Während sich der Mittelstand noch mit DMS und automatischer Rechnungseingangsprüfung plagt, ist die GFT Solutions GmbH schon ein Schritt weiter. Mit Hyparchiv InSpire widmen sich die Hamburger dem Business Process Management (BPM) – und damit dem Traum optimaler Abläufe im Unternehmen. Anwendungs-Software sei mit dem Modul schnell und ohne Programmierkenntnisse an neue Geschäftsprozesse anzupassen; mit maximaler Integrationsfähigkeit und günstigen Package-Angeboten adressiert GFT auch den Mittelstand. Im Do-it-yourself-Verfahren zur Optimal-IT? Peter Ruchatz, Geschäftsführer der GFT Solutions GmbH, sprach mit Irina Hesselink, freie Journalistin für das Midrange Magazin, über Schrankware und aufgeräumte Kinderzimmer. Irina Hesselink: Hyparchiv ist vielen als reine Archivierungslösung ein Begriff. Was kann die Lösung heute?
Peter Ruchatz: Es geht längst nicht mehr nur darum, Informationen und Daten sicher verwahrt zu wissen. Strukturierte wie unstrukturierte Daten sollen personalisiert in optimale Prozesse eingebunden werden. Das ist der Fokus, dem wir uns heute widmen, was natürlich vom Ausbau unserer Plattform begleitet wurde. Unter der Dachmarke Hyparchiv vertreiben wir inzwischen verschiedene Komponenten für eine optimale Unternehmensorganisation. Sie können zu einer sehr leistungsfähigen Plattform zusammengefasst werden.
Peter Ruchatz, Geschäftsführer der GFT Solutions GmbH
Irina Hesselink: Können oder müssen?
Peter Ruchatz: Viele Kunden planen keinen kompletten Neustart, sondern möchten auf Vorhandenem aufsetzen. Wir verfolgen deshalb einen modularen Ansatz: Alles kann autark aber auch in Summe genutzt werden. Je nachdem, welches Modul zum Einsatz kommt, kann eine eher ECM-spezifische Plattform aufgebaut oder eine reinrassige BPM-Lösung realisiert werden.
Irina Hesselink: Mit welchem Unterschied?
Peter Ruchatz: Bei ECM geht es darum, dass ich Content personalisiert an der richtigen Stelle verfügbar mache: zum Angucken, Editieren oder Freigeben. Es gibt vorher eine Klassifikation, wo dieser Content herrührt: Zum Beispiel aus der Eingangspost, aus einem SAP-Dokument oder einem Office-Programm. Informationen aus Archiv oder DM-System können in die Prozesse eingeklinkt werden.
Wenn wir über BPM sprechen, haben wir einen etwas anderen Fokus. Dann geht es darum, dass Unternehmen ihre Geschäftsprozesse durch eine reine Prozessapplikation unterstützen wollen, und zwar von der Beschreibung über die Modellierung bis zur Ausführung und Kontrolle der Prozesse. Dokumente aus bestehenden Archiven, DMS-Systemen oder Scan-Lösungen können dabei selbstverständlich berücksichtigt werden.
Irina Hesselink: Sie sprechen von Innovation der Prozessmodellierung – vor welchem Hintergrund?
Peter Ruchatz: Aus den Reengineering-Beratungsprojekten der 80er und 90er hat sich ein eigener Markt für Visualisierungs- und Modellierungstools entwickelt. Damit können am PC Prozessbildchen gemalt und auch Prozesse modelliert werden. Am Ende haben sie aber alle einen Output, nämlich Papier. Schrankware nenne ich das. Wir sagen unseren Kunden: Fangt doch nicht erst auf dem Papier an, beginnt doch gleich mit der Modellierung. Das können Kunde oder auch Fachabteilung am Rechner wunderbar selbst. Dabei ist es möglich, diverse Prozesse zu unterstützen und sogar von der Meta-Ebene zu beschreiben.
Irina Hesselink: Also Anwendungsoptimierung im Do-it-yourself-Verfahren?
Peter Ruchatz: Unsere BPM-Suite enthält ein Software-Modul, mit dem grafisch Entscheidungen definiert, Linien gezogen und Verzweigungen abgebildet und zusammengeführt werden. Eskalationsregeln sind einzeln zu definieren; per Mausklick kann an jeder Stelle bestimmt werden, welche Benutzer oder Benutzergruppen involviert sein sollen und welche Applikation zu integrieren ist.
Irina Hesselink: Und wenn Fehler gemalt werden?
Peter Ruchatz: Noch während der Modellierung findet ein Konsistenz-Check statt. Das System überprüft, ob irgendwo ein Prozess-Satz offen, eine Regel nicht konsistent ist und gibt gegebenenfalls eine Meldung. Man kann die Prozessbilder übrigens zunächst wie wild malen, Linien ziehen und Verknüpfungen bauen. Im Anschluss wird auf Knopfdruck alles auseinander gezogen, geordnet und sauber angezeigt, die Software läuft. Intern nennen wir das „Kinderzimmeraufräum-Tool“.
Irina Hesselink: Und wo ist nun der Unterschied zu den Modellierungs-Tools?
Peter Ruchatz: Hyparchiv InSpire geht einige Schritte weiter. Zunächst können Sie mit einem weiteren Modul die benötigten User-Interfaces wie auch zuvor die Prozesse per Drag & Drop gestalten. Zudem können Sie während der Prozessmodellierung auf die einzubindenden Applikationen und Datenbanken der vorhandenen Anwendungslandschaft zugreifen und diese einbinden. Das Tool kann wie eine Zwischenschicht gesehen werden: Sie kapselt die Anwendungslandschaft und stellt dem Nutzer die anwendungsspezifischen Komponenten zur Verfügung.
Mit den klassischen Tools müssen Sie mit den Prozessbildern nun zu den Programmierern gehen und die Software entwickeln lassen. Bei Hyparchiv InSpire erfolgt dies automatisch: Nach grafischer Modellierung der Prozesse und des User-Interfaces wird aus der gemalten Lösung eine Software erzeugt, auf Knopfdruck der dazugehörige Java-Code kompiliert. Das Ergebnis läuft auf dem Hyparchiv InSpire Process Server als Runtime und kann sofort ausprobiert werden.
Wenn die Prozesse laufen, kann beobachtet werden, wo jeder einzelne gerade steht. Das ist im Prozessschaubild erkennbar, farbig hinterlegt. Man sieht genau, wie das Procedere zu einem bestimmten Datum gelaufen ist, und kann auf diese Historie ein Reporting aufsetzen.
Irina Hesselink: Welche Fragen werden damit geklärt?
Peter Ruchatz: Es kann zum Beispiel sichtbar gemacht werden, welche Durchlaufzeiten mit der Auftragsbearbeitung verbunden sind. Der Kunde erkennt, wie viel Prozent der Aufträge welche Größe hatten oder welchen Weg gingen. Mit unserer BPM-Suite entsteht aber nicht nur eine Visibilität über sämtliche Abläufe, deren Regeln können auch leicht angepasst werden. Läuft ein Prozess nicht optimal, ändert man schlicht den Ablauf oder einzelne Regeln. Die Veränderung ist sofort implementiert, man sieht in Echtzeit, wie der Prozess schlanker läuft und die Durchlaufzeiten sinken. Diese Regelschleife permanent zu nutzen, um schneller als der Wettbewerb seine Abläufe an das Geschäft anzupassen, ist ja die eigentliche Idee von BPM.
Es können nicht nur unterschiedliche Prozesse sondern auch verschiedene Versionen im Modellier-Tool angesehen und verändert werden. Und diese Versionen können gleichzeitig auf die Runtime gestellt werden. Das ist eine Funktionalität, die nicht viele Lösungen bieten.
Irina Hesselink: Und wo bleiben die Dokumente?
Peter Ruchatz: Man kann Dokumente beliebig in die unterstützten Prozesse einbinden. Bei der Rechnungseingangsbearbeitung zum Beispiel bilden wir Logiken ab wie das Splitten der Dokumentpositionen, das Verteilen an die verschiedenen Kostenstellen, Freigabeprozeduren, Skontofrist-Prüfungen etc. Wenn ich über eine komplexe Angebotserstellung nachdenke, z. B. für den Schiffsbau, dann geht es um Offerten, die 100 Seiten umfassen – inklusive verschiedener Unterdokumente. Ein Prozess umfasst hier verschiedene Versionen und unterschiedliche Dokumenttypen mit Rollenspezifika – auch was Freigaben angeht.
Irina Hesselink: Wer kann Ihre Lösung nutzen?
Peter Ruchatz: Hyparchiv InSpire ist für Unternehmen aller Branchen und Größen einsetzbar. Es handelt sich um eine reine J2EE-Architektur, die auf allen Plattformen lauffähig ist: transaktionssicher und skalierbar. Viele Wettbewerber haben für dokumentenspezifische Prozesse Add-Ons entwickelt, die aber meist nur mit der eigenen DMS-Lösung kompatibel ist. Wir haben einen anderen Weg gewählt und eine autarke BPM-Suite designt. Die arbeitet natürlich über Web Services mit unseren anderen Produkten, aber das muss nicht sein. Wir haben auch Anfragen von Kunden anderer DMS-Anbieter, die unsere Prozess-Suite mit der vorhandenen IT kombinieren wollen.
Irina Hesselink: Und wer kann sie bezahlen?
Peter Ruchatz: Wir kennen natürlich unseren Markt, wir haben ja eine etablierte Kundenbasis im Mittelstand. Für diese Zielgruppe haben wir sehr interessante Packages geschnürt. Den Return-on-Investment rechnet man immer gern aus, aber wenn die Leute erst begriffen haben, wie schnell sie Applikationen selbst bauen können, dann fallen ihnen sofort die ganzen Prozesse ein, für die sie extern tief in die Tasche greifen mussten.
Irina Hesselink: Know-how in Sachen Entwicklung muss also nicht mehr eingekauft werden?
Peter Ruchatz: Programmieraufwand fällt dann an, wenn exotische Applikationen angebunden werden müssen. Wir sind sehr flexibel, was Web-Services angeht, haben verschiedenste Adapter bereits integriert und werden noch weitere entwickeln. Unsere Lösung besteht aus Standardkomponenten – ist also leicht anpass- und erweiterbar.
Irina Hesselink: In den ECM-Markt kommt also Bewegung?
Peter Ruchatz: Unsere Marktbegleiter stammen aus dem gleichen Umfeld wie wir. Viele sind aber immer noch auf reines Dokumentenmanagement fixiert, können also Workflows nur rund um Dokumente, die sich im angebotenen Archiv oder DMS befinden, steuern.
Die meisten Lösungen kommen zudem mit einem proprietären Front End, bei uns können beliebige Front Ends – also vor allem auch die bereits gewohnten – benutzt werden. Das Front-End, das der User sieht, muss also nicht das mit unserem Tool generierte sein. Es kann sich auch um eine Groupware handeln, um einen Exchange-Client, eine Portallösung oder Lotus Notes. Die Technologie soll sich schließlich dem User anpassen und der fühlt sich wohl, wenn er in seiner angestammten Umgebung arbeiten kann.
Irina Hesselink: Welche Rolle spielt der iSeries-Markt in Sachen BPM für Sie?
Peter Ruchatz: Die iSeries ist im Markt sehr gut vertreten und Symbol für eine wichtige Zielgruppe. Wir haben darauf geachtet, dass unsere Plattform offen ist, um eine möglichst schnelle Anbindung zu garantieren. Es ist nicht so, dass wir nur auf Unternehmen zugehen, die eine sündhaft teure Server-Farm mit Application Server einsetzen. Wir schließen keine Welt aus – mitnichten.