wenn CIOs und andere IT-Führungskräfte in den Ruhestand gehen, verliert das Unternehmen das Verständnis für die Gründe, warum sich die früheren Führungskräfte für eben diese Plattform entschieden haben. Da die Nachfolger nicht mit der Plattform „aufgewachsen“ sind, fehlt es ihnen oft an tieferen Einblicken. So kann es zu Fehleinschätzungen kommen.

Der Haupttreiber für die Ablösung traditioneller Plattformen sollte immer das „eigentliche Business“ sein, also die Kernkompetenz. Wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, mit dem Tempo des Marktes Schritt zu halten, oder die Technologie im Unternehmen die Erweiterung der Geschäftsmöglichkeiten verhindert, sollte man zunächst einen passenden „Business Case“ erstellen, um die Folgen der Aufgabe einer etablierten Plattform absehen zu können. Oftmals zeigt sich dann, dass ein vollständiger Austausch der traditionellen Plattform nicht gerechtfertigt ist.

Für die Analyse gilt es zudem, im eigenen Unternehmen die richtigen Fragen zu stellen. Sie sollten auch darauf abzielen, die Probleme zu benennen, die es mit der aktuellen IT-Umgebung gibt. Auf die folgenden Fragen sollte man genaue Antworten bekommen:

  • Wie viele Änderungswünsche zur bestehenden Geschäftsanwendung sind noch offen?
  • Wenn man sich die Schritte ansieht, die zur Durchführung eines Business Workflows erforderlich sind, welche Schritte benötigen mehr Zeit als man denkt?
  • Wie oft schlägt einer der Kern-Workflows fehl – und zwar ganz oder teilweise?
  • Oftmals hören IT-Verantwortliche aus den Fachabteilungen die lapidare Kritik: Die Anwendung arbeitet nicht schnell genug. Doch eine derart allgemein gehaltene Aussage hilft bei der Optimierung nicht weiter. In einem derartigen Fall muss man viel detaillierter nachfragen. Es geht um Aspekte wie:
  • Verursacht der Datentransfer einen Engpass?
  • Führt ein Mangel an I/O-Bandbreite zu einem schlechteren Durchsatz und mäßigem Antwortverhalten?
  • Ist die Datenbank nicht groß genug dimensioniert und somit überlastet?
  • Ist das Benutzer-Interface zu unflexibel oder zu schwer zu bedienen?
  • Es erweist sich in der Praxis als sehr zielführend, die Fragestellungen zu begrenzen. Es geht vor allem darum, die Informationen zu ermitteln, die verdeutlichen, wie sich die Plattform auf die Geschäftsprozesse auswirkt. Denn die verwendet das Unternehmen ja letztendlich, um Umsatz und Gewinn zu optimieren.

Quellenangabe:

Der Beitrag basiert teilweise auf der Gartner-Studie: „Considering Leaving Legacy IBM Platforms? Beware, as Cost Savings May Disappoint, While Risking Quality“