Die Digitalisierung umsetzen – vor dieser Aufgabe stehen Unternehmen. Dabei spielen technische Trends wie der Einsatz der Hybrid Cloud, Container-Architekturen und Microservices eine große Rolle, wie Nils Wulf, Geschäftsführer UBL Informationssysteme, im Interview mit dem Midrange Magazin (MM) ausführt. Nach seiner Ansicht entwickelt sich Cloud Native zu einem festen Bestandteil der IT-Strategie, wirft aber neben Fragen zur Technologie auch Fragen in den Bereichen Organisation und Betrieb auf.

MM: Wenn man die Wachstumsraten von Hyperscalern wie Amazon Web Services, Microsoft Azure und Google Cloud betrachtet, scheinen Unternehmen ihre IT sehr stark in Richtung Public Cloud zu verlagern. Wie sieht ihre Einschätzung dazu aus?

Wulf: Das sieht aus dem Blickwinkel eines Managed Service Providers (MSP) ganz anders aus: Nur ein kleiner Teil geht in die Public Cloud. Die Anwender müssen abgeholt werden, man zeigt Ihnen auf, was in ihrem ganz speziellen Umfeld wie möglich ist.

MM: Wie sieht Ihre Vorgehensweise in diesem Bereich aus?

Wulf: Zunächst sind die Ausgangsparameter und strategischen Ziele zu skizzieren – es geht dabei um die Kernfrage: Wie organisiere ich die IT-Umgebung unter Einbeziehung meiner eigenen Gegebenheiten. Dazu gehören im wesentlichen Digitalisierungsaspekte, Geschäftsprozesse, Organisationsstruktur und Compliance. Nur so gelingt der Einstieg in hybride Cloud-Szenarien. Ein IT-Partner sollte dabei gemeinsam mit den Anwenderunternehmen überlegen, wie die jeweils speziellen Herausforderungen aussehen. Mit den Unternehmen ist dann zu diskutieren „was muss man“ und „was will man darüber hinaus“ realisieren. Dann geht es darum, zu definieren, wie man in die jeweils passende Zielarchitektur gelangt.

MM: Was zeichnet dabei einen MSP besonders aus?

Wulf: Er sollte die Lücke zwischen individuellen Kundenanforderungen, den Standardservices am Markt und dem Bedarf an Enterprise-Plattformen schließen. Ein Großteil unserer Kundenanfragen bezieht sich im Moment auf Plattform-Services in Kombination mit Infrastruktur-Services. Dazu kommen vermehrt Anfragen zur Einbindung von Public Cloud Services und dem Einsatz von Container-Umgebungen.

MM: Wandern immer mehr unternehmenskritische Anwendungen in die Pub-lic Cloud?

Wulf: Bei unseren Kunden steht bei den Kernanwendungen nicht die Public Cloud im Fokus, sondern flexible Hybrid Cloud-Strukturen. Daher sind Multicloud-Provider die richtigen Partner.

MM: Wie gestaltet sich das Ihrer Erfahrung nach für Unternehmen, die nach wie vor strategisch auf IBMs Power-Architektur setzen?

Wulf: Anfragen im Power-Umfeld nehmen in Bezug auf den Betrieb massiv zu. Hauptgründe dafür sind der Rückgang an Power-bezogenem Know-how sowie die Altersstruktur von Power-Administratoren. Die zweite Tendenz, die wir beobachten, ist, dass sich Unternehmen, die große Individualanwendungen auf Power-Infrastruktur betreiben, nach neuen Software-Entwicklungsarchitekturen umsehen, um den Bedarf zu unterstützen, den Digitalisierungsprojekte im Unternehmen entstehen lassen.

MM: Können Sie das konkretisieren?

Wulf: Im Sinne der Power-Architektur ist eine Software-Entwicklungsarchitektur aus dem Open Source-Umfeld kein Widerspruch zur Plattform, sondern eine Ergänzung. Denn die Daten und Prozesse, die auf Power laufen, lassen sich problemlos mit neuen Architekturen verbinden.

MM: Wie soll das erfolgen?

Wulf: Die Anforderungen lassen sich sehr elegant mit Hilfe von Microservices in Containertechnologien abbilden und zusätzlich um Standardservices aus Public Clouds ergänzen. Wir beobachten das bei ein paar unserer Kunden, aber auch insgesamt wird dieser Trend im Markt durch das sehr große Interesse an Veranstaltungen wie der „KubeCon + CloudNativeCon“ belegt, die mit mehr als 8.000 Besuchern im Dezember in Seattle stattfand. Diese Veranstaltung befasst sich schwerpunktmäßig mit Kubernetes und Technologien, die sich rund um die Plattform bewegen. Getrieben wird dies durch die agile Software-Entwicklung und das DevOps-Konzept.

Nils Wulf, Geschäftsführer UBL Informationssysteme: „Hybride Cloud-Modelle und Open Source-Technologie verknüpfen die ,alte und neue‘ Welt in der IT.“ Quelle: UBL Informationssysteme

MM: In der Tat hat das DevOps-Konzept einen erstaunlichen Siegeszug hingelegt, verspricht es doch agilere Unternehmen. Aber oftmals fehlt bei den Anwenderunternehmen das nötige Know-how. Wie kann ein MSP hier helfen?

Wulf: Im Umfeld von Container-Plattformen können wir Anwenderunternehmen sicherlich weiterhelfen. Wir versetzen sie in die Lage, ihre Microservice-basierten Anwendungsszenarien so umzusetzen, dass sie auf einer Container-Plattform laufen können. Dabei setzen wir auf Kubernetes als Container-Orchestrierungsplattform, ergänzt durch eine Menge Zusatztools. Die Beratung erfolgt dabei zunächst unabhängig von der darunterliegenden Infrastruktur – das kann bei der Container-Technologie On-Premis erfolgen oder auch in einer beliebigen Cloud-Architektur.

MM: Was sind die Treiber, die die traditionelle IT und die neue Technologie miteinander verknüpfen?

Wulf: Die Verknüpfung der alten und der neuen Welt erfolgt in hybriden Cloud-Umgebungen, zum Beispiel wenn historisch gewachsene Legacy-Umgebungen auf Digitalisierungsanforderungen treffen, wie etwa die dynamische Anpassung von Geschäftsprozessen. Hier können Microservices für eine deutliche Erhöhung der Geschwindigkeit sorgen und ergänzt durch neue Services im Bereich Internet of Things, Artificial Intelligence (AI) oder Big Data echte Mehrwerte und Wettbewerbsvorteile erzeugen.

MM: Die Erwartungshaltung bei IBM in Sachen AI liegt sehr hoch: Watson aus der Cloud gilt als Trumpfkarte – welches Potenzial sprechen sie diesem Thema zu?

Wulf: Ein sehr großes Potential – AI-Funktionalitäten können helfen, Prozesse weiter zu optimieren. Speziell in Deutschland – wir gelten ja als Spezialisten im Bereich der Prozessoptimierung – da wird noch viel auf uns zukommen. Höhere Effizienz ist für viele Unternehmen das große Argument.

MM: Welche Rolle spielt das Thema Security für einen MSP?

Wulf: Security ist in jedem MSP-Projekt ein Kernthema. Es geht dabei für Anwenderunternehmen immer um die Fragen: Wie komme ich an meine Ressourcen, wenn die nicht mehr bei mir vorgehalten werden? Wie passen der MSP und die ausgewählten Zielarchitekturen in mein ganz eigenes Compliance-Gefüge? Wie erfüllt der MSP meine Datenschutzbedingungen, und wie kann ich weitergehende Compliance-Vorgaben mit ihm umsetzen?

MM: Inwiefern ändert das Ihre Vorgehensweise?

Wulf: Mittlerweile nimmt der organisatorische Rahmen für das MSP-Geschäft von der Bedeutung her zu. Die technischen Aspekte treten mehr und mehr in den Hintergrund: Es ist heutzutage keine große Sache mehr, sich binnen kürzester Zeit aus der Public Cloud einen Service bereitstellen zu lassen. Das Einpassen in den für das Unternehmen vorgegebenen Betriebs-, Compliance- und Security-Rahmen ist ebenfalls eine wichtige Aufgabe, die es zu lösen gilt.

MM: Wo in Ihrem Kundenumfeld verorten Sie aktuell die Trends im Bereich Cloud?

Wulf: Wir verzeichnen einen klaren Trend. Es geht zum einen um die Verlagerung von Services aus OnSite-Rechenzentrumslösungen in die Private Cloud. Zum anderen steigt die Nachfrage bezüglich hybrider Szenarien und Plattform-Services, etwa hinsichtlich der Bereitstellung von Microsoft Services wie Exchange und Office 365 mit Integration in Microsoft Azure oder zum Beispiel hinsichtlich der Ergänzung von SAP HANA-Umgebungen um Cloud-Lösungen. Mit dem vermehrten Einsatz von Open Source-Technologien kommt noch ein dritter Faktor hinzu, die „Integration der Power-Plattform in Multi-Cloud-Szenarien mit Open Source-Technologie“, ein Faktor, zu dem wir von UBL auf der CEC-Veranstaltung in Berlin gemeinsam mit unserem Partner RedHat einen Vortrag halten werden.

MM: Die UBL Informationssysteme ist mittlerweile von der Datagroup übernommen worden. Wie lautet ihr Statement dazu?

Wulf: Wir freuen uns sehr, künftig Teil einer der dynamischsten IT-Dienstleistungsgruppen in Deutschland zu sein und den Erfolgsweg beider Unternehmen künftig gemeinsam fortführen zu können. Das Zusammengehen beider Gesellschaften bedeutet, dass wir unseren Kunden ab sofort ein noch umfassenderes Leistungsportfolio mit hohem Qualitäts- und Zuverlässigkeitsanspruch bieten können.