Mehr denn je sind Anbieter von Standard-Software speziell in dem umfänglichen Bereich von ERP gefordert, Flexibilität unter Beweis zu stellen. Dabei ist nicht nur Flexibilität in den Funktionen sondern auch zunehmend Offenheit in Bezug auf Betriebssystem und Datenbank gefordert. Marco Decker, Vertriebs- und Marketingleiter der OGS GmbH, erklärte im Gespräch mit Michael Wirt, wie sich sein Unternehmen auf diese Anforderungen des Marktes einstellt.
Marco Decker, Vertriebs- und Marketingleiter der OGS GmbH

Michael Wirt: Herr Decker, in Ihrem Kommentar „Modernisierung? Notwendig!“ in der letzten Ausgabe des Midrange Magazins haben Sie sich vehement für die Modernisierung vorhandener Software-Anwendungen eingesetzt. Warum?

Marco Decker: Neue gesetzliche Anforderungen, begrenzter Bedienungskomfort und eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit sind die wichtigsten Argumente für eine Modernisierung.

Michael Wirt: Wie haben Sie diese Anforderungen in Ihrem Software-Haus umgesetzt?

Marco Decker: Wir wollten ganz bewusst die Vorzüge der alten Erfassungs-Terminals erhalten und sie mit den neuen Anforderungen kombinieren.

Michael Wirt: Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Marco Decker: In der Vergangenheit waren die Oberflächen primär auf die schnelle Erfassung von Routinearbeiten ausgelegt. Der möglichst hohe Datendurchsatz war entscheidend. Heute haben sich die Anforderungen der Kunden verändert. Die Mitarbeiter sind die aus der Windows-Welt kommende, Maus-orientierte Bedienlogik gewöhnt. Beides steht eigentlich in offensichtlichem Widerspruch.

Michael Wirt: Inwiefern?

Marco Decker: Die anwenderfreundlichen, intuitiven und weitgehend selbst erklärenden Programme nehmen zu viel Platz und Raum auf dem Bildschirm ein. Waren in der „grünen Bildschirmwelt“ die zur Routine gehörenden Eingabefelder auf einer Bildschirmseite gebündelt, so sind die modernen Oberflächen in mehrere logische Themenbereiche gesplittet.

Michael Wirt: Warum sollten dann Unternehmen Geld in die Hand nehmen, um die effizientere Routineoberfläche durch moderne Bildchen zu ersetzen?

Marco Decker: Enthält die zu bearbeitende Aufgabe nur ein einziges, von der Routine abweichendes Element, zeigen sich die Vorzüge der modernen Oberfläche sofort. Denn die alten Geschäftsvorfälle, die z.B. Aufträge im gleichen Trott abgewickelt haben, gibt es kaum noch. Der Markt ist differenzierter geworden, die Ansprüche und Wünsche des Kunden sind individueller – einerseits hinsichtlich der Produkte, aber auch hinsichtlich der Modalitäten. Damit verlagert sich der Anforderungscharakter an die Erfassungslogik deutlich in Richtung der Windows-orientierten Themenlogik. Die Bedienlogik dahingehend zu optimieren, dass Standardvorgänge weiterhin mit vergleichbarer Effizienz abgewickelt werden können, war eine der großen Herausforderungen in unserem Modernisierungsprojekt.

Michael Wirt: Wenn ich Sie richtig verstehe, bedeutet dieses veränderte Anspruchsverhalten der Geschäftspartner, dass die alte Routinelogik mit dieser Fülle von individuellen Präferenzen an ihre Grenzen stößt und in der Zukunft wohl damit überfordert ist?

Marco Decker: Ja, und damit gibt es auch kaum noch eine Zukunft für die Welt der Green Screens. Hier handelt es sich um keinen der schnelllebigen Trends, die ihre Geburt kaum überlebt haben. Nur mit dieser neuen Flexibilität lassen sich die heutigen und künftigen Anforderungen des Marktes professionell abwickeln.

Michael Wirt: Die alten Routineprogramme waren thematische Insellösungen. Wie sehen Sie diesen Sachverhalt bei den modernen Anwendungen?

Marco Decker: Hier sprechen Sie einen ganz wesentlichen Punkt an! Wir haben immer noch Insellösungen, Word bleibt Word und ERP bleibt ERP. Aber in stärkerem Maße steht die Verzahnung der einzelnen Anwendungen unter einem gemeinsamen Vorgang im Vordergrund. War früher ein Vorgang meist vollständig in der Warenwirtschaft abbildbar, so wird er heute üblicherweise ergänzt durch eine individuelle Excel-Kalkulation, durch eine kundenseitige Produktskizze oder ein internes Gesprächsprotokoll in Word. Natürlich waren die Dinge auch in den alten Systemen als unabhängige Nebenschauplätze lösbar, allerdings ohne gemeinsame Verankerung.

Der heutige Integrationsansatz sorgt dafür, dass aus der Einzelaufgabe ein Gesamtvorgang wird, bei dem bereits vorhandene Informationen zwischen den einzelnen Anwendungen mitgenommen werden.
Damit entfallen sowohl zeitaufwendige Doppelerfassungen als auch Informationsdefizite durch das profane Nichtwissen von vorhandenen Dokumenten. Die Unternehmen werden schlagkräftiger, sie sparen Arbeitszeiten ein und ihre Mitarbeiter gewinnen an Kompetenz.

Michael Wirt: Und wie steht es neben der internen Kommunikation mit der externen?

Marco Decker: Je aktueller die jeweilige Anwendung ist, desto einfacher ist das Erzeugen oder Verarbeiten der Kommunikations-Datenströme wie XML oder HTML. Das setzt voraus, dass die Anwendung nicht nur über eine Effizienz steigernde Oberfläche verfügt, sondern auch in ihrem technologischen Kern, in Programmen und Datenbanken up to date ist.

Michael Wirt: Wie gehen die neuen Anwendungen mit den gesetzlichen Neuregelungen wie GPDU oder Elster um?

Marco Decker: Haben uns vor einigen Jahren noch Gesetzesänderungen bewegt, ob und wie lange beispielsweise ein Formular aufzubewahren ist, so sind es heute Forderungen nach Integration fertig gestellter Programm-Module und Kommunikationsdatenbanken, die uns beschäftigen. Und diese Integrationsaufgaben werden steigen.

Michael Wirt: Was ist der Grund, warum Sie gerade jetzt mit der neuen Version Ihrer Branchen-Software auf den Markt kommen?

Marco Decker: Mit der bisherigen Version konnten wir alle aktuellen Anforderungen im Rahmen der Wartungsverträge abbilden, wenn auch manchmal mit etwas höherem Aufwand. Aber die Schlagzahl der gesetzlichen Anforderungen hat sich in den letzten Jahren dramatisch erhöht. Immer mehr neue Module und Funktionen müssen integriert werden. Auch die Kundenwünsche werden rasant differenzierter und individueller; neue, bekannte und weitere zu erwartende gesetzliche Regelungen wären sicherlich in der „alten Welt“ schwerer zu realisieren.

Natürlich hätten wir schon vor ein bis zwei Jahren vorpreschen können, doch der überwiegende Teil unserer Bestandskunden aus der Baubranche war in der vergangenen Zeit für solche Aktivitäten aufgrund der wirtschaftlichen Großwetterlage nicht ansprechbar. Diese Frist haben wir genutzt, unsere Hausaufgaben zu machen und eine neue Version ausreifen zu lassen. Jetzt, wo der Markt sich wieder dreht, bieten wir die Lösung, die unseren Kunden wieder Wettbewerbsvorteile garantiert. Etwas, das OGS-Kunden seit fast zwanzig Jahren von uns erwarten.

Michael Wirt: Wie stehen Sie zu den Schlagworten „Plattform-Unabhängigkeit und i5“?

Marco Decker: Server der Wahl ist und bleiben die iSeries und i5, weil wir uns seit Jahrzehnten auf die hohe Verfügbarkeit der Anwendung und den praktisch betreuungslosen Betrieb der IBM-Maschinen verlassen können. Eigenschaften, die nicht nur Kundennutzen repräsentieren, sondern die auch einem Software-Haus das Leben natürlich leichter machen.

Dennoch verlangt der Markt nach Linux- und Windows-Lösungen. Mit der Version V2 haben wir folgerichtig auch den Grundstein gelegt, um im Frühjahr 2005 eine marktreife Linux-Version verfügbar zu haben. Dabei wurde bewusst die Entscheidung pro Linux getroffen; die genau so mögliche Windows-Version werden wir zurzeit nicht anbieten.
Unser Anspruch an den reibungslosen Betrieb einer ERP-Software lässt sich durch den strukturellen Aufbau des Betriebssystems noch am ehesten mit Linux realisieren.