Die flexible Anbindung der Unternehmens-IT ans Web macht Schluss mit fehlerbehafteten manuellen Interaktionsformen und trägt so zu einer Beschleunigung system- und unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse bei. Die Analyse und Neugestaltung von Abläufen in den Unternehmen ist von jeher ein Thema der strategisch tätigen Consulting-Firmen von Accenture und Deloitte Consulting über KPMG Consulting bis hin zu PricewaterhouseCoopers. In der ersten Hälfte der 90-er Jahre war Business Process Reengineering (BPR) – die Neugestaltung der Geschäftsprozesse unter intensiver Nutzung der Informationstechnik – das beherrschende Thema der Unternehmensführung. Begriff und Inhalt von BPR haben sich seitdem weiterentwickelt: Nicht die Radikalität ist der zentrale Aspekt, sondern der Prozess – so gestand BPR-„Erfinder“ Michael Hammer später ein. Der Geschäftsprozess fasst ein Bündel von Aktivitäten zusammen, die im Ergebnis Werte schaffen – für das Unternehmen und seine Kunden.
Auftragsbearbeitung, Beschaffung oder Logistik sind typische derartige Abläufe. Ihnen gemeinsam ist der Umstand, dass eine Reihe betrieblicher Funktionen und damit auch Applikationen zum Zuge kommt. Ein Fertigungsauftrag etwa löst viele Einzelaktivitäten aus. Die Koordinierung erfolgt durch die Arbeitsvorbereitung. Dazu gehört die Beschaffung von nicht am Lager vorrätigen Materialien, Werkzeugen und Werkstoffen, Bearbeitung, Lohn- und Gehaltsabrechung bei individuellen Aufträgen, Qualitätsprüfung, Versand etc. In Anbetracht dieser Vielzahl von wechselseitigen Abhängigkeiten ist es verständlich, dass das Thema „Enterprise Application Integration“ (EAI) seit geraumer Zeit auf der Prioritätenliste in den Unternehmen steht.
Stufe eins: EAI
EAI befasst sich mit dem Transport von Daten und der Abwicklung von Transaktionen zwischen internen Geschäftsanwendungen (z.B. Enterprise Resource Planning, Supply Chain und Customer Relationship Management) – jede mit eigenem Interface und eigenen Datenformaten. Transportmedium ist ein lokales Netzwerk oder ein Intranet. Als interne Middleware „verdrahtet“ EAI die unterschiedlichen Applikationen miteinander und schafft so eine robuste und skalierbare Infrastruktur zur Automatisierung und schließlich zur Optimierung interner Geschäftsabläufe.
Enterprise Application Integration setzt sich aus einem modularen Set von spezialisierten Komponenten zusammen: einer Messaging-Infrastruktur, die auf Basis einer Ereignis-gesteuerten Publish/Subscribe-Methode arbeitet, Konnektoren zur Anbindung gängiger Standardanwendungen, Individualsoftware, Datenbankmanagement-Systemen und Applikationsservern sowie einem grafischen Tool zur Abbildung von Datenstrukturen in andere Formate.
Eine weitere wichtige Anforderung an eine EAI-Lösung sind Funktionen, um von einer zentralen Stelle aus den Informations- und Transaktionsfluss zu koordinieren. EAI ist lediglich die erste, aber notwendige Stufe einer effektiveren Gestaltung von Geschäftsprozessen. Die nächste Phase bezieht die Business-to-Business- (B2B-) Integration ein und bindet so andere Organisationen stärker an das eigene Unternehmen.
Abbildung 1: B2B-Geschäftsprozesse umfassen alle Aktivitäten von den Back-end-Systemen des Unternehmens A bis zu denjenigen des Unternehmens B (Quelle: Vitria)
Gefordert ist hier der Austausch von Informationen und die Abwicklung von Transaktionen mit mehreren (externen) Geschäftspartnern. Als Kommunikationsmedien dienen öffentlich zugängliche Netze wie das Internet oder eine EDI-VAN-Lösung (Electronic Data Interchange Value Added Network). Die im EAI-Bereich ermittelten Geschäftsinformationen werden in Internet-Standards wie HTTP(s), XML (Extensible Markup Language) mit deren Dialekten ebXML, cXML und XML Common Business Library oder EDI transformiert und anschließend wieder „rückübersetzt”.
Schritt zur Optimierung
Im Kern geht es darum, komplexe Abfolgen von Interaktionen innerhalb und zwischen Unternehmen in einem ersten Schritt zu automatisieren und schließlich zu optimieren und neu zu gestalten. Ausgangspunkt sind die Schnittstellen zwischen internen Anwendungen, die in aller Regel Anknüpfungspunkte an externe Prozesse in der Wertschöpfungskette besitzen. Oberstes Ziel ist es, alle überflüssigen Zwischenschritte zu eliminieren und so Zeit und Kosten zu sparen, die durch manuelle Eingriffe in die Prozesse verursacht werden. Fehlerbehaftet sind Vorgehensweisen, bei denen ein Auftrag, der per E-Mail eintraf, ausgedruckt und noch einmal elektronisch erfasst wird, statt unmittelbar zur Bearbeitung weitergeleitet zu werden.
Traditionell sind die geschäftlichen Kommunikationsbeziehungen zwischen Partnern auf Telefon, Telefax oder offizielle Schriftstücke angewiesen. In Branchen wie der Automobilindustrie, dem Elektronik- und Computerbereich, im Konsumgüterbereich sowie dem Transportwesen kommt seit Anfang der achtziger Jahre EDI für die Geschäftskommunikation zum Einsatz. EDI befasst sich mit dem Austausch strukturierter Geschäftsdaten (z. B. Lieferabruf, Feinabruf, Lieferschein- und Transportdaten, Gutschrift) zwischen den Informationssystemen externer Partner auf Basis von Nachrichtenstandards (z. B. VDA = Verband der Automobilindustrie, ODETTE = Organisation for Data Exchange by Tele-Transmission in Europe, EDIFACT = Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport) und Kommunikationsstandards (z. B. ODETTE File Transfer Protokoll für den Bereich der europäischen Automobilindustrie).
In Industrien und Unternehmen, in denen sich kein EDI-Standard durchgesetzt hat, erfolgen die Interaktionen noch immer weitgehend konventionell. Als Alternative dazu bietet sich eine elektronische Vernetzung via Internet an, die Liegezeiten und Medienbrüche eliminiert. Der EAI-Anbieter Vitria Technology bezeichnet dies als „Electronic Bonding“ (dt. etwa: das Knüpfen elektronischer Bande). Einige Beispiele für den Nutzen, den die Beteiligten daraus ziehen können, sind die durchgängige Vernetzung der Beteiligten untereinander, ein stets aktueller Status von Orders, korrekte Bestellungen, zeitgerechte Lieferungen, sinkende Administrations- und Lagerkosten sowie letztendlich eine höhere Kundenbindung.
Abbildung 2: Beispiel für die Wertschöpfungskette eines Fertigungsunternehmens (Quelle: Vitria)
Abbildung 3: Die Zukunft: ein branchenübergreifendes Netzwerk von Handelsplätzen (Quelle: Vitria)
Die Zielsetzung lautet damit, einen Zustand zu erreichen, bei dem der Austausch von Informationen und Transaktionen zwischen Geschäftspartnern direkt von System zu System prozessgesteuert in Echtzeit abläuft. Wesentliches Element ist die weitgehende Automatisierung. Benötigt wird dafür eine Infrastruktur, die eine intelligente Verknüpfung zwischen internen und externen Anwendungen und Prozessen gewährleistet. Diese neue Klasse von Software kann als Integrations-Server bezeichnet werden.
Publish/Subscribe flexibel
Ein zentrales Element der Systemarchitektur eines Integrations-Servers ist die Messaging-Funktion. Sie ermöglicht die transaktionsorientierte Kommunikation zwischen Anwendungen. Ein Publish-and-Subscribe-Modell eignet sich hierbei für Situationen eines Distributed Computing: Eine Applikation „publiziert“ Informationen („Publisher“, „Herausgeber“), andere Anwendungen (die „Subscribers“ oder „Abonnenten“) empfangen die Daten. Ein wichtiges Merkmal dieses Modells ist die asynchrone Arbeitsweise. Demnach wartet ein „Herausgeber“ nicht auf die Antworten der Abonnenten. Da beide – Sender und Empfänger – unabhängig voneinander agieren, bietet das Publish/Subscribe-Modell ein hohes Maß an Flexibilität.
Abbildung 4: Grundlage neuer Geschäftsmodelle im e-Business ist die Integration innovativer Technologien (Quelle: Cambridge Technology Partners)
Abbildung 5: Vier Entwicklungsphasen des Internets als Plattform erweiterter Geschäftsaktivitäten (Quelle: Vitria)
Diese Flexibilität reicht noch weiter, denn derjenige, der Informationen „veröffentlicht“, muss noch nicht einmal genau wissen, wer seine Abnehmer sind. Umgekehrt mag auch ein Subskribent kein Interesse daran haben, von wem er seine Information oder Daten bezieht – das Wichtigste ist, sie sind zuverlässig. Möglich wird diese Anonymität durch das Medium der „Kanäle“ (Channels), über das die Kommunikation erfolgt: Zwischen Publisher und Subscriber sind Kanäle zwischengeschaltet, die namentlich angesteuert werden können. Ein solcher Channel ist in der Lage, Daten von mehreren Herausgebern zu empfangen und diese an einen oder mehrere Empfänger weiterzuleiten. Da Informationen zwischengespeichert werden, kann ein Channel sie im Fehlerfall (unvollständige Übertragung, Empfänger temporär nicht erreichbar, Hardwarefehler) später übermitteln. Die Besonderheit der Lösung Vitria BusinessWare besteht darin, dass die Kanäle Daten unmittelbar weiterleiten. Diese Fähigkeit nennt sich daher auch „Near Real-time Communication“.
Die Koordination zwischen Herausgeber und Abonnent erfolgt über Events. Tritt ein zuvor von einer Fachabteilung definiertes Ereignis ein, werden die davon betroffenen Subskribenten benachrichtigt – etwa bei Prozessketten, in denen es um die Ausführung von Aufträgen, die Beschaffung von Vorprodukten und Werkstoffen oder um eine unternehmensübergreifende Bedarfsplanung geht.
Ausblick
Die Neuordnung und Modernisierung der Geschäftsprozesse, welche mehrere Anwendungen und Geschäftspartner einbeziehen, ist für viele Unternehmen ein erstrebenswertes Ziel. Um Erfolge sichtbar zu machen und bei Abweichungen sofort reagieren zu können, bietet sich eine Echtzeitanalyse, wie sie im Rahmen eines Publish/Subscribe-Modells möglich ist, an. Im Gegensatz zu herkömmlichen Werkzeugen, die lediglich im Nachhinein eine Betrachtung auf der Datenebene vornehmen, liefert eine Near Real-Time-Analyse (RTA) Informationen auf der Ebene der Geschäftsprozesse: Es lässt sich z. B. auf Anhieb feststellen, wie viele Serviceaufträge sich in welchem Status befinden. Dazu bedarf es keiner SQL-Abfrage an die der Auftragsbearbeitung zugrunde liegenden Datenbanken. Auch wenn die RTA keine zwingende Komponente eines Integrations-Servers ist, lässt sie sich dennoch nutzbringend einsetzen – z. B. zur Implementierung und Einhaltung von Service Level Agreements bei Lieferterminen.
Notwendig dagegen ist eine Reihe von Software-Services, die ein Integrations-Server als Standard offerieren muss. Dazu zählen etwa Sicherheits-, Transaktions- und Systemmanagement. Zudem gibt es einige Services, die spezifisch für B2B-Interaktionen mit Geschäftspartnern sind. Ein Beispiel dafür ist das Management spezieller Gepflogenheiten bei der Auftragsabwicklung mit einzelnen Lieferanten.
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