Die Gründe für den Wechsel einer ERP- (Enterprise Resource Planning-) Lösung sind vielschichtig, allerdings handelt es sich in den seltensten Fällen um das Erreichen des vielzitierten Endes der Fahnenstange. Tatsächlich geht es eher um eine Art der Güterabwägung, ob das Altsystem nun modernisiert, also weitergepflegt, oder ausgemustert und gegen eine neue Individual- oder auch Standardlösung ausgetauscht werden soll.

Scheiden tut weh

Die Unternehmens-IT gehört längst zu den wettbewerbsentscheidenden Erfolgsfaktoren. Ein ERP-System abzulösen, bedeutet daher weitaus mehr, als sich von den schon reichlich ausgetretenen, aber doch lieb gewonnenen Schuhen zu trennen. Denn in aller Regel nehmen die „alten Latschen“ auch die gut funktionierende Abbildung der Prozesse mit „ins Grab“. Doch, was hilft es? Irgendwann ist immer der Punkt erreicht, an dem das Abschiednehmen zumindest Anlass und Thema einer ernsthaften Diskussion ist. Gründe hierfür sind beileibe nicht nur historisch drohende Sackgassen wie die Hürden der Y2K- und Euro-Fähigkeit. Auch auf funktionaler Ebene droht so manche Lösung gerade bei der Erweiterung von Geschäftsfeldern schlapp zu machen. Die Portierung auf ein neues Hardwaresystem erfordert unter Umständen einen hohen finanziellen Aufwand, oder die Upgrade-Fähigkeit stößt an schmerzliche Grenzen – Beispiele gibt es hier in unendlicher Fülle. Nicht zu unterschätzen ist zudem das Fehlen grafischer Elemente sowie der Wunsch zur Verabschiedung von den Green-Screen-Oberflächen rein textbasierter 3270- und 5250-Applikationen zugunsten des Windows-Look&Feel.

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Zwei alternative Lösungswege

Aus dem Dilemma führen grundsätzlich zwei Wege: über die Modernisierung der bestehenden oder über die Einführung einer neuen Software. Keine der beiden Alternativen erhebt den Anspruch, ein Kardinalsweg zu sein, denn zu unterschiedlich sind einerseits die individuellen Rahmenbedingungen in den Anwenderunternehmen und andererseits deren Prioritäten sowie die sich daraus ergebenden Erwartungshaltungen. So liegt unter dem Nutzenaspekt beispielsweise dem einen eher das über Jahre hinweg Bewährte am Herzen, wohingegen der andere mehr den sicheren Wachstumspfad auf Basis einer topmodernen Anwendungsumgebung fokussiert. Natürlich spielt bei der Entscheidung der notwendige Aufwand immer eine Rolle, wobei im Rahmen der unterschiedlichen Projektlaufzeiten nicht nur an direkte Kosten, sondern auch an das erforderliche Bereitstellen von Fachpersonal, an eventuelle Off-Zeiten im Echtbetrieb sowie an zu erwartende Anlaufschwierigkeiten beim Rollout eines Neusystems zu denken ist.

Neues GUI – und alles andere bleibt beim Alten

Am Low-End aller Modernisierungsschritte steht sicherlich das als GUIfizierung (GUI = Graphical User Interface) oder als Re-Screening bezeichnete bloße grafische Aufpolieren rein alphanumerischer Host-Anwendungen. Dabei wird auf den textbasierten Datenstrom eine grafische Oberfläche aufgesetzt und die Maus als zusätzliches Interface eingebracht. Von Vorteil ist hierbei, dass sich die Performance nicht verschlechtert und auch die Migrationskosten relativ niedrig bleiben. Das liegt vor allem an der vergleichsweise schnellen Entwicklungszeit, die parallel zum Normalbetrieb erfolgen kann. Bei dieser Art des „Face-Liftings“ sind auch keine Veränderungen am Host notwendig; sämtliche von der iSeries bedienten Bildschirme lassen sich individuell und ganz nach den Bedürfnissen der Anwender gestalten. Dass es sich in der Regel um Client-Installationen handelt, bringt natürlich auch Nachteile mit sich. So sind dem Lizenzpoker Tür und Tor geöffnet, und die mangelnde Zentralität führt zu lästiger Administrierung der einzelnen Clients. Die begrenzte Funktionalität, die der starre und unflexible GUIfizierungs-Ansatz mit sich bringt, fällt vor allem dann ins Gewicht, wenn die Software sich inhaltlich ändert. Hier ist teure Nacharbeit angesagt. Eine Alternative ist hier, den zwar arbeitsaufwändigeren, aber dafür flexibleren Weg über den Aufbau eines Java-Clients einzuschlagen, anstatt den Weg der reinen GUIfizierung zu gehen. Das hat für den Anwender außerdem den Vorteil, nicht nur im Internet, sondern auch im Intranet und damit mit wesentlich vereinfachter Netzwerkpflege unterwegs zu sein. Im Internet-Kontext ist natürlich auch der Citrix-Ansatz erwähnenswert, allerdings handelt es sich hierbei um eine rein serverseitige Weiterpflege.

Trennen von Präsentationsschicht und Logik

Wer den Geldbeutel noch etwas weiter aufmachen möchte, stellt jedoch vielleicht besser gleich auf 2-tier oder 3-tier-Environments um. Dabei ist im ersten Fall lediglich das Frontend vom Server getrennt, im zweiten auch die Applikation von der Datenhaltung. Das ist nicht nur die sauberere, sondern auch die zukunftssicherere Möglichkeit der Modernisierung von bestehenden Systemen. Ein Blick zurück zeigt nämlich, dass sich die Standards und Technologien für Benutzeroberflächen in den letzten zwanzig Jahren mehr als ein Dutzend Mal geändert haben. Den Anfang machten die Terminals, dann folgten die DOS-Ära sowie die unterschiedlichen Varianten von MS Windows mit Terminalemulationen. Heute sprechen wir längst von Java, HTML, XML – in ihren verschiedensten Ausprägungen – und unterschiedlichen Arten drahtloser Technologien. Ein Ende dieser Entwicklungen ist nicht absehbar, ganz im Gegenteil dürfte noch mehr Bewegung in die Prozesse kommen. Wer insofern heute die Geschäftslogik von der Präsentationsschicht strikt abkapselt, kann sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen gemächlich zurücklehnen. Denn wenn die Benutzeroberfläche ein einziges Mal entwickelt wurde, lässt sie sich in jeder beliebigen Sprache und mit jedem Standard wieder verwenden. Außerdem ist es möglich, die Host-Anwendungen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit einem Re-Engineering zu unterziehen, ohne dabei notwendigerweise die Legacy-Systeme anzufassen. Grundsätzlich ist eine Änderung der Host-Umgebung jedoch gar nicht erforderlich.

Auf in neue Welten

Alternative zwei ist neben der Modernisierung bestehender Applikationen der Aufbau völlig neuer. Hier ist sehr früh schon zu entscheiden, ob man eine individuelle oder eine Standardlösung präferiert. Beides hat Vor- und Nachteile, wobei sich der Alleingang wenigstens beim ersten Hinsehen als der teurere Weg erweist. Allerdings lässt sich über die Individualität gegenüber dem Wettbewerb und der präzisen Abbildung der Geschäftsprozesse wenigstens auf lange Sicht einiges kompensieren. Ganz abgesehen davon stellt sich die Entwicklung neuer Software heute bei weitem nicht mehr so stark „handmade“ dar wie noch vor wenigen Jahren.

Mithilfe von Tools schnell und sauber entwickeln

Wo man früher noch die Wahl hatte, entweder schnell oder sauber zu entwickeln, müssen und können heute beide Maximen unter einen Hut gebracht werden. Um diesem gewachsenen Anspruch zu genügen, sind Entwicklungswerkzeuge entstanden, die den Aufbau neuer Systeme nicht nur einfacher, sondern auch nachvollziehbar machen. Gerade der Aspekt der Nachvollziehbarkeit ist mit seinen Auswirkungen auf Zukunftssicherheit und Investitionsschutz immer wichtiger geworden. Aussagen wie „Mit unserer ERP-Lösung kennen sich zwei Mitarbeiter aus, und einer von ihnen hat bereits gekündigt“ sollten daher endgültig Schnee von gestern sein.

Weitreichende Unterstützung

Durch die so genannten Integrated Development Environments (IDE) können die Entwickler beispielsweise bei der Programmierung von Java- und XML-basierten, oder auch mobilen Applikationen auf bereits vorhandene Erfahrungen und Bausteine aufsetzen. So lassen sich objektorientiert umfangreiche Komponenten mittels Drag & Drop und selbst komplette logische Applikationspakete toolunterstützt und teambasiert erstellen. All diese Vorteile wirken sich natürlich auch auf der Kostenseite äußerst positiv aus. Die Entwicklung – unter anderem von Java-basierten e-Business-Applikationen für die iSeries – gerät somit auch finanziell zum kalkulierbaren Unterfangen.

Entscheidung nach Kosten/Nutzen-Gesichtspunkten

Software modernisieren oder neu entwickeln – welcher Weg der individuell richtige ist, kann letztendlich nur im Einzelfall entschieden werden. Rolf Stephan, Vorstand der AD Solutions AG, die mit ihren Produkten und Services beide Pfade begleitet, rät zur Abwägung nach dem Kosten-/Nutzen-Prinzip. Denn schließlich handele es sich bei der GUIfizierung und der objektorientierten Neuentwicklung um Antipoden nicht nur hinsichtlich des Aufwandes, sondern auch mit Blick auf den Benefit: „Bei über achtzig Prozent der heutigen betriebwirtschaftlichen Anwendungen handelt es sich um monolithische Architekturen mit verwobenen Präsentations- und Anwendungsschichten, die auf COBOL oder vergleichbaren Technologien wie RPG oder Assembler aufbauen. Wer hier neue Geschäftsmodelle abbilden, die B2B-Kommunikation forcieren und die Internet-Connectivity integrieren will, der sollte lieber gleich Nägel mit Köpfen machen und einen grundlegenden Neuaufbau angehen.“ Dabei wären immer auch das Know-how und die Motivation der eigenen Mitarbeiter ins Kalkül zu ziehen, die in den Projekten entscheidende Auswirkung auf Erfolg oder Misserfolg hätten. Im Übrigen sei auch an die Koexistenz modernisierter Alt- sowie neu entwickelter Systeme zu denken. Solche Koexistenzen zielten, so Rolf Stephan weiter, auf den Investitionsschutz der existierenden Applikationen und die sanfte Migration zu den neuen Technologien. „Dabei lässt sich die Business-Logik der bestehenden RPG- und Cobol-Anwendungen auf unterschiedlicher Ebene kapseln und integrieren – von der Einbindung der existierenden Datenbank, der Kapselung und dem Aufruf von Server-Funktionen bis hin zur Einbindung kompletter Green-Screen-Applikationen. Auf diese Weise bleibt das vorhandene Know-how erhalten, und es wird ein echter Return des getätigten Investments erzielt.“

Wer die Wahl hat, hat die Qual

Auf die Schnelle eine moderne Oberfläche zu erhalten, führt auf direktem Wege zu zufriedenen Benutzern. Gemäß dem Postulat „Never touch a Running System“ bleiben zudem über die bloße Modernisierung auch die funktionierenden Prozesse in der Software erhalten. Hingegen erfordert das Folgeleisten des „Web-your-Business“-Aufrufes bedeutend mehr als das oberflächliche Kratzen an Strukturen. Zu den wichtigsten zu stellenden Fragen gehört dabei, ob neue Geschäftsmodelle abgebildet werden müssen, und in der Konsequenz, wie wichtig das e-business für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist. Dem Anwender stehen dann alle Möglichkeiten offen. Was ihm bleibt, ist die Qual der Wahl, die sich jedoch durch die nüchtern sachliche Prüfung von Gegebenheiten und Zielen merklich lindern lässt.