In den Jahren 1999 und 2000 wurde Application Service Providing (ASP) als Konzept der Zukunft gefeiert. Im Zuge des Hypes glaubten viele, dass die Applikationsvermieter dem „klassischen“ Softwarevertrieb schon bald den Garaus machen würden. ASP in das Produkt- und Service-Portfolio aufzunehmen, gehörte fast schon zum guten Ton, zahlreiche Startups machten sich auf, um am vermeintlichen Wachstumsmarkt der Zukunft teilzuhaben. Auf die Begeisterung folgte zunächst Ernüchterung – dann Professionalisierung. Jetzt soll das Outsourcing-Modell (endlich) erfolgreich werden… Der prognostizierte Big Bang hat bislang auf sich warten lassen, was nicht zuletzt auf mangelnde Aufklärung zurückzuführen ist. Für viele Entscheider ist der Nutzen einer Outsourcing-Initiative a lá ASP nicht deutlich genug definierbar, die Anbieter haben auf die Wirkung des Hypes gesetzt und dabei die Überzeugungsarbeit vernachlässigt. Nicht ausgeräumte Sicherheitsbedenken, unübersichtliche Preisstrukturen und mangelndes Vertrauen in die Technologie waren Hemmschuh und Stolperstein zugleich, der Hype zunächst riesig, das Gros der Lösungen aber noch nicht ausgereift.
Im Mittelpunkt: Service
Die viel diskutierten Sicherheitsbedenken haben inzwischen deutlich an Einfluss verloren. Für nur noch 7 Prozent der vom aspkonsortium befragten Unternehmen waren jüngst ernsthafte Sicherheitsbedenken Grund für die ablehnende Haltung gegenüber ASP. Den Nutzen aber hielten immerhin 31 Prozent für nicht eindeutig definierbar, 40 Prozent der adressierten Manager wussten erst nach Hilfestellung überhaupt etwas mit dem Begriff ASP anzufangen. Jetzt soll das Mietmodell richtig an Boden gewinnen, die Nutzerzahlen sich binnen zwei Jahren verdoppeln. Voraussetzung dafür ist, dass die Anbieter ihre „Mitte“ finden: Beim Application Service Providing ist diese Mitte der Service, nämlich der Service „Mehrwert“.
Gute Argumente
Dennoch haben die ASP-Anbieter gute Argumente: Der unterbrechungsfreien Verfügbarkeit der Applikationen und der möglichen, deutlichen Kostenreduzierung in Sachen Anschaffung und Pflegeaufwand kann kaum jemand Negatives entgegenhalten. Seriosität strahlt aus, wer seinem Klientel eindeutige Verfügbarkeitsquoten garantiert und diese durch Kooperationen mit Netzbetreibern sicherstellt, qualitativ hochwertigen Rund-um-die-Uhr-Service garantiert und seine Allround-Hotlines auch nachts mit IT-Experten – und nicht mit Psychologie-Studenten besetzt.
Vorsicht ist bei allzu marktschreierischen Offerten geboten: 100 Prozent Verfügbarkeit ist intern nicht zu realisieren und auch externe Dienstleister können sie nicht sicherstellen. Zu viele Komponenten beeinflussen diese magische Größe. So mancher Anbieter staffelt seine Preise nach der garantierten Verfügbarkeit: Wer mehr will, muss auch mehr zahlen.
Vertikal soll’s sein
Die Angebotsvielfalt ist immens: Sie reicht von Kommunikations- und Office-Lösungen über Groupware-Anwendungen und DMS über e-Learning, CRM und e-business bis hin zu branchenspezifischen Lösungen. Letzteren gehört nach Meinung von Experten die Zukunft: Anpassbaren vertikalen Applikationen, welche die Geschäftsprozesse des jeweiligen Kunden abbilden und extern gehostet und gewartet werden. Die im ASP-Anfangsstadium etablierte Philosophie „Eine für alle“ hat sich jedenfalls nicht durchgesetzt, den kleinsten gemeinsamen Nenner als Mietlösung anzubieten, sich nicht gerechnet.
Konkretes Problem – konkrete Lösung
Ein wichtiger Grund für die schleppende Akzeptanz auf Mieterseite war die mangelnde Kundenfokussierung vieler Anbieter: Der Markt war zunächst stark angebotsgetrieben und auf die technologische Machbarkeit ausgerichtet. Unternehmen aber sind nicht an Technologien und Konzepten per se interessiert, sondern wollen greifbare Werte. „Die Anbieter sollten sich deshalb klar mit spezifischen Lösungen für konkrete Probleme positionieren,“ so Dr. Thorsten Wichmann, Geschäftsführer von Berlecon Research.
Berlecon hat jüngst eine Untersuchung durchgeführt, bei der die ASP-Userwünsche unter die Lupe genommen wurden. Dabei kam unter anderem heraus, dass im Bereich Customer Relationship Management (CRM) die Integrationsfähigkeit der Systeme eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein erfolgreiches ASP-Angebot darstellt. Weiterhin haben die Unternehmen hier sehr individuelle Ansprüche, die in der Regel nicht über Standardlösungen abgedeckt werden können. Die Ergebnisse der Umfrage belegen auch, dass Firmen nur selten bereit sind, Prozesse auszulagern, die unter den Begriff mission critical fallen oder in denen sie eigene Kernkompetenzen sehen.
Ganz anders stellt sich die Situation für e-Learning und Knowledge-Management dar: Standards werden hier durchaus akzeptiert und auch die Integrationsfähigkeit spielt nur eine untergeordnete Rolle. Zudem sehen die Unternehmen wenig Anlass, in diesen Bereichen eigene Kompetenzen aufzubauen und haben nur geringe Bedenken, Anwendungen und Daten an einen externen Anbieter auszulagern. Die Zurückhaltung der Unternehmen, e-Learning im ASP-Modell zu nutzen, liegt laut Berlecon Research vielmehr darin begründet, dass das Angebot an ASP-fähigen Lösungen hier noch eher unzureichend ist.
Insgesamt sehen die Berliner Wirtschaftsforscher nach wie vor ein großes Potenzial für ASP. Dies gilt insbesondere für die Anwendungsbereiche e-Learning und Knowledge-Management sowie e- und m-Commerce. Der Begriff „ASP“ dürfte allerdings in der Vermarktung stärker in den Hintergrund rücken.
Gute Aussichten für Web Services
Web Services, Internet-basierte Standards, auf deren Basis Software einen Teil ihrer Funktionalität über das Netz anderen Anwendungen zur Verfügung stellen kann, sorgen derzeit für großen Wirbel. Nach Ansicht von Experten wird ein Großteil der Diskussion über die Potenziale dieser neuen Standards aber zu sehr von kurzfristigem Denken bestimmt.
Erst in 2003 würden Unternehmen beginnen, Web Services pragmatisch in ersten Projekten einzusetzen. Eine Etablierung in gut geeigneten Anwendungsbereichen erwartet Berlecon Research erst in 2005. Besonderes Potenzial für Web Services sehen die Berliner in der e-Business-Integration. Die technische Seite von Integrationsprojekten könne in Zukunft schneller und einfacher umgesetzt werden. Bis zur echten Akzeptanz von Web-Services müssen sich die Anbieter noch einigen Herausforderungen stellen, die dem ASP-Markt bekannt sind: Neben der Lösung von Sicherheitsproblemen stehen Transaktionssicherheit, Skalierbarkeit und verlässliche Messaging-Standards auf der Agenda.
Services gefragt
Angebote, die viel und wechselnde Bandbreiten erfordern, ein hohes Maß an Pflege beanspruchen und zudem noch kontinuierlich wachsen, eignen sich für ein Outsourcing besonders. Hier sind die besten Möglichkeiten für Firmen gegeben, ihren Kosten- und Personaleinsatz zu reduzieren. Die Ampeln für das, was weitläufig unter dem Namen ASP gehandelt wird, stehen auf grün: Die Analysten von IDC prophezeien deutliche Wachstumsraten für den westeuropäischen Markt und einen Umsatz von 6 Milliarden Euro in 2006. Von einer Verdopplung der bisherigen Nutzerzahlen bis 2004 geht das aspkonsortium aus.
Egal, wie man das Kind nennt: ASP, Web Services oder auch Grid Computing. Die Nutzung externer Ressourcen, neudeutsch Outsourcing, entfaltet weiter ihren Reiz. Ist der Hype erst verflogen, tritt der wahre Glanz neuer Technologien zu Tage. Manchmal langsamer als zunächst angenommen – aber stetig.